URI: 
       # taz.de -- Verlustgeschäft Braunkohle: Kritik an Entschädigungen
       
       > Braunkohlekraftwerke erwirtschaften neuen Berechnungen zufolge hohe
       > Verluste. Die Chancen der Betreiber sinken, fürs Abschalten Geld zu
       > bekommen.
       
   IMG Bild: Umweltaktivisten wissen längst, dass die Braunkohle ein Verlustgeschäft ist. Vor allem für das Klima
       
       Berlin taz | Was sich anhand der Daten über die Stromproduktion bereits
       abgezeichnet hat (taz vom 3. 7.), wird nun durch konkrete Zahlen belegt:
       [1][Deutsche Braunkohlekraftwerke rechnen sich derzeit nicht.] Wenn man
       Marktpreise zugrunde legt, haben sie im ersten Halbjahr 2019 einen Verlust
       von über 650 Millionen Euro produziert. Das geht aus einer Studie des
       britischen Klima-Thinktanks Sandbag hervor, die der taz vorliegt. Zuerst
       hatte der Fachdienst Background Energie darüber berichtet.
       
       Im ersten Halbjahr war die Stromproduktion aus Braunkohle im Vergleich zum
       Vorjahreszeitraum um 22 Prozent gesunken. Grund dafür war neben der hohen
       Produktion von Wind- und Solarkraftwerken und einem niedrigen Gaspreis vor
       allem der gestiegene Preis für CO2-Zertifikate. Die Fixkosten für die
       Kraftwerke und die Tagebaue bleiben aber weitgehend konstant, auch wenn
       weniger Strom produziert wird.
       
       Wenn man die aktuellen Marktpreise zugrunde legt, ergibt sich laut Sandbag
       für [2][die deutschen Braunkohlekraftwerke darum im ersten Halbjahr darum
       ein Verlust] von 664 Millionen Euro; besonders schlecht ist die Situation
       für Blöcke, die vor 1990 gebaut wurden.
       
       Real dürfte sich die Situation für die Betreiber weniger dramatisch
       darstellen, weil ein großer Teil des Stroms schon vorab zu festgelegten
       Preisen verkauft wird. Trotzdem verschlechtert die Braunkohle ihre Bilanz,
       denn statt den im Voraus verkauften Strom teurer in den eigenen Kraftwerken
       zu produzieren, hätten die Unternehmen ihn ja auch günstiger am Markt
       einkaufen können.
       
       ## Entschädigungen nicht gerechtfertigt
       
       In den nächsten Jahren dürfte sich die Situation nicht grundlegend ändern.
       „Braunkohle wird mittelfristig ein Verlustgeschäft bleiben“, schreibt
       [3][Sandbag]-Autor Dave Jones, der vor seiner Tätigkeit bei dem Thinktank
       13 Jahre lang für den Energiekonzern Eon gearbeitet hat. Aus diesem Grund
       sollte die Politik „überzogene Entschädigungsforderungen ablehnen“.
       
       Über solche Entschädigungen verhandelt die Bundesregierung im Rahmen des
       geplanten Kohleausstiegs derzeit mit den Kraftwerksbetreibern. RWE-Chef
       Rolf Martin Schmitz hatte eine Summe von 1,2 bis 1,5 Milliarden Euro pro
       stillgelegtem Gigawatt gefordert; allein für die drei Gigawatt, die laut
       Kohlekommission kurzfristig vom Netz gehen sollen, wären somit bis zu 4,5
       Milliarden Euro fällig.
       
       Das hält Claudia Kemfert, Leiterin der Energieabteilung beim Deutschen
       Institut für Wirtschaftsforschung, für unangemessen: „Entschädigungen in
       der bisher diskutierten Höhe sind angesichts der wirtschaftlichen
       Entwicklungen keinesfalls gerechtfertigt“, sagte sie der taz. Neue
       Berechnungen müssten zeigen, „ob überhaupt Zahlungen erforderlich sind“.
       Auch Lisa Badum, klimapolitische Sprecherin der Grünen-Bundestagsfraktion,
       warnt: „Abgeschriebene Kraftwerke dürfen nicht mit dem Geld der
       Steuerzahlerinnen und Steuerzahler noch dafür belohnt werden, dass ihre
       veraltete und klimaverdreckende Technologie endlich unrentabel ist.“
       
       Auch im Wirtschaftsministerium wird die neue Entwicklung zur Kenntnis
       genommen. Zwar wollte Minister Peter Altmaier (CDU) die laufenden
       Verhandlungen auf taz-Anfrage nicht kommentieren. Sein Ministerium teilte
       als Antwort auf eine Grünen-Anfrage allerdings mit: „Das Bundesministerium
       für Wirtschaft und Energie berücksichtigt das Marktumfeld sowie die
       Entwicklungen am Strommarkt im Rahmen der Verhandlungen mit den Betreibern
       von Braunkohlekraftwerken.“
       
       Für Entspannung bei den Betreibern dürfte unterdessen eine personelle
       Veränderung im Ministerium sorgen: Wenn der bisherige Leiter der
       Energieabteilung, der schon unter Sigmar Gabriel tätige
       Energiewende-Befürworter Urban Rid, im Herbst in den Ruhestand geht, folgt
       ihm mit Stephanie von Ahlefeld eine Frau, die zuvor für die
       CDU-Abgeordneten Michael Fuchs und Carsten Linnemann gearbeitet hat. Beide
       gelten als wirtschaftsnah und als erklärte Gegner der Energiewende.
       
       31 Jul 2019
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] /Kohleausstieg-wird-attraktiver/!5605203
   DIR [2] /Kreditanstalt-fuer-Wiederaufbau/!5608897
   DIR [3] https://sandbag.org.uk/
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Malte Kreutzfeldt
       
       ## TAGS
       
   DIR Ökostrom
   DIR Braunkohle
   DIR RWE
   DIR Energieversorgung
   DIR Windkraft
   DIR Schwerpunkt Hambacher Forst
   DIR Braunkohle
   DIR Schwerpunkt Klimawandel
   DIR Schwerpunkt Klimawandel
   DIR Kohleausstieg
   DIR Schwerpunkt Fridays For Future
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
   DIR Ex-Ministerpräsident Stanislaw Tillich: Scharfe Kritik an Seitenwechsel
       
       Von der Spitze der Kohlekommission an die Spitze des Kohlekonzerns:
       Stanislaw Tillichs neuen Posten bei Mibrag sehen Umweltverbände als
       Problem.
       
   DIR Protest am Kohlekraftwerk Mannheim: Blockade für den Kohleausstieg
       
       Dutzende Klimaaktivisten besetzten am Samstag das Gelände des Mannheimer
       Kohlekraftwerks. Auf eine Räumung wurde verzichtet.
       
   DIR Klimacamp bei Leipzig ab August: Pödelwitz erwartet Klimaschützer
       
       In einem Dorf, das abgebaggert werden soll, treffen sich Aktivisten und
       protestieren gegen Kohle. Zehn Tage lang wollen sie klimagerecht
       zusammenleben.
       
   DIR Kohleausstieg wird attraktiver: Selbst RWE will schneller raus
       
       Wegen höherer CO2-Preise rechnen sich Braunkohle-Kraftwerke derzeit kaum
       noch. Doch bevor sie abschalten, wollen die Betreiber Geld vom Bund.
       
   DIR Klimaproteste im Rheinland: Fürs Klima, gegen Kohle
       
       Der Protest gegen das Nichtstun wird stärker. 40.000 SchülerInnen von
       Fridays for Future demonstrieren gegen den Braunkohletagebau.