# taz.de -- Thematisierung rechter Gewalt: Der Sommer kann sehr grausam sein
> Mordende Rechtsradikale sind keine Einzelfälle, sondern gehören immer
> mehr zur Normalität. Verdrängen hilft da nicht weiter.
IMG Bild: Beim Anschlag auf zwei Moscheen in Christchurch, Neuseeland waren 69 Menschen getötet worden
„Berlinerin (23) stürzt beim Wandern in den Alpen ab – tot“. „36-Jähriger
stürzt 1.000 Meter in die Tiefe – tot“. „Deutscher (56) stürzt beim Wandern
in den Tod“. „Herzversagen: 55-Jähriger brach bei Wanderung tot zusammen“.
„Frau beim Wandern von Stein getroffen – tot“. „Bikini-Bergsteigerin geht
halbnackt wandern – und erfriert“. „Brandenburger stürzt beim Wandern ab –
tot“. „Deutscher Tourist auf Mallorca ertrunken – Obduktion geplant“.
„26-Jährige tot auf Musikfestival aufgefunden“. „Segelflieger kollidieren.
Pilot rettet sich mit Fallschirm“.
Was klingt wie ein dadaistisches Gedicht sind Schlagzeilen der letzten
Wochen. Nachrichten, die keine weiteren Debatten nach sich ziehen. Dabei
kann der Sommer doch sehr grausam sein. Auch die Norweger können das
bestätigen: Am 22. Juli 2011 ermordete ein Rechtsradikaler 77 Menschen,
verletzte und traumatisierte Hunderte andere und schockierte ein ganzes
Land und die ganze Welt – von Ausnahmen abgesehen.
Sein erster rechtsradikaler Nachfolger war ein Deutscher. Er ermordete am
22. Juli 2016 in München 9 Menschen. In diesem Jahr ermordete ein weiterer
rechtsradikaler Nachfolger in Neuseeland 69 Menschen. [1][Ein deutscher
Rechtsradikaler ermordete in Kassel einen CDU-Politiker.] Alles Einzeltäter
wird gesagt. Sicher.
Aber nur, weil sie sich zum Sprengstoffbasteln und Manifestschreiben nicht
mit zwei, drei anderen verabredet haben, sondern alleine Material einkaufen
gegangen sind und kein von führenden Nazis dieser Welt unterzeichneter
Plenumsbeschluss in ihrer Hosentasche zu finden war, auf dem steht: Wir
schaffen das.
## Öffentliche Präsenz von Rechten
Natürlich schlittert es an den Grenzen von Pietät und Legitimität entlang,
des Wanderers Unglück mit den Mordopfern Rechtsradikaler zu verbinden. Aber
das ist, Sie ahnen es, Absicht. Es ist der Versuch, drastischer deutlich zu
machen, [2][dass mordende Rechtsradikale] so sehr zur Normalität gehören
wie der Wanderer- oder Schwimmertod. Weil das nicht sein darf, versucht man
diese Normalität zu verdrängen. Verständlich. Ist aber nicht die Lösung der
Frage nach der richtigen Dosis öffentlicher Präsenz von Rechten, ihrer
Ideologie und ihrer Taten.
[3][In Norwegen ist nach dem rechtsradikalen Attentat] eine
rechtspopulistische Partei an der Regierung und stellt Finanz- und
Justizminister. Das sind zwei der Ministerien, die bei dem rechtsradikalen
Sprengstoffanschlag am 22. Juli zerstört wurden.
Wenn diese Kolumne erscheint, haben wir den 23. Juli. Es wäre gut, wenn es
bald einen 23. Juli gibt, an dem die Welt sagen kann, dass sie das mit dem
rechtsradikalen Terrorismus erfolgreich verdrängt hat – und es sitzt
währenddessen keine rechtspopulistische Partei in einer Regierung und sorgt
dafür, dass die Einwanderungsgesetze verschärft werden. Ob [4][der
rechtsradikale Attentäter von Wächtersbach] sich den 22. Juli zufällig
ausgesucht hat?
23 Jul 2019
## LINKS
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## AUTOREN
DIR Doris Akrap
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