URI: 
       # taz.de -- Facebookgruppe von US-Grenzschützern: Hasserfüllte Posts
       
       > ProPublica hat Grenzschützer enthüllt, die im Netz Witze auf Kosten toter
       > Kinder machten. Jetzt soll Border Control zur Verantwortung gezogen
       > werden.
       
   IMG Bild: Kinder werden an der Grenze von ihren Müttern getrennt
       
       New York taz | „Fick die Schlampen“, war in einem Facebook-Beitrag zu
       lesen. „Werft Burritos auf diese Huren“, in einem anderen. Gemeint waren
       zwei weibliche Abgeordnete, die am Montag als Teil einer mehr als
       zwölfköpfigen Delegation des US-Kongress mehrere Einrichtungen der
       Grenzschutz in Texas besucht haben: die New Yorkerin Alexandria
       [1][Ocasio-Cortez] und die Texanerin Veronica Escobar. Die Autoren der
       Beiträge sind US-Grenzschützer. Sie haben ihre Postings auf einer vor drei
       Jahren gegründeten Facebook-Seite veröffentlicht, die sich auf Sexismus,
       Rassismus und auf Witze über Migranten spezialisiert hat. In der
       vergangenen Woche schrieb ein Mitglied der Gruppe über einen Vater, der
       zusammen mit seiner 23 Monate jungen Tochter in dem Grenzfluss Rio Bravo
       ertrunken ist: „Ich habe noch nie solche Wasserleichen gesehen“, und legte
       nahe, dass es sich bei dem Foto der beiden Toten, das um die Welt gegangen
       ist, um eine Manipulation „von Linken“ handele. Über einen 16-jährigen
       Guatemalteken, der im Gewahrsam des Grenzschutzes ums Leben kam, frotzelte
       jemand: „wenn er stirbt, dann stirbt er“.
       
       „10-15“ hat sich die geschlossene Facebook-Gruppe genannt – nach einem
       Code, den Border Patrol-Agenten längs der Südgrenze der USA benutzen, um
       intern mitzuteilen, dass sie „Fremde in Gewahrsam“ genommen haben. [2][Laut
       Recherchen von „ProPublica“], die die geheime Facebook-Gruppe enthüllt hat,
       bezeichnete sie sich als „Forum für lustige und ernste Diskussionen über
       die Arbeit bei der Border Patrol“. Insgesamt 9.500 gegenwärtige und
       ehemalige Grenzschützer folgten den hasserfüllten Einträgen – das
       entspricht fast der Hälfte der 20.000 Mitglieder starken Einheit, die für
       die Sicherheit längs der US-Grenzen zuständig ist.
       
       Ocasio-Cortez und Escobar waren auf dem Weg zu Besuchen bei
       Internierungslagern in Texas, als ProPublica am Montag Morgen seine
       Recherchen enthüllte. Nachdem AnwältInnen im vergangenen Monat bei einem
       Besuch [3][katastrophale sanitäre und humanitäre Zustände] für
       ImmigrantInnen, darunter auch für internierte Kleinkinder, vorgefunden
       hatten, wollten die Abgeordneten sich selbst ein Bild machen. Unter anderem
       standen auch Gespräche mit Border-Patrol-Verantwortlichen auf ihrem
       Programm.
       
       Ocasio-Cortez, die in einer pornographischen Darstellung auf „10-15“ beim
       erzwungenen Oralsex mit einem grinsenden Donald Trump und auf einer anderen
       Darstellung mit einem internierten Migranten gezeigt wurde, ließ sich nicht
       einschüchtern. Stattdessen ging sie am Montag [4][mit einem Tweet] in die
       Gegenoffensive: „Wie glaubt Ihr, dass die Border Patrol Kinder und Familien
       in Käfigen behandeln, wenn sie sogar Mitglieder des US-Kongress bedrohen?“
       
       ## MigrantInnen sind weiter verzweifelt
       
       Joaquin Castro, texanischer Abgeordneter und Vorsitzender der
       Latino-Fraktion im Repräsentantenhaus, die den Besuch organisiert hat,
       machte bei den beiden Besuchen am Montag Fotos. Neun Tage nach dem Besuch
       der AnwältInnen fanden die Abgeordneten immer noch überfüllte Zellen und
       verzweifelte Migrantinnen vor. „Das Grenzschutzsystem ist kaputt“,
       resümierte Castro anschließend und erklärte die Missstände in den Lagern
       unter anderem mit der Geheimhaltung: „Das amerikanische Volk muss sehen,
       was in seinem Namen geschieht“.
       
