URI: 
       # taz.de -- Löschschaum in der Ochtum: Vergiftete Fische
       
       > Durch Löschschaum vom Bremer Flughafen ist die Ochtum so belastet, dass
       > vor dem Verzehr der Fische aus dem Fluss gewarnt wird.
       
   IMG Bild: Vermutlich unbedenklich waren diese Brassen, die Luis Egidio Meléndez im 18. Jahrhundert malte
       
       Bremen taz | Jahrzehntelang verwendete der Bremer Flughafen bei
       Feuerwehrübungen einen [1][Löschschaum mit einem giftigen Fluortensid], dem
       Stoff Perfluoroctansulfonat (PFOS). Durch Regenwasser gelangte der Stoff in
       die Ochtum, einen Nebenfluss der Weser. Die schwerwiegenden Folgen eines
       sorglosen Umgangs mit dem Gift, sie belasten Anwohner, Flughafenbetreiber,
       Behörden und nicht zuletzt auch Tiere und Pflanzen.
       
       Vor zwei Jahren wies der Flughafen erstmals auf das Problem hin. Bei
       Routinekontrollen wurde die PFOS-Kontaminierung entdeckt. Zu diesem
       Zeitpunkt verwendete die Flughafenfeuerwehr das riskante Mittel schon seit
       2003 nicht mehr, sondern Wasser und alternative Löschmittel, die allerdings
       Fluortenside enthalten, [2][die laut Umweltbundesamt ebenso schädlich sein
       können].
       
       Nachdem der Flughafen Alarm geschlagen hatte, entnahm die Bremer
       Umweltbehörde Proben und fand eine hohe Konzentration im Wasser. Vor
       wenigen Tagen [3][veröffentlichte das niedersächsische
       Verbraucherschutzministerium eine Untersuchung] von Fischen aus der Ochtum
       und aus ihrem Nebenfluss Grollander Ochtum. Das Ergebnis: Im Muskelfleisch
       von Aalen, Brassen, Rotaugen und Flussbarschen wurde eine hohe Belastung
       mit PFOS-Rückständen nachgewiesen.
       
       Die Chemikalie baut sich in der Natur nur sehr langsam ab und lagert sich
       in Tieren und Pflanzen ab. Seit 2011 ist die Verwendung von PFOS wegen
       seiner Schädlichkeit offiziell verboten, aufgrund der jahrelangen
       Verwendung in der Industrie findet es sich jedoch in vielen Gewässern. Bei
       Menschen schädigt PFOS die Fortpflanzung und steht im Verdacht,
       Leberschäden und Krebs zu verursachen.
       
       Seit Bekanntwerden der Kontamination warnen Bremens Umweltbehörde und das
       niedersächsische Verbraucherschutzministerium vor dem Verzehr von Fischen
       aus allen niedersächsischen Teilen der Ochtum, da die Fische sich entlang
       des Flusses bewegen. Landwirte sollten ihr Vieh von den Kanälen fernhalten
       und Gärtner, die ihre Pflanzen mit dem Flusswasser gießen, auf den Verzehr
       des Gemüses verzichten. Die Selbstversorger müssen auf Grundwasser
       umsteigen, das nicht belastet ist: Proben an der Grollander Ochtum hätten
       keine Überschreitung der Grenzwerte für die fragliche Stoffgruppe ergeben,
       heißt es bei der Umweltbehörde.
       
       Der Deichverband am linken Weserufer, der die Wasserstände reguliert,
       leitet als Sofortmaßnahme möglichst wenig belastetes Wasser in die
       Seitengräben. „Wir haben die Entnahmemenge an der Grollander Ochtum
       verringert“, sagt Geschäftsführer Michael Dierks. Wegen der Dürre stehe der
       Verband jedoch vor einem Dilemma: Die Wasserstände sind viel zu niedrig.
       Ohne die Einleitung von kontaminiertem Wasser geht es nicht, sonst würden
       die Biotope in den Nebenkanälen austrocknen.
       
       Wirklich gelöst werden kann das Problem nur durch eine grundlegende
       Reinigung des Flughafengeländes. Dies stelle sich komplexer dar als
       zunächst angenommen, sagt die Flughafensprecherin Andrea Hartmann. Mit der
       Sanierung soll aber Ende des Jahres begonnen werden. Die Maßnahmen befänden
       sich in der Endabstimmung, sagt auch Johannes Budde vom Senator für Umwelt,
       Bau und Verkehr.
       
