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       # taz.de -- Wahlkampfauftakt der AfD in Cottbus: Höckes Hochburg
       
       > Die AfD läutet den Wahlkampf ein. Von innerparteilichem Streit wollen die
       > Redner nichts wissen – doch Björn Höcke wird euphorisch empfangen.
       
   IMG Bild: Björn Höcke präsentiert eine Flasche Schaumwein für den Verfassungsschutz
       
       Cottbus taz | Björn Höcke ist zu spät. Seine drei Vorredner sind längst
       fertig, doch keine Spur vom Thüringer AfD-Landeschef. Zehn Minuten dauere
       es noch, sagt der Mann auf der Bühne. Um die Zeit zu überbrücken, laufen
       Schlager von Udo Jürgens. Doch nach zwanzig Minuten ist Höcke noch immer
       nicht da.
       
       Als er dann irgendwann auftaucht, sehen ihm die Anhänger das nach. „Höcke,
       Höcke!“, rufen sie und schwingen ihre Deutschland-Fahnen. Der Kopf der
       rechtsextremen Parteiplattform „Flügel“, er wird an diesem
       Samstagnachmittag so euphorisch empfangen wie kein anderer.
       
       Auf dem Platz vor der Stadthalle in Cottbus: Die AfD hat zum
       Wahlkampfauftakt für die drei anstehenden Landtagswahlen im Osten geladen.
       Manches erinnert an diesem warmen Julitag eher an ein Stadtfest. Am einen
       Ende des Platzes ist eine Bühne aufgebaut, auf der anderen Seite eine
       Hüpfburg für die Kinder. Bratwurstgeruch durchzieht die Luft. Für die
       Rechten ist der Auftritt in der Lausitz wie ein Heimspiel. Bei den jüngsten
       Kommunal- und Europawahlen ist die AfD hier [1][stärkste Kraft geworden].
       
       Am 1. September soll sich das nach dem Willen der Partei wiederholen. Dann
       wird in Brandenburg ebenso wie in Sachsen ein neuer Landtag gewählt. Acht
       Wochen später, am 27. Oktober, zieht Thüringen nach. Es sind die Hochburgen
       der AfD. So könnte sie in den Parlamenten von Potsdam und Dresden erstmals
       stärkste Kraft werden. In Brandenburg liegt sie zurzeit mit 19 Prozent
       gleichauf mit der SPD, in Sachsen mit 26 Prozent auf Augenhöhe mit der CDU.
       
       ## Salvini als „wahrer Retter des Rechtstaats“
       
       Nachdem ein AfD-Mann bereits fleißig schwarz-rot-goldene Flaggen unter die
       Menge gebracht hat, geht es los. Der Brandenburger AfD-Spitzenkandidat
       Andreas Kalbitz eröffnet die Veranstaltung (Motto: „Wende vollenden“) zwar
       durchaus mit landespolitischen Themen, im Vordergrund stehen aber
       klassische AfD-Gassenhauer. „Heimat ist ein Menschenrecht“, ruft er den
       hunderten Zuhörern zu. Auch Jörg Urban, der Spitzenkandidat in Sachsen,
       spricht. Parteichef Jörg Meuthen holt weiter aus und nennt etwa Italiens
       rechtsextremen Innenminister Matteo Salvini einen „wahren Retter des
       Rechtstaats.“
       
       Als Letzter spricht Höcke. Wie schon bei früheren Reden greift er abermals
       in die Kiste historischer Vergleiche und setzt die mögliche Beobachtung der
       AfD durch den Verfassungsschutz mit der Unterdrückung der
       Freiheitsbestrebungen im Deutschen Reich nach den Karlsbader Beschlüssen im
       19. Jahrhundert gleich, der so genannten „Demagogenverfolgung“.
       