       Die Abgeordneten fanden in den Border Patrol Lagern „Station1“ in El Paso
       und in einem weiter südlich gelegenen Lager in Clint Migrantinnen, die
       zwangsweise von ihren Kindern getrennt worden sind: Diese Frauen flehten
       die Abgeordneten um Hilfe an, obwohl sie Vergeltungsmaßnahmen befürchten.
       Sie müssen in überfüllten Zellen auf dem Betonboden schlafen, manche haben
       keinen Zugang zu Medikamenten, manche haben seit Wochen keine
       Waschgelegenheit. „Es gibt viele gute Grenzschützer“, schrieb Castro auf
       Twitter, „aber sie sind überwältigt von einem System, das moralisch
       ruiniert und das von betrügerischen Agenten unterhöhlt ist, deren Kultur in
       der Facebookseite offensichtlich geworden ist.“
       
       Ocasio-Cortez, die in den Lagern in mehreren Zellen Frauen umarmt und mit
       ihnen gesprochen hat, berichtete anschließend: „Sie halten Frauen in Zellen
       ohne Wasser und sie haben ihnen gesagt, sie sollten aus den Toiletten
       trinken“. Ein anderes Delegationsmitglied, die afroamerikanische
       Abgeordnete aus Massachusetts, Ayanna Pressley, erklärte über den
       Grenzschutz: „Er ist in seinem Inneren verrottet“.
       
       Die Namen einiger der Grenzschützer, die auf „10 – 15“ Witze auf Kosten
       toter Kinder gerissen, und gegen Frauen gehetzt haben, sind ProPublica
       bekannt. Doch bislang sind sie nicht öffentlich. Die Border Patrol muss
       sich nun mit dem extrem weit verbreiteten Korpsgeist in ihren Reihen
       auseinandersetzen.
       
       Nach mehrere Führungswechseln in den zurückliegenden Wochen hat der letzte
       Chef John Sanders, der selbst nur kommissarisch im Amt war, in der
       vergangenen Woche seinen Rücktritt für Anfang Juli angekündigt. An seiner
       Stelle erklärte am Montag Carla Provost, einige von wenigen Frauen in einer
       Einheit, in der nur rund fünf Prozent Frauen arbeiten, dass die
       „10-15“-Seite „völlig unangemessen und entgegengesetzt zu den Werten“ der
       Border Patrol sei. Sie kündigte eine Untersuchung an und sagte, dass
       Beschäftigte, die gegen die Verhaltensregeln der Border Patrol verstoßen
       haben, zur Verantwortung gezogen werden würden.
       
       2 Jul 2019
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] /Kommentar-Neue-Heldinnen-in-den-USA/!5603808
   DIR [2] https://www.propublica.org/article/secret-border-patrol-facebook-group-agents-joke-about-migrant-deaths-post-sexist-memes
   DIR [3] /Migranten-Lager-an-US-Grenze/!5606994
   DIR [4] https://twitter.com/AOC
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Dorothea Hahn
       
       ## TAGS
       
   DIR Schwerpunkt Flucht
   DIR Mexiko
   DIR Alexandria Ocasio Cortez
   DIR Grenzschutz
   DIR Geflüchtete Frauen
   DIR Geflüchtete
   DIR Hetze
   DIR Schwerpunkt Flucht
   DIR US-Wahl 2024
   DIR USA
   DIR Guatemala
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
   DIR Angedrohte Abschiebungen in den USA: Nur Dienst nach Vorschrift
       
       Von US-Präsident Trump angekündigte Massenrazzien gegen Papierlose blieben
       erst einmal aus. AktivistInnen hatten sich auf Widerstand vorbereitetet.
       
   DIR Kommentar 4.-Juli-Feier in Washington: Kulisse für Trumps Ego
       
       Trump macht zum Nationalfeiertag die Wiese vor dem Weißen Haus zur Kulisse
       für seinen nächsten Wahlkampf. Gut dürfte ihm das nicht bekommen.
       
   DIR US-Verfahren gegen Flüchtlingshelfer: Hilfe ist kein Verbrechen
       
       Scott Warren war angeklagt, weil er in der Wüste Wasser an papierlose
       Migranten verteilt hatte. Ins Gefängnis muss er aber nicht – vorerst.
       
   DIR Weiterer Tod in US-Gewahrsam: Junger Einwanderer gestorben
       
       Zum fünften Mal ist ein Minderjähriger im Gewahrsam der US-Grenzschützer
       gestorben. Der 16-Jährige wurde offenbar nicht vorschriftsmäßig betreut.