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       # taz.de -- Hohe Strafzahlung wegen Zweckentfremdung: Airbnb in London? Das wird teuer
       
       > 110.000 Pfund Strafe muss ein Londoner zahlen, der seine Sozialwohnung
       > weitervermietete und damit viel Geld verdiente. Die Wohnung ist er los.
       
   IMG Bild: Nettes Studioappartment? Mehr als 77.000 Wohnungen werden in London auf Airbnb vermietet
       
       London taz | Als „nettes Studioapartment“ hatte der 37-jährige Toby Harman
       seine Sozialwohnung im Zentrum Londons, in der Nähe des Victoria Bahnhofs
       durch das Onlinereservierungssystem Airbnb vermietet – so oft, dass er
       inzwischen über 300 Bewertungen erhalten hatte. Um die Untervermietung
       nicht auffliegen zu lassen, gab er sich vorsichtshalber den weiblichen
       Tarnnamen Lara.
       
       Doch die Antibetrugsstelle der Bezirksverwaltung von Westminster kam ihm
       dennoch auf die Spur, weil manche in den Bewertungen von „Toby“ sprachen,
       der ihnen nette Ratschläge gegeben habe. Bankauszüge belegten, dass Harman,
       der sich gegenüber den Ermittlern verschlossen gab, jahrelang Geld von
       Airbnb erhalten hatte.
       
       Der Zweckentfremdung seiner für sozial Schwache gedachten Wohnung
       überführt, verlor Toby Harman letztes Jahr sein Wohnrecht – und nun,
       nachdem er trotzig auch noch Widerspruch einlegte, wurde er vom Gericht zu
       einer Geldstrafe von 110.000 Pfund (122.000 Euro) verdonnert, eine der
       höchsten Summen, die der Gemeinde nach eigenen Angaben je zugeschrieben
       wurde. Der Betrag entspricht den ungefähren Einnahmen Harmans.
       
       Westminsters Erfolg geht auf ein neues Einsatzteam zurück, welches aus der
       Verabschiedung eines neuen britischen Gesetzes im Jahr 2016 hervorging.
       Demnach sind kurzzeitige Vermietungen unter Airbnb und ähnlichen Programmen
       auf insgesamt 90 Nächte pro Jahr begrenzt. Das Gesetz war eine Reaktion auf
       die zunehmende Popularität des Phänomens Airbnb und sollte dafür sorgen,
       dass Londons beliebte Stadtteile nicht v[1][on Touristen überschwemmt
       werden].
       
       Die Bezirksbehörde von Westminster, der westlichen Hälfte der Londoner
       Innenstadt mit dem Regierungsviertel und dem Theaterbezirk West End, geht
       auch gegen andere Zweckentfremdungen vor, beispielsweise die Verwandlung
       von Wohnraum in kurzlebige Bordelle oder Partywohnungen.
       
       Nach eigenen Angaben ermittelt der Bezirk Westminster derzeit bei über
       1.500 Wohneinheiten. Im letzten Jahr wurden neben der Wohnung von Harman 24
       weitere Sozialwohnungen von der Behörde wegen derartiger Praxen
       beschlagnahmt. Erst im Dezember wurde bekannt, dass in einem
       530-Wohneinheiten-Klotz in der Nähe von Hyde Park 106 Wohnungen
       untervermietet waren.
       
       Um das Problem langfristig zu lösen, fordert der Bezirk Westminster die
       Regierung auf, das Recht zu verschärfen, indem sich Vermieter zum Zweck
       einer kurzfristigen Vermietung amtlich registrieren sollten. Auch der
       Londoner Oberbürgermeister Sadiq Khan fordert dies.
       
       ## „Gut für die Wirtschaft“, schlecht für die Anwohner
       
       Airbnb erklärte auf Anfrage, dass sie „regelmäßig Vermieter daran erinnert,
       sich über die örtliche Rechtslage zu informieren und den Gesetzen zu
       folgen“. Airbnb unterstütze den Vorschlag des Londoner Bürgermeisters für
       ein Registrierungssystem.
       
       Im Dezember wollte die damalige britische Wohnungsministerin Heather
       Wheeler aber nicht in den Sektor eingreifen, weil er gut für die Wirtschaft
       sei. Das zuständige Ministerium erklärte er taz auf Anfrage, in den meisten
       Fällen sei es unproblematisch für Sozialmieter, andere Leute in ihrer
       Wohnung wohnen zu lassen.
       
       Laut Airbnb ist London eines der Hauptziele seiner Nutzer.
       [2][InsideAirbnb], welche Daten über Airbnb sammelt, zählt derzeit 77.096
       Angebote in der britischen Hauptstadt. Die Anzahl anderer Anbieter wird um
       die 40.000 geschätzt. Airbnb zufolge bringt ihre Vermittlung der britischen
       Wirtschaft jährliche Einnahmen in Höhe von fast vier Millionen Euro.
       
       Eine durchschnittliche Nacht in London kostet derzeit 125 Euro, laut Airbnb
       verdienen Londoner Airbnb-Vermieter an ihrer Tätigkeit durchschnittlich
       2.900 € pro Jahr.
       
       Das Londoner Urteil ist kein Einzelfall, aber der bislang spektakulärste.
       In Paris musste kürzlich eine Untermieterin, die illegal über Airbnb ihre
       Wohnung weitervermietete, 50.000 € an die eigentlichen Besitzer zahlen. In
       den USA befindet sich New York City in einen Rechtsstreit mit Airbnb,
       nachdem die Stadt Airbnb gesetzlich verpflichten wollte, die Namensliste
       ihrer Vermieter auszuhändigen.
       
       29 Jul 2019
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] /Unerwuenschte-Folgen-des-Reisens/!5516458
   DIR [2] http://insideairbnb.com/
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Daniel Zylbersztajn
       
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