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       # taz.de -- Gedenktafel für Heinz Brandt: Von Rechten und Linken verfolgt
       
       > Heinz Brandt überlebte die Konzentrationslager der Nazis und die
       > Verfolgung durch DDR-Kommunisten. Am Freitag wird ihm eine Gedenktafel
       > gewidmet.
       
   IMG Bild: Der Arbeiteraufstand in der DDR am 16. Juni 1953. Heinz Brandt unterstützte die Arbeiter
       
       Wenn seine Kinder laut spielten, schreckte Heinz Brandt manchmal schreiend
       auf. Daran seien die Erinnerungen schuld, erzählt sein Sohn Stefan der taz.
       Brandt war jüdisches KPD-Mitglied, seit den 1920ern lebte er in Berlin und
       arbeitete als Journalist. 1935 wurde er von den Nazis zu sechs Jahren
       Zuchthaus verurteilt, danach in die Konzentrationslager Sachsenhausen,
       Auschwitz und Buchenwald verfrachtet. Brandt überlebte, kämpfte danach umso
       engagierter für seine politischen Ziele.
       
       Am Freitag enthüllt der Senat in der Pankower Neumannstraße eine
       Gedenktafel zu Ehren Heinz Brandts. Nach dem Ende der NS-Herrschaft in
       Deutschland kehrte der Kommunist nach Pankow zurück und trat wieder in die
       KPD ein. Er blieb auch Mitglied, als aus der Kommunistischen Partei die SED
       wurde.
       
       Doch seine Prinzipien stellte er nicht zurück, unterstützte gegen die
       Parteilinie die Arbeiter der Stadt. 1953, beim Arbeiteraufstand, beendete
       das seine parteipolitische Karriere. „Er wurde abgehalftert“, erzählt
       Stefan Brandt. „Nach und nach wurde er herabgesetzt, bis dahin, dass er
       gefährdet war, nicht nur inhaftiert, sondern sogar ermordet zu werden.“
       
       Stefan Brandt erzählt von seinem Leben in der sowjetischen Besatzungszone:
       „Bis 1958 haben wir glücklich in Pankow gelebt. Wir sind sozialistisch
       erzogen worden, es war alles gut.“ Dann ein radikaler Einschnitt, seine
       Eltern entschlossen sich, aus dem Osten zu fliehen.
       
       ## Entführung aus Westberlin
       
       Die SED ließ sich Brandts Flucht aber nicht gefallen. 1961 wurde er in
       Westberlin von Parteiagenten entführt, in der DDR dann zu 13 Jahren Haft
       verurteilt. „Wenn mit 11 Jahren dein Vater weg ist und die anderen Kinder
       sagen: ‚Er ist im Zuchthaus, da ist man nicht ohne Grund‘, ist das schon
       schwierig.“ Stefan Brandt hatte zunächst keinen Kontakt zu seinem Vater.
       Irgendwann wurde erlaubt, ihm Briefe zu schreiben – genau einen pro Monat.
       
       Die Entführung traf den Familienvater schwer. „Das war noch mal eine
       Tortur. Von Linken gegen Linke, das Schweinischste, was man sich vorstellen
       kann“, sagt sein Sohn. „Bei den Nazis wusste mein Vater: Das sind die
       Feinde. Dass die Linken fast die schlimmsten Feinde sind, war für ihn
       schwer auszuhalten.“
       
       International gab es großen Protest gegen die Inhaftierung Brandts, deshalb
       wurde er 1964 freigelassen – und machte weiter: Er stieg wieder in seine
       Arbeit für die Gewerkschaftszeitung ein, bis er mit 63 Jahren in Rente
       ging. Danach kämpfte er gegen die Atomkraft. 1979 gehörte er zu den
       Gründern der Grünen.
       
       „Er war ein gütiger, engagierter Mensch, ein guter Zuhörer. Allerdings mit
       wenig Zeit für die Familie“, sagt Stefan Brandt. Die Politik dominierte das
       Leben seines Vaters. Sich auf sie zu konzentrieren, ließ ihn auch die
       Konzentrationslager überleben.
       
       Neben der Gedenktafel sind in Pankow bereits eine Schule und eine Straße
       nach ihm benannt – eine kleine Sackgasse, wie Stefan Brandt schmunzelnd
       erzählt. Er selbst könne heute nicht mehr im Bezirk wohnen. Emotional
       existiere immer noch der Ost-West-Konflikt in ihm. Die Geschichte hat
       Spuren hinterlassen.
       
       16 Aug 2019
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Lukas Waschbüsch
       
       ## TAGS
       
   DIR Schwerpunkt Nationalsozialismus
   DIR DDR
   DIR Widerstand
   DIR Lesestück Interview
   DIR Akademie der Künste Berlin
   DIR Zoo Berlin
       
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