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       # taz.de -- E-Scooter in Hamburg: Die neuen Rambos
       
       > Während E-Scooter in Hamburg überall herumstehen, sind Niedersachsen und
       > Bremen von der Roller-Schwemme verschont geblieben. Noch.
       
   IMG Bild: Böse, böse: Diese E-Scooter-Fahrer*innen verhalten sich nicht korrekt
       
       Hamburg taz | Plötzlich waren sie da, wie ein Insektenschwarm. Tausende
       kleine, bunte, leise surrende Gefährte, die Bürgersteige, Fahrradwege und
       seltener die Hamburger Straßen bevölkern. Vor allem in den innerstädtischen
       Vierteln fahren und liegen die elektrogetriebenen Leih-Tretroller überall
       herum, werden – achtlos abgestellt – zu Stolperfallen und – in Bewegung –
       zum Sicherheitsrisiko auch für andere VerkehrsteilnehmerInnen.
       
       Gut sechs Wochen nach der bundesweiten Zulassung für die E-Scooter sind
       laut Hamburger Verkehrsbehörde mittlerweile 2.750 E-Scooter auf den Straßen
       der Hansestadt unterwegs. Und ihre Zahl wächst fast täglich. Nur in Berlin
       sind es noch mehr. In Hamburg sind bislang vier Firmen aktiv: Lime, Tier,
       Voi und Circ. Große internationale Player wie Bird bereiten den Eintritt in
       den Hamburger Markt mit Hochdruck vor, und das Hamburger Start-up
       Floatility steht bereits in den Startlöchern. Beide Verleiher führen
       bereits Gespräche mit der Stadt.
       
       Die vier bereits aktiven Anbieter haben mit der Stadt vereinbart, ihr
       Angebot im Stadtkern auf zunächst 1.000 Roller pro Verleiher zu begrenzen.
       Eine freiwillige Einschränkung. „Wir haben keine rechtliche Handhabe, die
       Anzahl einzuschränken“, sagt Verkehrsbehördensprecherin Susanne Meinecke:
       „Die Anbieter können Hamburg auch mit einer Million Scooter überschwemmen.“
       Und es gibt auch, betont Verkehrsstaatsrat Andreas Rieckhof (SPD), „für
       Hamburg keine Rechtsgrundlage, die Nutzung zu verbieten.“ Womit die Fronten
       geklärt sind.
       
       Die Invasion der Tretroller ist im Norden der Republik noch ein Hamburger
       Alleinstellungsmerkmal. Bei den 14 deutschen Städten, in denen die
       Elektro-Zweiräder bereits im Einsatz sind, ist sonst nur noch Lübeck dabei,
       wo der Sharing-Dienst Voi im vergangenen Monat mit einer kleinen Flotte von
       100 Verleihfahrzeugen auf den Markt ging. In Hannover und Kiel, aber auch
       in Braunschweig, Göttingen und Osnabrück sind verschiedene Verleihfirmen
       mit den Städten im Gespräch.
       
       ## E-Roller fürs Maschseefest
       
       In Hannover ist der erste Schritt bereits getan: Dort startete vergangene
       Woche ein regionaler Anbieter den ersten kommerziellen Verleih von
       Elektrorollern im Rahmen des Maschseefestes, mit zunächst 20 E-Flitzern,
       die zunächst kostenlos verliehen werden. Ab dem 19. August sollen dann
       Vermietungen für tages- und wochenweise Testnutzungen möglich sein. Wann
       andere kommerzielle Anbieter nach Hannover drängen, ist noch offen. Bei der
       Stadt hat es mehrere Anfragen gegeben, bislang aber hat sich kein
       Unternehmen für Hannover entschieden.
       
       Auch in Bremen gibt es noch kein Leihsystem, aktuell befinde sich die
       Verwaltung in Verhandlungen, um einen passenden Anbieter zu finden, so
       Verkehrsbehördensprecher Jens Tittmann. Sein Ressort habe klare
       Vorstellungen, etwa dass die Scooter „nicht unkontrolliert in ganz Bremen
       rumfliegen“. Daher werde man die Anzahl der Roller begrenzen und dafür
       sorgen, dass diese nur in bestimmten Zonen abgestellt werden.
       
