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       # taz.de -- Helios-Klinik in Bad Gandersheim: Sommerpause im Operationssaal
       
       > Der private Helios-Konzern hat den OP seiner Klinik in Bad Gandersheim
       > bis August stillgelegt. Die Bürgermeisterin und die Bevölkerung sind
       > sauer.
       
   IMG Bild: Dieser OP in Berlin und der OP in Bad Gandersheim haben eine Gemeinsamkeit: Die Tür bleibt zu
       
       Hamburg taz | In der Cafeteria gibt es nur noch Selbstbedienung. Und
       Operationen? Finden zwei Monate lang gar nicht statt, in Notfällen werden
       Patient*innen nur erstversorgt. Danach müssen sie in das rund 20 Kilometer
       entfernte Krankenhaus in Northeim fahren: Das, was gerade an der
       Helios-Klinik im niedersächsischen Bad Gandersheim passiert, sorgt bei
       Bürger*innen und Politiker*innen für reichlich Unverständnis und Wut auf
       den Klinikbetreiber. Und: Sie sind damit nicht allein.
       
       Auch andernorts in Niedersachsen beschweren sich Bürger*innen über
       Kürzungen bei den Helios-Kliniken. Sie befürchten, der Konzern sei nur am
       Profit orientiert, bemühe sich nicht um die Abteilungen, die wenig Gewinn
       einbringen – wie beispielsweise die Geburtshilfe. Insbesondere für Menschen
       in ländlichen Regionen bedeutet das dann, dass Sie im Zweifelsfall nicht
       mehr in einem Krankenhaus in ihrer Nähe behandelt werden können.
       
       Helios hat zwar Verträge über die Grund- und Regelversorgung. Der Konzern
       kann aber nicht gezwungen werden, Kliniken zu erhalten. Im schlimmsten Fall
       würden dann Schadensersatzforderungen drohen. Manche bezweifeln aber, dass
       das den Konzern mit Millioneneinnahmen abschreckt.
       
       Dass die Klinik in Bad Gandersheim ihren Betrieb herunterfährt, kam in
       einer Sitzung des Stadtrats am 27. Juni nur durch Zufall heraus. Ein Bürger
       fragte, ob es stimme, dass der OP-Bereich geschlossen wird. Einen Tag
       später sorgte ein Schreiben des Klinikgeschäftsführers für Aufklärung –
       wenigstens ein bisschen.
       
       Grund für die vorübergehende Einstellung des OP-Betriebes im Juli und
       August sei der Ausfall des Chefarztes der Orthopädie und Unfallchirurgie.
       Auch ein leitender OP-Pfleger sei derzeit ausgefallen, sagte ein
       Helios-Sprecher auf Anfrage der taz. „Einen kurzfristigen Ersatz zu finden
       war leider nicht möglich.“ Das wiederum läge daran, dass es sich um
       wählbare Operationen handele, bei denen eine besondere
       Arzt-Patientenbindung bestehe. Das sind beispielsweise Operationen, bei
       denen künstliche Hüftgelenke eingesetzt werden. Geplante Operationen würden
       nun in Northeim durchgeführt, so der Sprecher.
       
       Warum der Chefarzt bei geplanten Operationen in Bad Gandersheim nicht
       ersetzbar ist, sie dann aber in Northeim durchgeführt werden können, bleibt
       unklar.
       
       Bad Gandersheims Bürgermeisterin Franziska Schwarz (SPD) findet, es dränge
       sich die Frage auf, warum die zwei verbleibenden Oberärzte und der
       operierende Facharzt der Abteilung die Operationen nicht in Bad Gandersheim
       durchführen. Sie kritisiert Helios für eine intransparente
       Informationspolitik. „Ich halte die vorübergehende Einstellung des
       OP-Betriebes für eine Mitteilung, die die Bevölkerung angeht. Die Menschen
       und ich als Bürgermeisterin hätten informiert werden müssen“, sagt sie.
       
       Der Landkreis Northeim und die Stiftung Evangelisches Krankenhaus Bad
       Gandersheim sind mit jeweils etwas über fünf Prozent an dem Krankenhaus
       beteiligt. Nicht mal die beiden Minderheitsgesellschafter sind im Vorfeld
       informiert worden.
       
