URI: 
       # taz.de -- Krimiserie bei ZDFneo: Serien gefördert, Steuern gespart
       
       > In der Reihe „Unit 42“ muss die Hauptfigur Familie und Job unter einen
       > Hut kriegen. Zur Abwechslung ist es mal ein Mann.
       
   IMG Bild: Das Ermittlerduo Samuel Leroy (Patrick Ridremont) und Billie Vebber (Constance Gay)
       
       Sam Leroy (Patrick Ridremont) ist angespannt. Säugling Oscar braucht seine
       Milch, Sohn Robin (Simon Caudry) und Tochter Emmy (Nola Tilman) müssen zur
       Schule. Mitten im morgendlichen Trubel wird der Kriminalermittler an einen
       Tatort gerufen. In der Hektik hat er Oscars Nuckelflasche eingesteckt. „Ist
       das deine Geheimwaffe?“, spöttelt die Kollegin Billie Vebber (Constance
       Gay).
       
       In der belgischen Kriminalserie „Unit 42“ ist es zur Abwechslung einmal ein
       Mann, der Haushalt, Familie und Beruf koordinieren muss. Gewählt hat er
       diese Rolle nicht. Camille Leroy (Caroline Stas) hat, so deutet sich an,
       den Freitod gewählt. Für Sam und die Kinder aber ist sie noch da. Wir
       Zuschauer sehen sie, wie sie schweigend Sams wachsende Verzweiflung
       verfolgt.
       
       Gerade auf dieser Ebene gewinnt die mit gewählten Einstellungen und Details
       sorgfältig inszenierte Serie besonderes Niveau. Die Ex-Hackerin Billie
       Vebber ermittelt nach Dienstschluss in eigener Sache, ihr Kollege Khaoulani
       flirtet zaghaft mit einem jungen Streifenpolizisten. Wie es um seine
       Sexualität bestellt ist, wird sich erst noch zeigen. Zwischen Sam und der
       Rechtsmedizinerin Alice Meerks (Danitza Athanassiadis), deren Taubstummheit
       hier mehr ist als ein schrulliges Einsprengsel, könnte sich … Aber warten
       wir die im Herbst startende zweite Staffel ab.
       
       Unschön ist, dass Annie Carels, die die Idee zur Serie hatte, und ihr
       Autorenteam in die ersten Folgen mit heftigen Gewaltszenen einsteigen. Eine
       gänzlich unnötige Anleihe bei der Sado-Masche der skandinavischen Schule,
       eine Konzession an den vermuteten Publikumsgeschmack. Dabei hat Belgien
       eine eigene Tradition im Bereich des düsteren, politisch und
       gesellschaftlich brisanten TV-Krimis.
       
       ## Kein Wunder
       
       Dort entstand schon 2001 mit „Dunkle Wasser“ („Stille Waters“) eine Serie,
       die über dreizehn Episoden hinweg von nur einer Mordermittlung erzählte und
       den moralischen Verfall des belgischen Bürgertums aufgriff. Sie nahm somit
       das Muster der dänischen Serie „[1][Kommissarin Lund]“ um sechs Jahre
       vorweg. „Stille Waters“ wurde mit dem Prix Italia ausgezeichnet. In
       Deutschland war die Serie im WDR zu sehen.
       
       „Dunkle Wasser“ war unverkennbar geprägt von der Affäre um den Mörder und
       Sexualstraftäter Marc Dutroux. Dieser und weitere Skandale hatten die
       belgische Gesellschaft zutiefst erschüttert. Zweifel und Misstrauen klingen
       in jüngeren Serien wie „Code 37“, „Salamander“ und in „Unit 42“ immer noch
       an.
       
       „Salamander“ ist für ein US-Remake im Gespräch, die belgische Serie
       „Cordon“ ist dort bereits adaptiert worden. Nicht der einzige
       internationale Produktionserfolg des kleinen Landes. Gelegentlich ist vom
       „belgischen Serienwunder“ die Rede, aber die auffällige Zahl hochwertiger
       TV- und Kinoproduktionen ist nicht auf übernatürliche Kräfte, sondern auf
       die belgische Medienförderung zurückzuführen.
       
       ## Steuerprogramm für Fernsehmacher
       
       Das „Tax Shelter“-Programm gestattet vom Staat berechtigten
       Vermittlungsagenturen und Produzenten audiovisueller Werke, an private
       Geldgeber Zertifikate auszugeben, die sich steuermindernd auswirken und von
       den Produzenten mit einer verbindlichen Rate verzinst werden müssen, wobei
       auf diese Zinserträge nochmals ein Steuernachlass gewährt werden kann.
       
       Sofern Ausgaben innerhalb Belgiens getätigt werden, können auch
       ausländische Produzenten diese Regelung beanspruchen. Das deutsche
       Unternehmen Rowboat dreht die ZDF-Serie „Professor T“, auch eine Adaption
       einer belgischen Vorlage, zum Teil in Antwerpen und kommt so in den Genuss
       der Vergünstigung. Gesondert gewähren einzelne Regionen und Städte wie Gent
       ihrerseits Zuschüsse für dort angesiedelte Filmproduktionen, die
       international aktiv eingeworben werden.
       
       Dieses Förderprogramm findet weltweit Beachtung und wirke sich, bestätigt
       Wolfgang Feindt, ZDF-Redakteur für internationale Koproduktionen, eindeutig
       qualitätssteigernd aus. Die Niederlande, wo ebenfalls bisher schon
       bemerkenswerte Produktionen entstanden sind, planen ein ähnliches System.
       Ein weiteres Indiz für dessen Effizienz: Im Juni ging der diesjährige
       „Berlin Series Award“ nach Belgien, an die Dramaserie „Studio Tarara“.
       
       12 Jul 2019
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] /!5175917/
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Harald Keller
       
       ## TAGS
       
   DIR ZDFneo
   DIR Fernsehserie
   DIR Fernsehserie
   DIR Emmy
   DIR Wochenendkrimi
   DIR Netflix
   DIR Die Couchreporter
   DIR Die Couchreporter
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
   DIR TV-Krimiserie auf ZDFneo: Ex-Knacki trifft Anwältin
       
       Eine neue Serie nach Jens Lapidus reiht sich in die lange Tradition der
       Schwedenkrimis ein. Die ersten Folgen sind vielversprechend.
       
   DIR Emmy-Verleihung 2019: Der Drache geht
       
       Bei der Emmy-Verleihung in Los Angeles konnte „Game of Thrones“ noch mal
       abräumen. Doch der neue Stern am Himmel leuchtet schon.
       
   DIR Spanischer Krimi „The Body“: Lebendige Leichen
       
       Ein Autounfall, ein Herzinfarkt und die Theorie vom Scheintod: Oriol Paulo
       liefert mit „The Body“ einen Krimi in bester Hitchcock-Tradition.
       
   DIR Kolumne Die Couchreporter: Eine queere Wohlfühlfamilie
       
       „Stadtgeschichten“ auf Netflix ist Unterhaltung ohne schlechtes Gewissen,
       was okay ist, aber auch schal. So sieht der queere Mainstream aus.
       
   DIR Kolumne „Die Couchreporter“: Sitcom der Stunde
       
       Viele Comedy-Serien gruppieren sich um eine Couch – auch „The Middle“. Neu
       ist, dass vermehrt Sorgen um den sozialen Abstieg mitschwingen.
       
   DIR Serienkolumne Die Couchreporter: Eine Sitcom, so komisch wie selten
       
       In „Hashoter Hatov“ stecken gute Beobachtungen zu Berufsalltag und
       Familienleben. Dazu lernt man einiges über das Leben in Israel.