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       # taz.de -- Ortstermin in Leipziger Kita: Schweinefleisch ab 16 Uhr
       
       > Eine Kita in der Leipziger Südvorstadt gerät durch einen „Bild“-Titel in
       > die Schlagzeilen. Alles wegen ein paar Gummibärchen und Landtagswahlen.
       
   IMG Bild: Die Polizei kam, um aufgewiegelte Schweinefleischverteidiger auf Abstand zu halten
       
       Leipzig taz | Beim Essen geht es nicht um die reine Nahrungsaufnahme, Essen
       ist Ausdruck des eigenen Lifestyles oder politisches Statement: Leute essen
       vegetarisch, vegan, paleo, glutenfrei oder eben Schweineschnitzel. Auch der
       Verzicht auf gewisse Lebensmittel aus religiösen Gründen ist verbreitet.
       Wenn es in Kitas ausschließlich Leberwurstschnittchen gibt, können manche
       Kinder nur trockenes Brot essen.
       
       Deshalb hatten zwei Kitas in der Leipziger Südvorstadt angekündigt,
       Schweinefleisch aus Rücksicht auf zwei muslimische Kinder vom Speiseplan zu
       streichen. [1][Nachdem Bild daraus eine Seite-eins-Story machte], wurde die
       Kita am Dienstag belagert, die Polizei platzierte eine Streife, um
       aufgewiegelte Schweinefleischverteidiger auf Abstand zu halten.
       
       Im Netz wurde das Thema wie gern im Sommer heiß diskutiert, am Dienstag war
       Schweinefleisch Hashtag-Trend bei Twitter. CSU-Politiker Alexander Dobrindt
       etwa twitterte: „Wer Gummibärchen als Integrationshindernis sieht, dem ist
       der kulturelle Kompass verrutscht.“ Das klingt, als dürften die Kinder nie
       wieder Gummibärchen essen. Dabei geht es lediglich um die Stunden, die sie
       in der Kita verbringen. Die Mutter eines Kitakindes in Bringhektik bringt
       es an diesem Mittwochmorgen auf den Punkt: „Unser Kind isst gerne Fleisch
       und Gummibärchen, aber das kann auch nach 16 Uhr gegessen werden.“
       
       Vom gestrigen Trubel ist nichts übriggeblieben, Teile der Elternschaft sind
       vom Interesse der Öffentlichkeit auch durchaus genervt, andere sehen
       Potenzial in der Debatte: „Der Diskurs wirft Fragen auf: Wie viel
       Fleischkonsum muss vor dem ökologischen Hintergrund überhaupt sein?“, fragt
       eine andere Mutter, die ihr Kind gerade abgegeben hat und schnell aufs
       Fahrrad steigt.
       
       Die Leipziger Südvorstadt ist ein hippes Viertel. Einige der Eltern fänden
       den Verzicht auf Schweinefleisch im Grundsatz richtig, sagt die Mutter. Vor
       allem sei es wichtig, keine Kinder auszuschließen.Die Wissenschaft hat sie
       da auf ihrer Seite: Das Forschungsinstitut für Kinderernährung in Bochum
       empfiehlt drei bis vier fleisch- oder wursthaltige Mahlzeiten für Kinder
       pro Woche.
       
       Aber in der Debatte geht es wenig um Fakten. Mit Blick auf [2][die
       bevorstehenden Landtagswahlen in Sachsen] sagt eine Mutter: „Diese Wellen
       schlägt das Thema doch nur wegen der aktuellen politischen Lage.“
       
       Kitaleiter Wolfgang Schäfer ist nicht zu erreichen, eine andere
       Mitarbeiterin in Leitungsposition reagiert auf eine Interviewanfrage
       genervt. Mit bundesweiter medialer Aufmerksamkeit hat hier wohl niemand
       gerechnet.
       
       Als Reaktion auf die öffentliche Debatte hat die Kitaleitung den Verzicht
       auf Schweinefleisch vorerst zurückgezogen und will das Thema im August bei
       einem Elternabend besprechen. Die Leipziger Kitas waren dabei übrigens bei
       Weitem nicht die ersten, die auf Rücksichtnahme setzten. In den städtischen
       Kitas in Bielefeld etwa wird seit Jahren auf Schweinefleisch verzichtet.
       Ein nachrichtlicher Neuigkeitsaspekt ist also nicht gegeben.
       
       Da wir uns aber sowieso gerne mit dem Thema Essen beschäftigen, scheint die
       Aufregung über ein paar Stunden Schweinefleischverzicht für Kitakinder
       größer als die über den [3][Tod eines 32-jährigen Mannes in einer
       Gewahrsamszelle in Erfurt] am vergangenen Samstag oder über einen
       rechtsextremistischen Mordanschlag auf einen Eritreer in Hessen zu sein.
       Dabei müsste, wo das Thema Essen in unserer Gesellschaft einen sakralen
       Status erreicht hat, doch auch Rücksichtnahme auf ein bestimmtes
       Essverhalten selbstverständlich sein.
       
       24 Jul 2019
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] /Kein-Schweinefleisch-in-Leipziger-Kitas/!5608042
   DIR [2] /CDU-in-Sachsen/!5612972
   DIR [3] https://www.mdr.de/thueringen/mitte-west-thueringen/erfurt/tod-polizei-gewahrsam-ermittlungen-100.html
       
       ## AUTOREN
       
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