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       # taz.de -- Designierte IWF-Chefin: Alles, aber keine Technokratin
       
       > Die EU will die Bulgarin Kristalina Georgiewa als neue Chefin des
       > Internationalen Währungsfonds. Wer ist die ehemalige EU-Kommissarin?
       
   IMG Bild: Kristalina Georgiewa auf dem jährlichen Frühjahrestreffen von IWF und Weltbank 2018
       
       Sie habe bei ihrem Besuch an der syrisch-jordanischen Grenze schreckliche
       Dinge gesehen, schrieb Kristalina Georgiewa im Mai 2013: entkräftete
       Flüchtlinge aus Syrien etwa, die von Massakern berichteten. Immer wieder
       besuchte die damalige EU-Kommissarin für humanitäre Hilfe und Krisenschutz
       im Tschad, im Irak oder in der Zentralafrikanischen Republik Flüchtlinge,
       sie koordinierte Hilfe für Flutopfer oder Erdbebenopfer auf den Philippinen
       oder in Haiti – und schrieb darüber [1][in ihrem Blog].
       
       Die Frau, die nach dem Willen der EU-Staaten bald Chefin des
       Internationalen Währungsfonds IWF werden soll, ist alles andere als eine
       kühle Technokratin. Am Freitag nominierten die EU-Staaten die 65-jährige
       Bulgarin.
       
       Die Abstimmung allerdings sei chaotisch verlaufen, hieß es in verschiedenen
       Medien. Unter anderem Deutschland und Frankreich waren sich uneinig, Berlin
       unterstützte den früheren Eurogruppenchef Jeroen Dijsselbloem, einen
       Niederländer. Der war bei den südeuropäischen Ländern wegen seiner harten
       Sparauflagen während der Finanzkrise verschrien. Am Ende erzielte Georgiewa
       zwar eine Mehrheit, aber nicht die qualifizierte Mehrheit, also mindestens
       55 Prozent der EU-Staaten, die mindesten 65 Prozent der Bevölkerung
       repräsentieren sollte.
       
       Trotzdem ist sie nun nominiert und kann vom Gouverneursrat des IWF gewählt
       werden. In dem haben die Länder ungefähr so viele Stimmen, wie sie Geld für
       den Fonds bereitstellen – Deutschland rund 5,6 Prozent. Zum Zeitpunkt der
       Wahl wird Georgiewa bereits 66 sein, eigentlich zu alt nach den Statuten
       des IWF. Die sollen deshalb extra geändert werden. Ob es dafür eine
       Mehrheit geben wird, ist noch unklar. Traditionell stellen die Europäer die
       Chefs des IWF, die USA die Chefs der Weltbank. Ein Verfahren, das von den
       Entwicklungsländern immer wieder kritisiert wird.
       
       ## Ökonomin mit Marx-Hintergrund
       
       Deren Probleme kennt Georgiewa aus eigener Ansicht sehr gut. Sie bringt
       auch einen für den oft als neoliberal kritisierten IWF ungewöhnlichen
       Hintergrund mit: 1967 schloss die Ökonomin ihr Studium in Sofia an einer
       Hochschule ab, die nach Karl Marx benannt war.
       
       Nun wird sie wahrscheinlich die Französin Christin Lagarde beerben, die
       Chefin der Europäischen Zentralbank wird. Der IWF wurde gemeinsam mit der
       Weltbank zum Ende des Zweiten Weltkriegs 1945 gegründet. Er soll als
       weltweites Gremium darüber wachen, dass keine großen Währungsturbulenzen
       entstehen und zu politischen Unwägbarkeiten führen. Unter anderem vergibt
       er Kredite an überschuldete und in Zahlungsschwierigkeiten geratene
       Staaten. Das geschah in der Vergangenheit allerdings oft mit harten
       Auflagen und erzwungenen Privatisierungen. Derzeit gehören 189 Staaten der
       Organisation an.
       
       Momentan leitet Georgiewa als Interimschefin die Weltbank, bei der sie seit
       2017 ist – zuständig für die Vergabe von Krediten an Entwicklungs- und
       Schwellenländer. Eine Zeit der misslungenen Transformation: Zwar verkündete
       die Weltbank in den letzten Jahren, keine Kredite mehr für Kohle-, Öl- und
       Gasprojekte zu vergeben. Eine Studie der NGO urgewald zeigt jedoch, dass
       die Weltbankgruppe allein in Afrika in den vergangenen fünf Jahren fossile
       Energieträger mit rund 4,6 Milliarden Dollar gefördert hat. (mit dpa)
       
       4 Aug 2019
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] https://ec.europa.eu/archives/commission_2010-2014/blogs/georgieva/index.html
       
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   DIR Ingo Arzt
       
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