       ## Langwierige Sanierung
       
       Die Sanierung wird teuer und langwierig. Vier Millionen Euro plant die
       Betreibergesellschaft ein, die komplett der Hansestadt Bremen gehört. Über
       Brunnen wird das Wasser aus dem Boden geholt, durch ein Filtersystem mit
       Aktivkohle und Sand geschleust und über die bestehende Entwässerungsanlage
       abgeleitet. „Bis zum Ende des Jahres wird der Flughafen auch ein Konzept
       vorlegen, wie das anfallende belastete Drainagewasser behandelt werden
       kann, um einen weiteren Eintrag in die Grollander Ochtum zu minimieren“, so
       Budde.
       
       Wie lange die in der Ochtum lebenden Fische noch belastet sind, ist unklar.
       Weniger als eine Dekade, hofft Dierks vom Deichverband – wenn die Sanierung
       angelaufen ist. Auch die Folgen für die Flora und Fauna an der Ochtum sind
       noch nicht abschätzbar, sagt Birgit Olbricht vom Naturschutzbund Bremen.
       Zwar gebe es keine direkten Effekte wie tote Fische, viele Auswirkungen
       seien aber nicht offensichtlich. „Was heißt das für Bodenlebewesen, für
       Insekten? Eigentlich müsste man eine Studie machen“, findet Olbricht.
       
       Die Umweltbehörde schlägt hingegen beruhigende Töne an. Die
       PFOS-Konzentrationen lägen deutlich unterhalb der Norm zum Schutz von
       Wasserorganismen, so Budde. Derweil setzt die Bremer Flughafenfeuerwehr im
       Ernstfall weiterhin auf zugelassene PFOA-haltige Mittel, die erst ab 2020
       durch eine EU-Richtlinie eingeschränkt werden. Alternativen, die komplett
       frei von Fluortensiden sind, existieren noch nicht.
       
       30 Jul 2019
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] /!239652/
   DIR [2] https://www.umweltbundesamt.de/themen/eu-verbietet-pfoa
   DIR [3] https://webcache.googleusercontent.com/search?q=cache%3AHgC5L3ul17gJ%3Ahttps%3A%2F%2Fwww.ml.niedersachsen.de%2Fdownload%2F146211%2FPr_ntversion_Pressemitteilung.pdf+&cd=3&hl=de&ct=clnk&gl=de&client=firefox-b-e
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Elisabeth Nöfer
       
       ## TAGS
       
   DIR Ochtum
   DIR Fische
   DIR Gift
   DIR Flughafen
   DIR Umweltbelastung
   DIR Airline Germania
   DIR Bremen
   DIR Ryanair
   DIR Festival
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
   DIR Germania-Insolvenz schwächt Bremer Flughafen: Pleite, Pech und Passagierausfall
       
       Für den Bremer Flughafen ist die Insolvenz der Airline Germania ein herber
       Schlag – zumal nach dem beleidigten Abflug von Ryanair im vergangenen
       Herbst.
       
   DIR Vorausschauender Jahresrückblick Bremen: Der Kampf um Bremen
       
       2019 warten schwere Prüfungen auf Bremen. Den Krieg mit Niedersachsen wird
       das Land aber selbst vom Zaun gebrochen haben.
       
   DIR Strafe für Beschäftigte: Ryanairs Rache
       
       Ryanair will seine Bremer Basis dauerhaft schließen – wegen geringerer
       Gewinnerwartungen, auch aufgrund der Streiks. Ver.di spricht von
       „Erpressung“
       
   DIR Streit um Freiluftkultur: Kleingärtner verhindern Festival
       
       Ein Festival des Zuckerwerks an der Ochtum wird nicht fortgesetzt. Nachbarn
       bemängelten Ruhestörung. Dabei war alles angemeldet.
       
   DIR STÄDTEBAU: Der Traum vom "Gartenheim"
       
       Nicht nur Reiche leben gern im Grünen. Aber Arbeiter konnten diesen Traum
       nur illegal in den Kleingärten verwirklichen - Ausnahme: die
       "Kaisen-Auswohner"