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       # taz.de -- Afrika Cup im Fußball: Kicken für die Vielfalt des Landes
       
       > Überraschend trifft Algerien am Freitag im Finale des Afrika Cups auf
       > Senegal. Die Stärke des Teams hat auch etwas mit Politik zu tun.
       
   IMG Bild: Jubelt nicht nur für Algerien: Riyad Mahrez (M) nach dem 2:1-Siegtreffer
       
       Kairo taz | Es war ein perfekter Freistoß, der Algerien ins Finale
       beförderte. Aus 20 Metern zirkelte Riyad Mahrez am vergangenen Sonntag den
       Ball an der Mauer vorbei, genau in den Winkel. Nigerias Torhüter Daniel
       Akpeyi streckte sich, aber konnte nicht verhindern, dass es hinter ihm
       einschlug. Mahrez drehte ab, sprintete über das halbe Feld, bis ihn seine
       Teamkollegen einfingen und mit gemeinsam jubelten. Der Schiedsrichter pfiff
       die Partie erst gar nicht mehr an.
       
       Seit 29 Jahren hat die algerische Nationalmannschaft nicht mehr im Endspiel
       des Afrika Cups gestanden. 1990 holte das Team, das man die Fennecs,
       Wüstenfüchse, nennt, seinen bislang einzigen Titel. Nachdem es 2017 noch in
       der Vorrunde ausschied und sich nicht für die WM in Russland qualifizieren
       konnte, könnte nun endlich der große Wurf gelingen. „An unseren letzten
       Titel kann ich mich nicht erinnern“, sagt der Mittelfeldspieler Adlène
       Guedioura. „Aber jetzt können wir die Geschichte wiederholen.“
       
       Die Algerier bestechen durch schönes Offensivspiel und konsequentes
       Gegenpressing. „Die Mannschaft ist wahnsinnig gut organisiert“, sagte auch
       Claude de Roy, der Nationaltrainer von Togo, der sich das Spiel auf der
       Tribüne anschaut. „Sie arbeiten gemeinsam und stehen kompakt.“ Es ist nicht
       nur Mahrez, der das Team prägt, sondern das Kollektiv. Bisher waren die
       Fennecs in jedem Spiel feldüberlegen, aber sie verfolgten ihre Chancen oft
       nicht mit letzter Konsequenz.
       
       Bereits in der Gruppenphase trafen die Finalisten aufeinander, Algerien
       gewann 1:0. Es ist das einzige Gegentor, das Senegal im Verlaufe des
       Turniers kassieren musste. „Der Senegal verteidigt besser als wir“, sagt
       Algeriens Trainer Djemal Belmadi vor dem Finale. „Unsere Stärke liegt in
       der Offensive.“ Belmadi, der seit 2016 die Mannschaft betreut, steht kurz
       vor dem wichtigsten Spiel seiner Karriere. Zuvor trainierte er nur
       Mannschaften in Katar, ein Jahr lang deren Nationalteam.
       
       Der starke Auftritt der Fennecs ist dabei nicht nur wegen der Ergebnisse in
       den Vorjahren und wegen dem unerfahrenen Trainer eine Überraschung. Die
       Zusammensetzung des Teams wurde vor dem Turnier zum Politikum. 14 Spieler
       im Kader der Algerier sind in Frankreich geboren, nur neun in Algerien.
       Andy Delort ließ sich erst im April einbürgern, um beim Afrika Cup
       auflaufen zu können. Auch Belmadi stammt aus Champigny-sur-Marne, einem
       Vorort von Paris.
       
       ## „Verräter“ und „Franzosen“
       
       Vor zwei Jahren, nach dem Vorrunden-Aus, hatten Fans die eigenen Spieler
       als „Verräter“ und „Franzosen“ beschimpft. Die Doppelstaatsbürger haben es
       in Algerien sowieso schwer: Seit 2016 ist es ihnen verboten, im
       öffentlichen Dienst leitende Positionen einzunehmen. Und nun der Erfolg mit
       „Franzosen“. „Diese algerische Mannschaft erinnert uns daran, dass Vielfalt
       kein Fehler ist, sondern ein Reichtum“, kommentierte der algerische
       Schriftsteller Karim Amellal in Le Monde. Tatsächlich haben die Fennecs
       nicht nur in Algerien, sondern gleichfalls in Frankreich Euphorie
       ausgelöst. Nachdem Finaleinzug feierten auch auf den Straßen von Paris
       Tausende Mahrez’ Siegestreffer.
       
       Rechten Parteien in Algerien stößt das sauer auf. Julien Odoul,
       Regionalpolitiker des rechten Marine Rassemblement National, erklärte auf
       Facebook sogar, er wolle Nigeria die Daumen drücken, damit die
       Feierlichkeiten endlich ein Ende nehmen.
       
       Siegtorschütze Mahrez, auch er in Frankreich geboren, sah das und
       antwortete nach Spielende: „Der Freistoß war für Sie“. Dazu stellte er eine
       algerische und eine französische Fahne.
       
       19 Jul 2019
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Moritz Ablinger
       
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