       „Dass einer der größten Krankenhauskonzerne Europas wiederholt so mit
       seinen Partnern umgeht, werden wir nicht länger akzeptieren“, sagt Uwe
       Schwarz (SPD). Er ist Mitglied im Northeimer Kreistag und sitzt als
       Vertreter der Minderheitsgesellschafter im Aufsichtsrat beider
       Helios-Kliniken in Bad Gandersheim und Northeim.
       
       Die Reputation der beiden Kliniken sei enorm beschädigt, sagt er.
       „Eigentlich müssten beide Häuser brummen, das tun sie aber nicht, weil
       viele Bürger kein Vertrauen mehr in die Kliniken haben.“ Das wird auch in
       manchen Kommentaren in sozialen Medien deutlich. Einige Bürger*innen
       glauben, die Klinik werde über kurz oder lang geschlossen.
       
       In den vergangenen Jahren wurden bereits die Gynäkologie und die Onkologie
       eingestellt. Helios befeuerere solche Gerüchte und Befürchtungen durch sein
       Verhalten, findet Uwe Schwarz.
       
       Bad Gandersheim ist auch nicht der einzige Helios-Standort, an dem der
       Konzern in der Kritik steht. 2014 hat Helios das alte Nordenhamer
       Krankenhaus übernommen. Es war Teil eines ganzen Klinikpakets, das das
       Unternehmen der Rhön-Gruppe abkaufte. Das alte Gebäude hätte saniert werden
       müssen, deshalb wurde neu gebaut.
       
       ## Proteste gegen Schließung
       
       Es sei damals angekündigt worden, dass Helios das Krankenhaus erhält und
       ausbaut, sagt Sabine Dorn (CDU). Sie ist Mitglied des Nordenhamer
       Stadtrates. Nach der Eröffnung des Neubaus [1][im Mai 2017 wurde im Oktober
       2018 dann aber zunächst die geriatrische Abteilung abgeschafft – aus
       wirtschaftlichen Gründen.]
       
       Im Februar dieses Jahres folgte dann die Schließung der Gynäkologie und
       Geburtshilfe. Das [2][löste Proteste in der Bevölkerung aus.] Die
       Fraktionsvorsitzenden des Kreistags kritisierten Helios dafür, dass der
       Konzern keine Bereitschaft gezeigt hätte, über alternative Lösungen zu
       diskutieren.
       
       In der Wesermarsch gibt es seitdem keine klinische Geburtshilfe mehr,
       Frauen aus Nordenham müssen für Entbindungen weit fahren. Eine Frau aus
       Brake hat ihr Kind vor Kurzem auf dem Parkplatz der Vareler Klinik geboren.
       
       ## Abgang der KardiologInnen
       
       „Es scheint, als wenn das Krankenhaus nach und nach auf null gefahren
       werden soll“, sagt Dorn. Die nächste schlechte Nachricht kam in der
       vergangenen Woche. Sechs KardiologInnen verlassen die Nordenhamer Klinik
       laut Helios-Sprecher Ende September. Die Versorgung werde das aber nicht
       beeinträchtigen. Helios plane, an der Klinik festzuhalten.
       
       „Die Existenz der Klinik steht nicht infrage“, sagt der Helios-Sprecher
       auch über Bad Gandersheim. Helios könnte das Krankenhaus auch nicht ohne
       die Zustimmung der Minderheitsgesellschafter schließen. „Aber man kann
       natürlich auch Fakten schaffen, die zwangsläufige Folgen hätten“, sagt Uwe
       Schwarz. „Die Tatsache, dass Operationen über einen Zeitraum nicht in Bad
       Gandersheim stattfinden, führt jedenfalls zwangsläufig zu Mindereinnahmen.“
       
       Laut Helios werde derzeit in Abstimmung mit den Minderheitsgesellschaftern
       ein Zukunftskonzept für die Klinik in Bad Gandersheim erarbeitet. Ab
       September soll der normale Betrieb wieder laufen.
       
       8 Jul 2019
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] https://www.nwzonline.de/wesermarsch/wirtschaft/esenshamm-gesundheit-in-esenshamm-defizit-bei-5-millionen-euro-klinik-schreibt-weiter-rote-zahlen_a_50,3,1471107319.html
   DIR [2] https://www.nwzonline.de/gesundheit/brake-helios-klinik-in-nordenham-geschlossene-geburtshilfe-die-frauen-spueren-es-hautnah_a_50,4,2646628653.html
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Marthe Ruddat
       
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