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       # taz.de -- Angstdebatte nach Tötung in Frankfurt: Wessen Sicherheit geht vor?
       
       > Nach der Tötung in Frankfurt wächst die Angst. Menschen sorgen sich wegen
       > vermehrter Tötungsdelikte um ihre Sicherheit – auch in Hessen.
       
   IMG Bild: Normalität nach der Tötung: Ein ICE fährt am Morgen fahrplanmäßig im Frankfurter Hauptbahnhof ein
       
       Frankfurt am Main taz | Vorbeieilende Menschen. Der Duft von Kaffee und
       Gebäck. Am Dienstag herrschte wieder normaler Betrieb am Frankfurter
       Hauptbahnhof. Der Zugverkehr hatte sich seit dem Abend des Vortags
       normalisiert.
       
       Doch normal ist in Frankfurt [1][seit dem Tod eines achtjährigen Jungen]
       nichts. Immer wieder kommen Menschen zum Gleis, an dem am Montagmorgen ein
       40-jähriger Mann den Jungen und seine Mutter vor einen einfahrenden ICE
       stieß. Sie legen Blumen nieder. Unbekannte haben im Internet zu einer
       Mahnwache aufgerufen. Die Menschen sind geschockt, erschüttert. Sie haben
       Angst. „Ich bin entsetzt, was mittlerweile in Deutschland abgeht“, sagt
       eine Frau dem Hessischen Rundfunk.
       
       Gedenkbilder mit schwarzen Schleifen auf Instagram. Tausende Gedenktweets
       und -posts und Beileidsbekundungen. Die Menschen fragen sich, ob sie noch
       sicher reisen können. Erst am Samstag voriger Woche war im
       nordrhein-westfälischen Voerde eine junge Mutter vor einen Regionalzug
       gestoßen worden und ums Leben gekommen. Die Attacken haben erneut eine
       [2][Debatte über Sicherheit an Bahnhöfen] ausgelöst. Die Gewerkschaft der
       Polizei warnt vor Nachahmungstätern.
       
       Neue Konzepte für alle Bahnhöfe in Deutschland müssten her. Was genau
       gemeint ist, kann man sich eigentlich schon denken: mehr Überwachung und
       strengere Kontrollen. Mehr Racial Profiling? Rechte Politiker*innen
       instrumentalisieren schon wenige Stunden später die Tat, um gegen
       Geflüchtete und die Asylpolitik zu hetzen. Sternstunde für Populist*innen.
       
       Jetzt hat Bundesinnenminister Horst Seehofer seinen Urlaub abgebrochen. Er
       will sich „angesichts mehrerer schwerwiegender Taten in jüngerer Zeit“ in
       Berlin mit den Sicherheitsbehörden beraten. Soweit nötig stelle er dem Land
       Hessen jede Unterstützung zur Verfügung. Was genau ihn dazu bewogen hat,
       gerade jetzt seinen Urlaub abzubrechen, wird nicht weiter ausgeführt.
       
       ## Beamt*innen und rechtsradikale Netzwerke
       
       Denn Angst haben die Menschen in Hessen schon länger. Immer häufiger sind
       hier Drohungen und Angriffe aus der rechten Szene bekannt geworden. Der
       [3][Mord an dem Kasseler Regierungspräsidenten Walter Lübcke] ist gerade
       mal acht Wochen her. Der Täter, Stephan E., ein bekannter und gut
       vernetzter Neonazi. Ein verurteilter Straftäter, der den
       Sicherheitsbehörden bekannt war. Und auch der [4][versuchte rassistische
       Mord von Wächtersbach] ist noch omnipräsent. Auch hier agierte ein
       bekannter Rechtsradikaler. Er kündigte seine Tat an und erzählt danach in
       einer Kneipe davon. Doch keiner von den Gästen reagiert.
       
       Der Kneipenbesitzer teilt selbst regelmäßig rechte Propaganda auf Facebook.
       Weniger bekannt ist der Fall von Christian K. Dieser hatte 2017 in
       Frankfurt auf der Zeil, Frankfurts großer Einkaufsstraße, eine Frau mit
       Kopftuch rassistisch angegriffen und schoss den Helfern dann mit einer
       Reizgaspistole ins Gesicht. Vor Gericht wird die rassistische Motivation
       des Angeklagten jedoch ausgeblendet.
       
       Hinzu kommen die Verstrickungen von Beamt*innen des hessischen
       Polizeiapparats in rechtsradikale Netzwerke. Die Frankfurter Rechtsanwältin
       Seda Başay-Yıldız erhält seit genau einem Jahr Morddrohungen, die mit „NSU
       2.0“ unterzeichnet werden. Ein Beamter wird festgenommen.
       
       ## Welche „schwerwiegenden Taten“ sind gemeint?
       
       In ganz Deutschland werden immer wieder neue Fälle über mutmaßlich extrem
       rechte Tendenzen bei der Polizei oder in Sicherheitsbehörden bekannt.
       Allein in Hessen laufen deshalb 38 Ermittlungsverfahren gegen
       Polizist*innen. Organisationen wie die ISD Frankfurt (Initiative Schwarze
       Menschen in Deutschland) kritisieren seit Monaten das Verhalten der Polizei
       und verlangen Aufklärung. Vermehrte Kontrollen von BIPoC, Racial Profiling
       und rassistische Polizeigewalt gegen junge Frankfurter*innen of Color
       stehen an der Tagesordnung. Wie am vergangen Wochenende auf der Zeil, als
       eine Gruppe Jugendlicher von der Polizei brutal angegangen wird.
       
       Gut, dass Seehofer jetzt aus seinem Urlaub zurück ist. Bleibt zu hoffen,
       dass er auch wirklich alle „schwerwiegenden Taten in jüngerer Zeit“
       lückenlos aufklärt. Umfassende Aufklärung wünschen sich die Menschen in
       Hessen spätestens seit der Verstrickung des „Verfassungschützers“ Andreas
       Temme mit dem NSU-Komplex und den Mord an Halit Yozgat.
       
       31 Jul 2019
       
       ## LINKS
       
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       ## AUTOREN
       
   DIR Ayesha Khan
       
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