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       # taz.de -- Kommentar „Sea-Watch“: Unterlassung ist ein Verbrechen
       
       > Die Kapitänin der „Sea-Watch“ gehört nicht ins Gefängnis. Die
       > Verantwortlichen für die Mittelmeertoten sollten in den Knast. Die sind
       > nicht nur in Italien.
       
   IMG Bild: Die Frage, wer da ins Gefängnis gehört, beantwortet sich von selbst
       
       Wer einen Menschen im Badesee vor dem Ertrinken rettet, darf wohl mit einer
       lobenden Erwähnung im Lokalblatt rechnen. Wer Dutzende aus dem Wasser
       zieht, findet sich bald im Schloss Bellevue wieder, denn ein
       Bundesverdienstkreuz ist das Mindeste, was Lebensretter*innen zusteht. Der
       Grund ist einfach: Wer Ertrinkenden oder in Seenot geratenen Menschen die
       lebensrettende Hand reicht, ist unbedingtes Vorbild einer humanen
       Gesellschaft.
       
       Carola Rackete kann darüber wahrscheinlich nur müde lächeln. [1][Ihre
       Verhaftung] bei Einfahrt in einen sicheren Hafen, mit 40 Menschen an Bord
       der „Sea Watch 3“, stellt zwar jedes Prinzip des menschlichen Miteinanders
       auf den Kopf, war aber erwartbar. Racketes Gäste werden vom rechtsradikalen
       Innenminister Italiens nämlich nicht als Menschen wahrgenommen, sondern als
       gesichts- und rechtlose Bedrohung.
       
       Seenotretter*innen sind für Matteo Salvini einfach nur Schleuser,
       Verbrecher also. Und die gehören in den Knast. An der Kapitänin Rackete
       wird ein Exempel statuiert.
       
       Nun wäre es aber zu einfach, die Schuld für Eskalation allein in Rom zu
       suchen. Schließlich ist die Dehumanisierung der Geflüchteten, die
       Reduzierung ihrer Leben auf verzichtbaren Ballast, der stumm vor der
       libyschen Küste versinken kann, ein gesamteuropäisches Projekt.
       
       Jede [2][Abschiebung], jedes [3][Hau-ab-Gesetz], jede Demütigung auf der
       Ausländerbehörde, jede von Rassismus triefende Rede in den Parlamenten der
       EU, gibt Salvini die Rechtfertigung für seinen menschenverachtenden Kurs an
       dieser tödlichen Grenze zwischen Afrika und Europa.
       
       Das Schweigen der EU-Institutionen und der nationalen Regierungen, allen
       voran die deutsche, ist nichts weniger als unterlassene Hilfeleistung und
       immer wieder ein wenig verschämtes Einverständnis mit der Brutalität des
       Grenzregimes auf dem Mittelmeer.
       
       Carola Rackete, Sea Watch und die anderen Rettungsorganisationen weigern
       sich mit Mut und Menschlichkeit, den andauernden Massenmord kommentarlos zu
       dulden und sind deswegen Repressionen ausgesetzt. Die Frage, wer da ins
       Gefängnis gehört, beantwortet sich von selbst.
       
       29 Jun 2019
       
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