URI: 
       # taz.de -- Kommentierung in der ARD-Sportschau: Die Frauenoffensive
       
       > Dass eine Frau die Sportschau moderiert, ist bereits der Fall. Mit
       > Stephanie Baczyk kommentiert nun erstmals auch eine Frau die
       > Samstags-Sportschau.
       
   IMG Bild: Stephanie Baczyk kommentiert in der kommenden Saison in der ARD-Sportschau
       
       Die Beständigkeit patriarchaler Strukturen ist hinlänglich bekannt. Aber es
       gibt immer wieder Daten, die selbst die eigentlich Wissenden immer wieder
       staunen lassen. Etwa, dass das Frauenwahlrecht in der Schweiz erst 1971
       eingeführt wurde, dass es in Liechtenstein gar erst 1984 so weit war oder
       dass der Deutsche Fußball-Bund Frauen 1955 das Fußballspielen verbot und
       den Beschluss noch weitere 15 Jahre lang aufrechterhielt.
       
       Ähnlich staunen werden die Menschen, die irgendwann auf den 20. Juli 2019
       zurückblicken. Denn an diesem Tag teilte die ARD mit, Stephanie Baczyk als
       erste Frau ins Kommentatorenteam der „Sportschau“ für die
       Fußball-Bundesliga, dem weitere 17 Männer angehören, aufzunehmen. Die
       deutsche Nachrichtenagentur dpa stellte geradezu bewundernd fest: „Trotz
       der teils frauenfeindlichen Kritik an ZDF-Reporterin Claudia Neumann hat
       auch die ARD nach einer Fußball-Kommentatorin gesucht. Jetzt ist das Erste
       fündig geworden.“ Sapperlott!
       
       [1][Neumann kommentierte als erste Frau] für das ZDF 2016
       Männerfußballländerspiele bei der Europameisterschaft in Frankreich und war
       insbesondere bei ihren WM-Einsätzen 2018 in Russland einem Shitstorm in den
       sozialen Netzwerken ausgesetzt. Die sexistischen Kommentare, Beschimpfungen
       und Hass-Attacken nahmen derart üble Ausmaße an, dass das ZDF Strafanzeige
       gegen die Hetzer einreichte.
       
       Damals schon lobte der ARD-Sportkoordinator Axel Balkausky das ZDF, mit
       Neumann eine kompetente Kommentatorin aufgebaut zu haben, und zeigte sich
       „zuversichtlich, dass wir diese Lücke mittelfristig schließen können“. Ein
       Satz, der einen ebenfalls verwundert zurücklässt, weil er nahelegt, es
       bräuchte eben nur diese eine Frau, um das Problem der männlichen Monokultur
       zu beheben.
       
       ## Shitstorms von männlichen TV-Zuschauern
       
       Frauen als Fußballreporterinnen werden offensichtlich wie eine seltene, zu
       züchtende Spezies betrachtet, und eine jede Redaktion schätzt sich
       glücklich, wenn sie so ein Vorzeigeexemplar präsentieren kann. Dass die
       erste Frau, die eine Profifußballmännerpartie live im Fernsehen
       kommentierte, ausgerechnet auf [2][Initiative von Sky und der Sport-Bild]
       („Wir wollen deine Stimme“) gecastet wurde, verstärkt diesen Eindruck.
       Christina Graf setzte sich damals gegen 1.200 Konkurrentinnen durch und
       kommentierte im Februar 2013 als erste Frau ein Spiel der Zweiten
       Fußball-Bundesliga zwischen Jahn Regensburg und Hertha BSC Berlin live im
       Fernsehen. Angestellt bei Sky blieb sie allerdings nur bis 2018.
       
       Eine große Frauenoffensive wird vermutlich auch in absehbarer Zeit nicht
       bei den TV-Sendern gestartet werden. Axel Balkausky gab schon im
       vergangenen Jahr unumwunden zu, dass die Einstellungshürden bei Frauen
       gerade nach dem Shitstorm gegen Neumann noch höher liegen als bei den
       Männern. „Wir arbeiten daran, sehen aber an den zum Teil irrwitzigen und
       negativen Reaktionen, dass eine Frau als Kommentatorin sehr sicher sein
       muss, um mit dieser Situation umgehen zu können.“
       
       Anders ausgedrückt, Fußballexpertinnen bewegen sich in einem Minenfeld,
       wenn sie Männern am TV-Bildschirm den Fußball erklären sollen. Entsprechend
       gering ist der Andrang. Balkausky sagte: „Es gab nicht so viele, die sich
       nach einem Aufruf in den Sendern gemeldet haben. Das hat uns selber auch
       überrascht.“
       
       Angesichts der hohen Hürden, die auch Balkausky für Frauen bei der ARD
       aufstellt, klingt das recht scheinheilig. Die Sender sollten nicht trotz,
       sondern wegen des Shitstorms von männlichen TV-Zuschauern ihre
       Kommentatorenteams um mehr Frauen erweitern.
       
       Stephanie Baczyk hat sich im Übrigen letztlich durch ihre gute und
       fachkundige Arbeit bei den letzten großen [3][Frauenfußball-Turnieren]
       qualifiziert – zuletzt bei der WM in Frankreich. Von großen, männlichen
       Reporter-Karrieren, die bei einer Frauen-WM ihren Anfang nahmen, hat man
       indes noch nicht gehört.
       
       22 Jul 2019
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] /Erste-Live-Kommentatorin-bei-WM-Spiel/!5117714
   DIR [2] /Moderatorinnencasting-bei-Sky/!5079314
   DIR [3] /Frauen-WM-2019/!t5476467
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Johannes Kopp
       
       ## TAGS
       
   DIR Fußball-Bundesliga
   DIR TV
   DIR ARD
   DIR Sportschau
   DIR Schwerpunkt Fußball-EM 2024
   DIR Kolumne Über den Ball und die Welt
   DIR DFB Team Frauen
   DIR Frauensport
   DIR Öffentlich-Rechtliche
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
   DIR Die EM bei den Öffentlich-Rechtlichen: Extrem-Plauderismus
       
       Zwischen den Spielen wird bei ARD und ZDF viel geredet. Während die ARD
       ihren Prince hat, fällt das Zweite doch stärker ab.
       
   DIR Gehälter im Profifußball: Profitstreben? Quatsch!
       
       #Nopaynoplay: Ganz klar eigentlich, oder? Spielerinnen aus Simbabwe und
       Jamaika streiken, um ihr vertraglich zugesichertes Gehalt zu bekommen.
       
   DIR Studie der Fifa zu Frauenfußball: Luft nach oben
       
       Eine Studie der Fifa gibt einen Überblick über den Entwicklungsstand des
       Frauenfußballs auf der Welt. Der DFB kommt dabei nicht gut weg.
       
   DIR Kolumne Press-Schlag: Der Platz für Frauen auf dem Platz
       
       Die ARD-„Sportschau“ könnte die Leerstellen ihrer Sendung mit der
       Fußball-Bundesliga der Frauen füllen. Warum tut sie es nicht?
       
   DIR Sportrechte bei den Öffentlich-Rechtlichen: Wer nichts mehr zu verlieren hat
       
       Live-Sportrechte gehen gerade immer mehr an private Anbieter. ARD und ZDF
       mögen das schlimm finden, dabei ist es eine große Chance für sie.