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       # taz.de -- Finale der Frauen-WM 2019: Willenstriumph der USA
       
       > Das US-Team hat diese WM dominiert – spielerisch, personell, diskursiv.
       > Am Ende reckt es völlig zu Recht den Pokal in die Höhe.
       
   IMG Bild: Mit Megan Rapinoes Treffer, war das Bollwerk gebrochen
       
       Ausgerechnet Megan Rapinoe. Oder auch: natürlich Megan Rapinoe. In einer
       Phase, als die USA an der wehrhaften niederländischen Abwehr zunehmend
       verzweifelten, ein ums andere Mal eher fantasielos anrannten, brachte Megan
       Rapinoe per berechtigtem Elfmeter das Team in Führung. Sie schoss kühl,
       präzise und entschied faktisch die Partie (61.). Und als diese Rapinoe
       wenig später ausgewechselt wurde, da sah man inmitten von tosendem Applaus
       sogar einige Niederländer klatschen. [1][Megan Rapinoe ist zur Ikone
       geworden] bei diesem Turnier, man wird sich an sie erinnern, und sicherlich
       mehr als an dieses Finale.
       
       Es war keines von den legendären Finals, dramatisch, umstritten oder ein
       offener Schlagabtausch. Sondern vor allem ein Abnutzungskampf zwischen
       einem Underdog und den Favoritinnen, bei dem die USA lange kein Mittel
       gegen die stark organisierte niederländische Abwehr fanden. Irgendwann, mit
       Rapinoes Treffer, war das Bollwerk gebrochen, und sie brachten die Nummer
       recht humorlos nach Hause. Die USA sind hochverdient Weltmeisterinnen. Und
       das Spiel ließ noch ein paar Schlüsse zu.
       
       Zunächst: Rapinoe. Unweigerlich fällt einem da der Name Ada Hegerberg ein.
       [2][Hegerberg boykottierte die WM], um für bessere Bedingungen für den
       Frauenfußball zu demonstrieren. Rapinoe fuhr hin und redete vor Ort. Und es
       war spannend, wie irrelevant doch Hegerberg im Laufe dieser letzten Wochen
       wurde und welche Wirkung Rapinoe entfaltete. „Je stärker das Rampenlicht,
       umso mehr leuchtet sie“, [3][metaphorisierte US-Trainerin Jill Ellis].
       „Kein Rampenlicht ist zu stark für sie.“ So war es. Und gleichzeitig wurde
       dieser Rapinoe-Protest doch immer bloß reduziert: Es ging wenig um ihre
       sozialen Forderungen, schon gar nicht wurden diese Inhalte kritisch
       diskutiert. Es ging um [4][Rapinoe vs. Trump]. Eine Marvel-Konstellation.
       Auch das sagt einiges aus über den soften, oberflächlichen Feminismus rund
       um die WM.
       
       Manchmal aber, lernt man also, ist eine Teilnahme effektiver als ein
       Boykott. Am Ende des Finals skandierten die US-Fans „Equal Pay, Equal Pay“.
       Gianni Infantino, der mit diabolischem Grinsen Medaillen überreichte,
       schenkte dem keine Beachtung. Aber Megan Rapinoe war schon wieder
       angriffslustig: „Equal Pay ist klar, lass uns zum nächsten Punkt kommen“,
       verlangte sie. „Was kann die Fifa tun, um die Verbände, die heimischen
       Ligen zu unterstützen?“ Eine, die auch nach fünf Minuten als Weltmeisterin
       nicht ruht.
       
       ## Ein Sieg für den Defensivfußball
       
       Dann, zweitens, bleibt spielerisch vor allem das hängen, was nicht zu sehen
       war. Es war kein offenes Duell wie die vorherigen US-Spiele, es war kein
       wildes Hin und Her. Die Niederländerinnen hatten aus den Fehlern ihrer
       Vorgängerinnen gelernt. Sie stutzen ihre offensiven Talente auf kürzeste
       Ausflüge zusammen und verlegten sich auf kompakte Verteidigung. Vor allem
       damit gelang es ihnen, die Partie eine Stunde lang offenzuhalten.
       
       Die USA, die ja diese etwas verfeinerte Variante des französischen
       Langer-Pass-Powerfußballs spielen, fanden bei solch konsequenter
       Defensivarbeit kaum Wege. Es war sogar erstaunlich, wie ratlos sie sich
       abmühten. Das Konzept hätte durchaus bis zum Ende funktionieren können,
       hätten die Niederländerinnen ihre Konter über die starken Lieke Martens und
       Lineth Beerensteyn besser ausgespielt. Beinahe wäre diese Weltmeisterschaft
       nach dem Schweden-Spiel also ein kolossaler Sieg für den Defensivfußball
       geworden. Auch mit dem [5][2:0-Willenstriumph der USA] zeigte sich: Die
       Verteidigungen haben sich verbessert, das Spiel mit dem Ball wird
       nachziehen müssen. Ob der US-Fußball, dieses technisch edle Kick and Rush,
       beim nächsten Turnier noch so funktioniert?
       
       Das Team, das diese WM dominiert hatte – spielerisch, personell, diskursiv
       – reckte am Ende völlig zu Recht den Pokal in die Höhe. Selbst der
       [6][bislang oft katastrophale Videobeweis] kam ausnahmsweise einmal sinnig
       zum Einsatz; kurz und effizient wies er auf den fälligen Elfmeter hin,
       nachdem Stefanie van der Gragt das Bein gegen Alex Morgan ein paar Meilen
       hoch gereckt hatte. Mit Rapinoes 1:0 waren die Niederländerinnen gezwungen,
       ihre Ordnung zugunsten einiger hübscher Offensivaktionen aufzugeben, und
       natürlich war dies das Spiel, das die USA sich ersehnt hatten. Es taten
       sich riesige Freiflächen auf, fix sorgte Rose Lavelle über einen Konter für
       die 2:0-Entscheidung (69.). Die wackeren Niederländerinnen wurden von den
       zahlreichen Oranje-Fans trotzdem gefeiert. Und sahen, wie absehbar, gegen
       die USA besser aus als beim Rest-Turnier.
       
       Es war dann, letztens, auch zum ersten Mal seit 2003 ein Finale zweier
       Trainerinnen. Ein Zeichen von Ausbildungsfortschritten mithin. Und eine
       späte Genugtuung für Jill Ellis, die sich in den USA ständiger und nicht
       immer informierter Kritik ausgesetzt sieht. Auf dem Platz brach sie in
       Tränen aus; sie ist jetzt die einzige Frau, die als Trainerin zwei WM-Titel
       holte. „Mir sind die Gedanken der Leute egal. Sie wissen nur ein Zehntel
       von dem, was wir tun.“ Es soll auch für die USA weitergehen mit der
       Entwicklung, Ellis forderte wie üblich mehr Investitionen. Der
       Frauenfußball hat finanzielle Dynamik aufgenommen. Die Eigenheiten zu
       behalten, das wird, man kann es ahnen, ein heikler Balanceakt.
       
       Noch ist ein bisschen davon da. Auf der Pressekonferenz mit Jill Ellis
       klingelte plötzlich deren Handy. „Das ist wahrscheinlich meine Mutter.“ Ein
       kurzer Blick aufs Handy, dann bestätigte sie trocken: „Ja, sie ist es.“ Die
       begeisterte Mama musste dann warten. „Sie ist wahrscheinlich jetzt sauer.
       Sie ist Schottin.“ Das Finale war kein Spektakel, die Protagonistinnen
       waren es sicherlich.
       
       8 Jul 2019
       
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