       Dass hat auch in Hamburg die Verkehrsbehörde vereinbart. So gibt es
       „Abstell-Verbotszonen“ für die Roller – platziert einE NutzerIn den Scooter
       hier nach Gebrauch, läuft die Gebührenuhr einfach weiter. Zudem haben sich
       die Anbieter verpflichtet, abgestellte oder abgelegte Roller, die die
       Sicherheit von FußgängerInnen oder Radfahrerinnen gefährden, umgehend aus
       dem Straßenbild zu entfernen. Was in der Praxis nicht wirklich
       funktioniert. „Immer häufiger sind unachtsam abgestellte E-Scooter
       Stolperfallen auf den Bürgersteigen“, klagt Christian Kellner,
       Hauptgeschäftsführer des Verkehrssicherheitsrats.
       
       Was viele NutzerInnen nicht wissen: Die E-Tretroller werden jede Nacht von
       freiberuflichen „Juicern“ eingesammelt und wieder aufgeladen. Wie viele es
       sind und was ihnen dafür bezahlt wird, ist nicht bekannt. „Das sind
       Freiberufler, die das Aufladen in Eigenregie managen und auch noch den
       Strom bezahlen“, sagt Hamburgs DGB-Chefin Katja Karger. „Pro E-Scooter
       erhalten sie maximal 5 Euro.“
       
       Einen Monat nach der Zulassung der E-Roller durch das
       Bundesverkehrsministerium im Juni haben nun auch die Verkehrsverbände eine
       kritische Zwischenbilanz gezogen – vor allem aufgrund der Unfälle. In
       Hamburg waren die Elektro-Flitzer bislang an vieren beteiligt.
       Unfallverursacher seien immer die Fahrer des E-Rollers gewesen, so
       Polizeisprecher René Schönhardt.
       
       Mehrere Schwerpunktkontrollen der Polizei erbrachten: Einige
       Scooter-FahrerInnen beachten nicht die elementarsten Verkehrsregeln. Sie
       fahren zu zweit auf den Gefährten, benutzen Geh- statt Fahrradwege,
       missachten konsequent Ampelschaltungen oder steigen gar betrunken auf die
       Gefährte.
       
       Eine 41-jährige Frau wurde vor knapp zwei Wochen mit ihrem Leihgerät von
       einem Mercedes erfasst, als sie in der Hamburger Innenstadt bei Rot über
       eine Ampel fuhr, und landete mit schweren Rückenverletzungen im
       Krankenhaus. In Berlin gab es bislang mindestens acht Schwerverletzte mit
       Knochenbrüchen und Kopfverletzungen, München zählt sechs Unfälle.
       
       ## ADAC fordert Aufklärung
       
       Der Deutsche Verkehrssicherheitsrat und der ADAC fordern angesichts der
       ersten Crashs eine bessere Aufklärung. Die Unfälle würden zeigen, wie
       gefährlich das Fahren mit E-Scootern ist und wie sehr es von einigen
       unterschätzt wird, sagt Christian Kellner: „Alle müssen wissen, wie man mit
       den Fahrzeugen fährt und wann welche Unfallrisiken bestehen.“
       
       Eine Statistik, die aufzeigt, ob E-Roller im Verhältnis zu ihrer Anzahl
       öfter als Fahrräder oder Autos in schwere Unfälle verwickelt sind, gibt es
       noch nicht. Und es gibt auch keine Analysen darüber, ob sie Teil einer
       ökologischen Verkehrswende sein können.
       
       Selbst die E-Roller-Befürworter unter den Verkehrswissenschaftlern wie
       Heiner Monheim emeritierter Professor der Universität Trier, glauben nicht
       daran, dass viele Menschen vom Auto auf den Roller umsteigen. Die E-Roller
       seien aber eine Alternative für die „erste Meile“, den Weg von der und zur
       Bushaltestelle. Da hier zu Fuß viel Zeit verloren gehe, würden viele
       Verkehrsteilnehmerinnen lieber gleich ins eigene Auto steigen.
       
       ## Am häufigsten auf kurzen Strecken
       
       Eine erste Auswertung, die von der Hamburger Beratungsfirma Civity Anfang
       Juli veröffentlicht wurde, zeigt: Am häufigsten werden mit den E-Scootern
       Strecken von 1,8 bis 2,8 Kilometern zurückgelegt – Entfernungen, die auch
       ein durchschnittlicher Fußgänger oder Radfahrer in der Großstadt
       zurücklegt.
       
       Die E-Roller sind derzeit wohl keine Alternative zum Privat-PKW, sondern
       vor allem zur eigenen Muskelkraft.
       
       Mehr zu Risiken und Chancen des E-Rollerwesens lesen in der gedruckten taz
       am Wochenende oder [1][hier]
       
       2 Aug 2019
       
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