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       # taz.de -- Fridays for Future Sommerkongress: Alle müssen streiken
       
       > Die meisten Leute verstehen nun, dass der Planet brennt. Jetzt müssen
       > alle handeln. FFF plant einen Generalstreik, die Politik stellt sich noch
       > quer.
       
   IMG Bild: Im Moment scheint die Vernunft bei der Jugend zu liegen. Und die blickt skeptisch in die Zukunft
       
       Dortmund taz | [1][Fridays for Future – FFF. Sommerkongress.] Etwa 1.400
       Menschen sind aus über 200 Orten zu der mehrtägigen Veranstaltung in
       Dortmund angereist; die Hälfte minderjährig. Über 200 Veranstaltungen mit
       Gewerkschaftler*innen, Wissenschaftler*innen, Aktivist*innen,
       Klimaschutz-Lobbyist*innen, Prominenten stehen auf dem Programm. Die
       Stimmung ist angespannt. Denn anders als viele, die den Klimawandel wie ein
       Phänomen from outer space betrachten, [2][lesen die vorwiegend jungen
       Menschen die Berichte des Weltklimarats.] Die verheißen nichts Gutes.
       Manchmal indes sind die Jugendlichen auch einfach nur jung und albern
       herum.
       
       Am 14. Dezember 2018 fand in Deutschland der erste koordinierte Schulstreik
       von Fridays for Future statt. Nun wollen die Aktivist*innen Ideen
       entwickeln, wie es nach den Ferien weitergehen könnte. Wie sich der Druck
       verstärken ließe. „Fridays for Future wollte ursprünglich vor allem
       stören“, sagt eine Schülerin aus dem Publikum. „Im Moment habe ich das
       Gefühl, dass uns alle ziemlich gut finden und wir nicht mehr so doll
       stören.“
       
       Anne Klein-Hitpaß vom Thinktank Agora Verkehrswende, die an der
       Schnittstelle zwischen Politik und Wissenschaft arbeitet, ist da
       optimistischer. Die jungen Leute hätten gar keine Ahnung, wie sehr sie
       störten. Fridays for Future sei es zu verdanken, dass sich das ganze Land
       in Sachen Klimawandel nun positionieren müsse.
       
       Positionieren indes reicht nicht. Schließlich steht auf den Schildern von
       FFF nicht: „Wir streiken, bis ihr euch positioniert.“ Auf den Schildern
       steht: [3][„Wir streiken, bis ihr handelt.“] Auf Basis wissenschaftlicher
       Erkenntnisse fordert Fridays for Future den Kohleausstieg bis 2030 – die
       Regierung plant ihn für 2038. Fridays for Future fordert ein Nettonull der
       Emissionen durch Ausgleiche bis 2035 – der Regierung ist 2050 zu früh.
       Fridays for Future fordert eine sozialverträgliche Kohlenstoffdioxidabgabe
       bis Ende 2019 – die Regierung ist sich uneins. Und nun? „Warum legt man
       nicht mal das Land lahm an einem Freitag?“, [4][fragt der Moderator Joko
       Winterscheidt auf einer Bühne im Revierpark.]
       
       Diese Idee ist auch Fridays for Future schon gekommen: Während des
       Kongresses läuft die Mobilisierung für einen Generalstreik am 20. September
       bereits auf Hochtouren. Nicht ohne Grund sind Gewerkschaften eingeladen.
       „Unsere Hoffnung ist, dass aus der Jugend- eine gesamtgesellschaftliche
       Bewegung wird“, sagt der 19-jährige Klimaaktivist Jakob Blasel aus Kiel.
       
       Viel Zeit bleibt nicht. Was die Verhinderung des Klimawandels betrifft, ist
       Fridays for Future mindestens zehn Jahre zu spät dran. Da waren viele von
       FFF noch Kinder. Nun wachsen sie auf einer Erde auf, deren Erhitzung sich
       wahrscheinlich auf etwa 3,2 Grad begrenzen ließe – wenn sofort alle
       Vereinbarungen des Pariser Abkommens umgesetzt würden. Und das, wo eine
       Erhitzung um 2 Grad als Grenze zur Katastrophe gilt, die Millionen
       Menschenleben fordern und mehr als die Hälfte der Erde unbewohnbar machen
       könnte. „Völkermord“ nannte der Außenminister der Marshallinseln die
       industrielle Erhitzung des Planeten.
       
       „Meine Generation hat echt verkackt“, ruft Eckart von Hirschhausen von
       einer der Bühnen herunter. Was die Fridays-for Future-Bewegung von der
       Regierung fordert: den Klimawandel als Notfall und oberste Priorität zu
       behandeln. Was Fridays for Future von der Regierung hört: dass politisches
       Engagement lobenswert sei, man aber auch die Wirtschaft im Blick haben
       müsse.
       
       Nun also statt Schulstreik Generalstreik. Aber politischer Streik: ist der
       in Deutschland nicht verboten? Man könnte sagen: Ein bisschen. Irgendwie
       nicht. Es ist kompliziert.
       
       Das Grundgesetz schränkt das Streikrecht nicht ein. Auch mit dem Völker-
       und Europarecht stünde ein Verbot nicht in Einklang. Das juristisch
       umstrittene Verbot von Generalstreiks basiert auf einem Gutachten von 1955.
       Dort steht, Streiks seien nur im Rahmen von Tarifforderungen zulässig.
       Verfasst hat es der damalige Präsident des Bundesarbeitsgerichts, Hans Carl
       Nipperdey – ein Karrierist im Dritten Reich. Bis heute wird sein Gutachten
       als generelles Verbot politischer Streiks in Deutschland interpretiert.
       
       „Klimaschutz, da darf uns der Mund nicht verboten werden“, sagt Luca
       Samlidis von Fridays for Future. „Da geht es um die Zukunft unser aller und
       derjenigen, die nach uns auf diesem Planeten leben wollen.“ Zuletzt fand
       1948 ein Generalstreik statt. Geht es nach Fridays for Future, wird sich
       das am 20. September 2019 ändern.
       
       2 Aug 2019
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] https://twitter.com/anettselle/status/1156877377672290306
   DIR [2] /Greta-Thunbergs-Reiseplaene/!5609895
   DIR [3] /Kongress-von-Fridays-for-Future/!5610563
   DIR [4] https://twitter.com/anettselle/status/1156907277498146816
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Anett Selle
       
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