       Mit Hohn reagiert er auf die Ankündigung des brandenburgischen
       Innenministers, wonach der Verfassungsschutz auf die Cottbusser
       Veranstaltung ein genaues Auge habe. Der johlenden Menge überreicht Höcke
       eine eigens signierte Sektflasche, die an die anwesenden Geheimdienstler
       weitergegeben werden solle. „Bei der Dienstbesprechung heute Abend könnt
       ihr dann die Flasche aufmachen und auf das Wohl der AfD trinken“, ruft er
       zu den Anhängern. Großes Gelächter.
       
       ## „Am Ende gewinnen immer wir“
       
       Der „Flügel“ wird vom Verfassungsschutz bislang als „Verdachtsfall“
       geführt. Auch in Cottbus ist die Frage, wie viel Einfluss diese
       rechtsnationale Parteiströmung haben soll, präsent. Immerhin hatte er
       selbst am vergangenen Wochenende auf dem [2][„Kyffhäuser-Treffen“] der
       Plattform den AfD-Bundesvorstand scharf angegriffen und angekündigt, nach
       den Landtagswahlen auf die Neuwahl des Bundesvorstands hinzuwirken. Mehr
       als 100 Mandatsträger und Funktionäre hatten deshalb am Mittwoch einen
       Appell veröffentlicht, in dem sie eine „geeinte und starke AfD“ fordern.
       Und klarstellen: „Die AfD ist und wird keine Björn-Höcke-Partei“.
       
       In Cottbus wollen die anwesenden AfD-Redner von dem Streit nichts wissen.
       „Wir lassen uns nicht spalten“, sagt Parteichef Meuthen. „Am Ende gewinnen
       immer wir, und zwar gemeinsam, liebe Freunde!“ Auch Kalbitz, der Höcke bei
       der Verabschiedung herzlich umarmt, sagt, er sehe keine Spaltung. Höcke
       ging darauf erst gar nicht ein.
       
       Derweil [3][berichtet der Spiegel] von Versuchen, radikale und gemäßigte
       Strömungen innerhalb der Parteien zusammenzuführen. Dazu soll sich laut
       Bericht die Fraktionschefin der AfD im Bundestag, Alice Weidel, unter
       Vermittlung des neurechten Publizisten Götz Kubitschek mehrmals mit Höcke
       getroffen haben, um einen Pakt zu schließen. Damit würde, heißt es weiter,
       das rechte Höcke-Lager das Ruder in der Partei übernehmen. Weidel
       bestätigte derlei Kontakte, von einem Bündnis will sie jedoch nicht
       sprechen.
       
       ## „Cottbus bleibt bunt“
       
       Zumindest in Cottbus ist am Ende klar, welche der beiden Strömungen hier
       dominiert. Mit Kalbitz, Urban und Höcke stehen drei „Flügel“-Vertreter auf
       der Bühne, während Meuthen der Strömung nicht angehört. Zudem spricht Höcke
       fast eine halbe Stunde − deutlich länger als die übrigen. Und bekommt dabei
       auch merklich mehr Applaus. Meuthen selbst hatte Mitte der Woche öffentlich
       den „Personenkult“ Höckes kritisiert. Wohl auch deshalb ist Meuthen längst
       weg, als Höcke am Samstag spricht.
       
       Im nahen Puschkinpark haben AfD-Gegner parallel ein Kulturfest mit
       verschiedenen Musikern organisiert. Alles unter der Parole: „Cottbus bleibt
       bunt“. Rund um den Platz vor der Stadthalle sind Gebäude mit
       Regenbogenflaggen behangen. Als Höcke aufbricht, verabschiedet ihn eine
       kleine Gruppe der Gegenspieler mit kräftigen „Höcke raus!“-Rufen.
       
       14 Jul 2019
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] /Wahlnachlese-in-den-neuen-Laendern/!5595271
   DIR [2] /Innerparteiliche-Kritik-an-Bjoern-Hoecke/!5606324
   DIR [3] https://www.spiegel.de/politik/deutschland/afd-bjoern-hoecke-fluegel-und-alice-weidel-schliessen-buendnis-a-1277033.html
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Daniel Godeck
       
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