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       # taz.de -- Kinoempfehlung für Berlin: Aliens suchen Kontakt
       
       > Das auf von Frauen erdachte Horrorfilme spezialisierte Festival „Final
       > Girls“ hat den „Women in SciFi“ ein Wochenende gewidmet.
       
   IMG Bild: Sieht extraterristrisch aus: Filmstill
       
       In ihrem Traum, erzählt die einsame Papierwarenverkäuferin Jane (Lisa Haas)
       ihrer Therapeutin, sei ein Raumschiff durch den nächtlichen Himmel
       Manhattans angeschwebt. Direkt über ihr habe es einen Zettel fallen lassen,
       darauf eine Botschaft: „Hast du heute Abend schon was vor?“
       
       Janes Traum erweist sich als prophetisch: Die Aliens, glatzköpfige Frauen
       mit steifen Bela-Lugosi-Kragen, suchen Kontakt zu weiblichen Erdlingen.
       Denn zu viele starke Gefühle haben auf ihrem Heimatplanet Zots Löcher in
       der Ozonschicht verursacht. Die Zots’sche Regierung sendete darum
       Zots-Bewohnerinnen auf die Erde – sie sollen, so die Anweisung, ihre
       Sentimente dort tüchtig ausleben, um immun gegen Liebe und Romantik zu
       werden. Doch während andere Ausgesandte ihre Tränen bei der Ansicht einer
       sich drehenden Konditoreiauslage fließen lassen („Es ist wie im Leben – man
       denkt, der Käsekuchen sei ganz nah, und dann ist er wieder weg!“), verliebt
       sich Zoinx (Susan Ziegler) prompt in Jane …
       
       Madeleine Olneks 2011 entstandener Schwarz-Weiß-Spielfilm „Codependent
       Lesbian Space Alien Seeks Same“ ist eine futuristische Emo-Komödie.
       Liebevoll parodiert die Regisseurin lesbische Lebensentwürfe und Klischees
       und kreuzt sie mit einem charmant an die B-Movies der 50er erinnernden
       SciFi-Settings, um am Ende doch nur Janes welt-(oder auch
       universum-)bekannten Minderwertigkeitskomplex zu konstatieren: „Ich hätte
       wissen müssen, dass du von einem anderen Planeten kommst“, sagt die
       unscheinbare Frau zu ihrer neuen Gefährtin, „niemand, für den ich Gefühle
       entwickelte, hat sie je erwidert …“ Ob Zots oder Erde, so Olneks Aussage,
       das Herz ist überall verwundbar.
       
       Frauenfiguren waren im SciFi-Genre lange auf „Damsels in Distress“
       beschränkt – in den Jack-Arnold-Klassikern der 50er galt es, sie zu retten;
       in den 60ern wurden sie zunehmend als sexy Alien-Verführerinnen eingesetzt.
       Wie in ähnlichen Genres, die sich teilweise aus der Comic-Kultur der 30er
       Jahre entwickelten, zeitreisten, erfanden und raumfuhren vor allem Männer –
       handlungstreibend waren weibliche Charaktere selten. Noch seltener
       verantworteten Frauen Konzeption und Regie – die bekanntesten aktiven
       SciFi-Filmheldinnen Ellen Ripley (aus „Alien“) und Sarah Connor (aus
       „Terminator“) wurden von Männern erfunden.
       
       ## Sternenkriegfrei
       
       Das auf von Frauen erdachte Horrorfilme spezialisierte Festival „[1][Final
       Girls]“ hat den „Women in SciFi“ darum ein Wochenende gewidmet: Vier
       Langspielfilme und drei Kurzfilmprogramme kontemplieren weitgehend
       sternenkriegfrei, nachdenklich und humoristisch über einen futuristischen
       Feminismus, über künstliche Intelligenz und Ausbeutung und darüber, was
       passiert, wenn normativ gutes Aussehen und Jugendlichkeit – Merkmale, nach
       denen vor allem Frauen bewertet werden – mit ganz anderen Methoden bewahrt
       werden könnten: In dem 2015 von Jennifer Phang inszenierten SciFi-Drama
       „Adventageous“ entscheidet sich Gwen (Jacqueline Kim), Markenbotschafterin
       eines Kosmetikkonzerns, ihr Bewusstsein durch eine experimentelle Operation
       in einen jüngeren, nicht mehr eindeutig asiatischen Körper transportieren
       zu lassen. Doch nicht nur ihre Tochter ist von der Situation überfordert.
       In Phangs poetischer Body-Swifting-Elegie weint immer irgendwo eine Frau –
       entweder im Hintergrund der futuristisch-urbanen Umgebung oder in Gwens
       Nachbarwohnung. Phang blättert dabei Fragen über Gender und Nationalität,
       Identität und Familie auf.
       
       Auch Mike Cahill spielt mit Identitäten: 2015 hat der Regisseur „Another
       Earth“ nach einem von ihm und Hauptdarstellerin Brit Marling geschriebenen
       Drehbuch inszeniert – und mit dem vielschichtigen Drama einen Film
       vorgelegt, der raffiniert SciFi mit Philosophie verknüpft. Nachdem ein
       neuer Planet am Firmament aufgetaucht ist, verursacht Rhoda (Marling)
       angetrunken einen Autounfall, bei dem die Familie von John (William
       Mapother) stirbt. Nach einem Gefängnisaufenthalt beginnt sie, als Putzfrau
       bei John zu arbeiten, der nichts von ihrer Verbindung zu seinem Trauma
       weiß. Der neue Planet hat sich derweil als Doppelgänger der Erde erwiesen,
       er wird „Erde 2“ genannt. Rhoda bewirbt sich für einen Flug dorthin – bis
       sie erfährt, dass sich auf der Parallelwelt doch nicht alles gleich
       entwickelt haben könnte … „Another Earth“ ist eine der aufregendsten
       Abhandlungen über Raum, Zeit und Zufälle, die je erzählt wurden.
       
       Weniger philosophisch und stärker mit den Themen Rassismus und Patriarchat
       verbunden ist Lizzie Bordens 1983 entstandene, kämpferisch-sozialistische
       Utopie „Born in Flames“, in der eine Frauenarmee in New York gegen
       Unterdrückung kämpft und eine Nebenrolle der späteren Actionregisseurin
       Kathryn Bigelow von deren frühen feministisch-futuristischen Aktivitäten
       zeugt. Weiter zurück als 1983 geht das kleine, feine
       Women-in-SciFi-Programm nicht. Dabei wurde das gesamte Genre tatsächlich
       früh von einer Frau mitgeprägt – Fritz Langs „Frau im Mond“ (1928), einer
       der ersten SciFi-Filme, präsentiert die Frau nicht nur in Titel und
       Handlung: Das Drehbuch schrieb Thea von Harbou.
       
       Dieser Text erscheint im taz Plan. Mehr Kultur für Berlin und Brandenburg
       immer Donnerstags in der Printausgabe der taz
       
       14 Aug 2019
       
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