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       # taz.de -- Datenschutz und FaceApp: Immer mitten in die Fresse rein
       
       > Nebensache Datenschutz: Die App zur Modifikation von Gesichtern, FaceApp,
       > wird in den USA als Sicherheitsrisiko angesehen – weil sie aus Russland
       > ist.
       
   IMG Bild: Rapper Drake, der britische Sänger Sam Smith und viele anderen machen sich optisch älter via App
       
       Während wir nun schon seit Jahren mit jedem neuen Login in die
       weltumspannende digitale Sozialität ein Stück privaten Kernbereichs
       stillschweigend kommerzieller Verwertung preisgeben, fällt jetzt sogar dem
       Chef-Demokraten im US-Senat Chuck Schumer auf, dass es eventuell ein
       Problem mit dem laxen Datenschutz geben könnte. Eine bestimmte App könne
       wegen ihres Umgangs mit persönlichen Daten gar ein „nationales
       Sicherheitsrisiko“ sein. Das FBI solle eine Untersuchung in der Sache
       starten.
       
       Es geht nicht um eine der vielen Anwendungen aus dem Silicon Valley, nein,
       der Russe steht mal wieder vor der Tür und gefährdet auf ganz
       heimtückischen Wegen die staatliche Integrität der Vereinigten Staaten.
       FaceApp heißt das trojanische Pferd der St. Petersburger Firma Wireless
       Lab. Überaus populär ist das Programm gerade wieder einmal, mit dem
       Gesichter überaus realitätsnah modifiziert werden können. Viral gehen vor
       allem die algorithmisch gealterten oder verjüngten Porträts der
       Nutzer*innen, auch vieler Prominenter. So weit, so unschuldig.
       
       Die Nutzungsbedingungen der App aber haben es in sich. Die Daten der
       Nutzer*innen, also auch ihre Bilder, werden FaceApp dauerhaft, ohne
       Vergütung, unwiderruflich und weltweit vermarktbar für jede nur erdenkliche
       und auch noch nicht erfundene Verwertungsoption zur Verfügung gestellt.
       
       Fast wortgleich lesen sich jedoch die Nutzungsbedingungen anderer Anbieter,
       Facebook zum Beispiel. Das ist also gar nicht so ungewöhnlich für die
       digitale Wirtschaft. Bis auf den russischen Hintergrund des Anbieters
       vielleicht. Das allein scheint Schumer zu genügen, FaceApp einfach in die
       gegen Präsident Trump gerichtete Erzählung vom bösen Russen zu integrieren.
       Was man eben so tut, wenn grad keine mitreißende politische Programmatik
       zur Hand ist und Wahlen vor der Tür stehen.
       
       ## Lobbyist aus dem Bilderbuch
       
       Denn dass es Chuck Schumer mit der Privatsphäre der Bürger*innen sonst
       nicht ganz so ernst ist, beweist er immer dann, wenn seine Kolleg*innen in
       Abgeordnetenhaus und Senat versuchen, gegen Facebook zu ermitteln.
       Wiederholt nutzte er sein Amt, Untersuchungen zu unterminieren. Schumer ist
       [1][laut der Nachrichtenseite The Intercept] der Senator mit dem höchsten
       Spendenaufkommen von Facebook-Mitarbeiter*innen. Seine Tochter arbeitet im
       Marketing des Unternehmens.
       
       Wenn es um Facebook geht, kann Schumer sogar über die vermutete
       [2][russische Einflussnahme auf US-Wahlen hinwegsehen, wie eine Recherche
       der New York Times] eindrucksvoll nachgewiesen hat. FaceApp scheint im
       Vergleich einfach nicht genug Kapital für politischen Einfluss in
       Washington aufzuwenden.
       
       Der Anbieter Wireless Lab beeilte sich immerhin, zu betonen, dass die Daten
       der amerikanischen Nutzer*innen nicht auf russischen Servern gespeichert
       würden. In den Nutzungsbedingungen wird sich jedoch vorbehalten, genau das
       zu tun, Daten beliebig durch die Welt zu schicken und zu speichern, wie
       jedes andere Internetunternehmen auch.
       
       ## Keine Datensouveränität
       
       Schumer werden diese Details letztlich gleichgültig sein, seinen billigen
       pseudopolitischen Punkt hat er trotzdem gemacht. Genau in dieser
       Gleichgültigkeit aber liegt das Problem: Es gibt noch immer keinen
       praktikablen Umgang damit, dass Nutzer*innen weltweit keine Souveränität
       über ihre Daten haben. Die meisten nehmen nicht einmal zur Kenntnis,
       welchen materiellen Wert ihre Privatsphäre haben kann und wer daran auf
       welchen Wegen verdient.
       
       Die goldene Regel des digitalen Zeitalters ist ja: Lass es sein! Jede neue
       App, jedes Quiz, jeder lustige Fotofilter – nein, nein, nein. Aber wer hat
       schon Zeit, sich mit goldenen Regeln aufzuhalten oder gar die „Terms of
       service“ und Datenschutzrichtlinien zu lesen? Genau, niemand. Würde
       Facebook (oder jede andere beliebige App) in den Nutzungsbedingungen
       festlegen, dass das Unternehmen mit Anlegen eines Accounts die exklusiven
       Rechte auf Vermögen und Seelenheil der User*in erlangt, würden wir erst am
       jüngsten Tag bemerken, dass es Schlimmeres als Himmel und Hölle gibt.
       Motivationsreden der humanoiden KI „Mark Zuckerberg“, für
       FaceApp-Nutzer*innen optional „Wladimir Putin“, in ewiger Videoschleife zum
       Beispiel.
       
       18 Jul 2019
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] https://theintercept.com/2018/11/16/chuck-schumer-caved-to-facebook-and-donald-trump-he-shouldnt-lead-senate-democrats/
   DIR [2] https://www.nytimes.com/2018/11/14/technology/facebook-data-russia-election-racism.html?auth=login-email&login=email&smid=tw-nytimes&smtyp=cur
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Daniél Kretschmar
       
       ## TAGS
       
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