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       # taz.de -- Parlamentswahl in Griechenland: Das Blaue vom Himmel
       
       > Vollmundige Versprechungen am Fuße der Akropolis: Der konservative
       > Spitzenkandidat Kyriakos Mitsotakis stimmt seine Anhänger auf den
       > Wahlsieg ein.
       
   IMG Bild: Geschickte Inszenierung: Kyriakos Mitsotakis vor antiker Kulisse
       
       Athen taz | Wer am Donnerstagabend wissen wollte, wo sich gerade die
       Athenerinnen und Athener aus den „besseren Verhältnissen“ tummeln, der
       hätte auf der Apostolou-Pavlou-Fußgängerzone im Stadtteil Thissio fündig
       werden können. Hierhin hatte die Nea Dimokratia (ND) zu ihrer zentralen
       Kundgebung geladen, um sich vor der malerischen Kulisse der Akropolis auf
       den absehbaren Wahlsieg am Sonntag einzustimmen.
       
       In den aktuellen Umfragen liegt die nationalkonservative und neoliberale
       Partei [1][zwischen 35,7 und 42,5 Prozent] – und damit weit vor der linken
       [2][Nochregierungspartei Syriza von Ministerpräsident Alexis Tsipras]. Dank
       des 50-Sitze-Bonus für den Wahlsieger hat die ND beste Aussichten auf die
       absolute Mehrheit. Entsprechend hervorragend war die Stimmung der in
       brütender Hitze Versammelten, die begeistert Griechenland-Fahnen
       schwenkten.
       
       Da störte es auch nicht sonderlich, dass sich das Charisma und die
       rethorischen Fähigkeiten ihres Spitzenkandidaten Kyriakos Mitsotakis in
       Grenzen halten. Dessen zentrale Botschaft: Wenn erstmal Syriza abgewählt
       ist, wird alles besser.
       
       Mitsotakis kommt aus einer alten liberal-konservativen Politdynastie: Vater
       Konstantinos war bereits Ministerpräsident, sowohl Großvater wie
       Urgroßvater waren Abgeordnete. Die ältere Schwester Dora Bakogianni war
       Kultur- und Außenministerin als auch Bürgermeisterin von Athen – ein Job,
       den im September ihr Sohn Kostas Bakoyannis übernehmen wird.
       
       Kyriakos Mitsotakis selbst diente dem bislang letzten ND-Premier Andonis
       Samaras als Minister für Verwaltungsreform und E-Government. Zur
       Unterstützung von Mitsotakis wohnte denn auch der im Januar 2015 abgewählte
       Samaras ebenso der Wahlveranstaltung bei wie der Ex-Spitzenkandidat
       Vangelis Meimarakis, der gegen den Linken Tsipras im September 2015
       verloren hatte.
       
       ## Mitsotakis punktet mit Steuersenkungen
       
       In seiner Rede versprach Mitsotakis seinem dankbaren Publikum das Blaue vom
       Himmel. Vor allem punktete er mit der Ankündigung drastischer und
       umfassender Steuersenkungen: von der Mehrwert- über die Immobilien-, die
       Gewerbe- und die Dividendensteuer bis zur Unternehmenssteuer – alles soll
       kräftig runter. Wie die damit verbundenen staatlichen Einnahmeverluste
       kompensiert werden sollen, blieb hingegen völlig nebulös.
       
       „Anstelle von Steuern und Abgaben entscheiden wir uns für Investitionen und
       neue, gut bezahlte Arbeitsplätze“, verkündete Mitsotakis, ganz so als gäbe
       es Griechenlands Rekordverschuldung überhaupt nicht.
       
       Mit der gegenüber der EU eingegangenen Verpflichtung, bis 2022 einen
       jährlichen Primärüberschuss im Staatshaushalt von 3,5 Prozent zu
       erwirtschaften, sind seine Versprechungen auf jeden Fall unvereinbar. Aber
       wen schert das schon? Dass der stramme Wirtschaftsliberale auch verspricht,
       Sozialleistungen und Renten nicht zu kürzen, sollten die Betroffenen
       allerdings besser nicht glauben.
       
       Der Auftritt von Mitsotakis vermitelt eine Vorstellung davon, wie es der
       Nea Dimokratia – im Verbund mit der sozialdemokratischen PASOK – gelingen
       konnte, Griechenland in den Abgrund zu wirtschaften. Dass es nicht Syriza,
       sondern seine Partei war, die Hellas in die tiefe Krise geführt hat,
       darüber sprach der ND-Frontmann an diesem Abend lieber nicht.
       
       Aber [3][in einem Interview] wurde der 51-jährige
       Wirtschaftswissenschaftler in dieser Woche dazu befragt. Er denke, dass
       „diese Diskussion“ über das, was damals passiert ist, „für die Bürgerinnen
       und Bürger nicht sehr interessant“ sei, antwortete Mitsotakis schmallippig.
       Und fügte hinzu: „Ich denke, es ist an der Zeit, nach vorne zu schauen,
       lassen Sie die Historiker, Ökonomen diskutieren, warum das Land bankrott
       ging.“
       
       5 Jul 2019
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] https://en.wikipedia.org/wiki/Opinion_polling_for_the_2019_Greek_legislative_election
   DIR [2] /Syriza-vor-der-Wahl-in-Griechenland/!5603412/
   DIR [3] https://nd.gr/synenteyxi-toy-proedroy-tis-neas-dimokratias-k-kyriakoy-mitsotaki-ston-real-fm-kai-ton-dimosiografo
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Pascal Beucker
       
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