# taz.de -- Seehofer unterliegt vor Gericht: Rückweisung nicht legal
> Das Verwaltungsgericht München stellt den Innenminister bloß: Dessen
> Abkommen mit Griechenland verstößt voraussichtlich gegen europäisches
> Recht.
IMG Bild: Diese beiden Polizisten kontrollieren Fahrzeuge an der Grenze von Österreich nach Deutschland
Deutschland muss einen nach Griechenland zurückgewiesenen Afghanen sofort
nach Deutschland zurückholen. Das entschied das Verwaltungsgericht (VG)
München in einem Eilbeschluss. Das von Innenminister Horst Seehofer (CSU)
mit Griechenland ausgehandelte [1][Rückweisungsabkommen] sei
voraussichtlich rechtswidrig.
Der 25-jährige Afghane kam im Mai 2019 per Zug aus Österreich und wurde von
der Bundespolizei am Bahnhof Lindau kontrolliert. Eine Abfrage in der
Fingerabdruckdatei Eurodac ergab, dass er bereits in Griechenland einen
Asylantrag gestellt hatte. Auf Grundlage des Griechenland-Abkommens wurde
der Afghane am nächsten Tag nach Griechenland zurückgeflogen. Sein dortiges
Asylverfahren gilt als eingestellt, weil er es „nicht betrieben“ habe.
Jetzt sitzt er als illegaler Ausländer in griechischer Haft, ihm droht die
Abschiebung nach Afghanistan.
Das VG München ordnete jetzt aber die sofortige Rückholung des Afghanen
nach Deutschland an. Ihm drohten „unzumutbar schwere Nachteile“, so das
Gericht. Der Mann habe einen „Folgenbeseitigungsanspruch“, denn die
Zurückweisung durch die Bundespolizei sei nach erster Prüfung als
rechtswidrig einzustufen. Der 31-seitige VG-Beschluss liegt der taz vor.
Der Beschluss ist „unanfechtbar“, weil im Asylrecht meist kurzer Prozess
gemacht wird. Hier nützt dies dem Flüchtling. Der Mann war von den
Organisationen Pro Asyl und Equal Right Beyond Borders betreut worden, die
das Verfahren als Präzedenzfall betrachten.
Das VG beanstandete vor allem, dass das Bundesamt für Migration und
Flüchtlinge (BAMF) nicht an der umgehenden Zurückweisung des Afghanen
beteiligt war. Sowohl nach der Dublin-III-Verordnung der EU als auch nach
deutschem Recht sei jedoch das BAMF dafür zuständig, den Staat zu
bestimmen, in dem das Asylverfahren durchzuführen ist. Die
Zuständigkeitsprüfung sei eine „komplexe“ Angelegenheit. Im konkreten Fall
war zum Beispiel relevant, dass der Afghane ein Jahr lang in Serbien lebte,
nachdem er Griechenland verlassen hatte, und außerdem auch in Österreich
einen Asylantrag gestellt hatte.
Die Bundespolizei hatte sich darauf berufen, mit dem Griechenland-Abkommen
sei ein dem Dublin-Verfahren vorgelagertes „Pre-Dublin-Verfahren“
eingeführt worden. Das Gericht äußerte jedoch „erhebliche Bedenken“, ob
dies europarechtlich möglich ist. Jedenfalls nach deutschem Recht könne der
Innenminister nicht einfach per Verwaltungsabkommen die Rechtslage ändern.
Große Zweifel hatte das Gericht auch, ob überhaupt Flüchtlinge zwangsweise
nach Griechenland verbracht werden können. Das VG München ging davon aus,
dass das griechische Asylverfahren weiterhin „systematische Mängel“
aufweist.
Wenn der Afghane zurückkommt, wird das BAMF also zunächst feststellen, in
welchem EU-Staat sein Asylantrag geprüft wird. Vermutlich wird dies
Deutschland sein, weil das BAMF nicht rechtzeitig die Aufnahme in
Griechenland oder Österreich beantragt hatte. Nach den Dublin-Regeln muss
der Antrag binnen zwei Monaten gestellt werden.
[2][Im Sommer 2018] hatte Innenminister Seehofer [3][fast die Koalition
platzen lassen], weil er an der deutsch-österreichischen Grenze plötzlich
Flüchtlinge zurückweisen lassen wollte. Österreich sei doch ein sicherer
Drittstaat, so Seehofer, der die CSU vor der Landeswahl in Bayern
unterstützten wollte. Kanzlerin Merkel lehnte solche einseitigen Maßnahmen
jedoch ab. Am Ende versuchte Seehofer bilaterale Abkommen auszuhandeln, was
ihm aber nur mit Griechenland und Spanien gelang. Nach Griechenland wurden
seither 26 Personen zurückgewiesen.
Setzt sich die Auffassung des VG München auch im Hauptsacheverfahren durch,
sind die Abkommen nicht mehr anwendbar.
14 Aug 2019
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## AUTOREN
DIR Christian Rath
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