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       # taz.de -- Wahl zum DFB-Präsidenten: Der stille Mann des Aufbruchs
       
       > Fritz Keller soll den weltgrößten Sportverband DFB aus dem
       > Korruptionssumpf ziehen. Dabei könnte er Geschichte schreiben.
       
   IMG Bild: Ein gemütlicher Typ: Fritz Keller vor Fässern in seinem Weingut
       
       Länger als geplant hat die sechsköpfige Findungskommission bei ihrer Suche
       gebraucht. Eigentlich wollte sie ihren Vorschlag, wer der neue Präsident
       des Deutschen Fußball-Bundes werden soll, schon am 1. August unterbreiten.
       Aber das Warten hat sich gelohnt. Die Entscheidung des skandalgeplagten
       DFB, Fritz Keller, den bisherigen Vereinspräsidenten des kleinen
       Bundesligisten [1][SC Freiburg], als Nachfolger von Reinhard Grindel zu
       nominieren, kann man als sensationell, geradezu revolutionär bezeichnen.
       
       Denn: Erstmals in der Geschichte des weltgrößten Sportverbandes setzt man
       auf einen, der sich nicht im Strippenzieher-Verband über Jahre nach oben
       gehangelt hat. Nicht auf einen, der wie die Vorgänger Reinhard Grindel oder
       Wolfgang Niersbach lange Zeit auf dieses Ziel hingearbeitet und
       entsprechende Seilschaften aufgebaut hat.
       
       Keller wird dagegen das Amt von der Findungskommission quasi in den Schoß
       gelegt, weil offenbar selbst die Führungsriege des deutschen Fußballs zu
       der Erkenntnis gekommen ist, dass der Verband von innen heraus nicht mehr
       zu reformieren ist. Die Wahl von Keller am 27. September in Frankfurt – so
       ist das beim folgsamen Stimmvolk des DFB-Bundestags üblich – ist sowieso
       nur noch reine Formsache. Einen anderen Kandidaten – auch das ist üblich –
       gibt es nicht.
       
       Nachdem die letzten drei Präsidenten Grindel, Niersbach und Theo Zwanziger
       alle mit Korruptionsvorwürfen konfrontiert waren, verspricht sich der DFB
       von einem neuen Präsidenten sicherlich einen gewaltigen positiven
       Imageschub. Anders als der DFB steht der von ihm geführte SC Freiburg schon
       seit fast drei Dekaden für das Gute im deutschen Fußball. Ein Klub, der aus
       wenig viel macht, frei von Skandalen ist, solide wirtschaftet, sich seiner
       sozialen, ökologischen und gesellschaftspolitischen Verantwortung bewusst
       ist und dessen Trainer Christian Streich auf Pressekonferenzen schon auch
       mal ausführlichst über seine Sorgen angesichts der ausländerfeindlichen
       Entwicklungen in Deutschland spricht.
       
       ## Keller schätzt die Gemütlichkeit
       
       Der stockkonservative DFB holt sich also jemanden ins Haus, der einem Klub
       vorsteht, der insbesondere im linksalternativen Lager Freunde hat. Keller,
       62, ist kein Sponti. Er zählt zu den erfolgreichsten Winzern in
       Deutschland. Sein Restaurant „Schwarzer Adler“ ist unter Feinschmeckern
       eine angesagte Adresse. Keller ist einer, der eine gewisse Gemütlichkeit
       schätzt. Seine Anekdoten haben meist mit einem Gläschen Wein zu tun. Ein
       Buch hat er auch schon geschrieben: „Wein & Genuss am Kaiserstuhl“. Den SC
       Freiburg hat er meist geräuschlos geführt.
       
       Er ist kein Mann der ganz lauten Töne und Emotionen. Auch wenn er einmal
       bei einem [2][Bundesligaspiel] in der Aufregung um ein nicht gegebenes Tor
       Rainer Widmayer, dem Co-Trainer von Hertha BSC Berlin, den Stinkefinger
       zeigte. Als DFB-Kritiker ist er nie aufgefallen, jedoch hat Keller stets,
       wenn er gefragt wurde, klare Positionen bezogen. Zu den Bestrebungen von
       Karl-Heinz Rummenigge, dem Vorstandsvorsitzenden des FC Bayern München, den
       Solidargedanken in der Deutschen Fußball-Liga auszuhöhlen, sagte er in
       ernstem Ton: „Die Schere geht immer weiter auseinander. Da sollen die
       Großen doch ihre eigene Liga gründen …“
       
       Und er hat beim SC Freiburg stets den Wert der Demokratie hervorgehoben:
       „Wir haben 15.000 Mitglieder – denen gehört der Laden.“ Es sind Töne, die
       man sich von ihm auch als DFB-Präsident wünschen würde. Keller ist zudem
       noch Präsident eines Klubs, der zu den letzten vier Vereinen in der
       Bundesliga zählt, deren Profimannschaft noch nicht in eine
       Kapitalgesellschaft ausgegliedert ist, wo die Verbindung zwischen Amateur-
       und Profifußball noch gepflegt wird. Diese Einheit wird auch vom DFB seit
       Jahren beschworen, obwohl die Interessen der Profivereine maßgeblich für
       alle Entscheidungen sind.
       
       Von Keller ist nicht zu erwarten, dass er den DFB von einem Tag auf den
       anderen umkrempeln wird. Zumal im Zuge einer Verbandsreform die Kompetenzen
       des DFB-Präsidenten künftig beschnitten werden sollen, wie der
       Vizepräsident Rainer Koch erklärte. Keller soll weniger exekutieren als
       seine Vorgänger. Aber sein Wort wird Gewicht haben – nach wie vor. Und der
       Unternehmer Keller hat sich einen Name als Stratege gemacht: „Als Winzer
       denkt man immer langfristig. In Generationen und nicht von Jahr zu Jahr“,
       sagte er einmal der Berliner Zeitung.
       
       ## Keineswegs Konfliktscheu
       
       In Freiburg hat er auch bewiesen, dass er keineswegs konfliktscheu ist.
       Maßgeblich war er damals als Vizepräsident daran beteiligt, als der Verein
       sich von seinem Übervater und Trainer Volker Finke abnabelte. Finke hatte
       autokratische Verhältnisse im Klub aufgrund seiner herausragenden
       Verdienste in seiner 16-jährigen Tätigkeit etabliert. Die Frage, ob der
       Verein frischen Wind braucht oder an Finke festhalten soll, spaltete damals
       fast den Klub. Unter der Führung von Achim Stocker und Keller gelang es,
       die verfeindeten Lager in der Ära nach Finke wieder miteinander zu
       versöhnen und an der strategischen Ausrichtung, die auf Finke
       zurückzuführen war, festzuhalten.
       
       Keller wird auch beim DFB gewiss für viel frischen Wind sorgen. Und ein
       bisschen Fußball-Folklore bringt er auch noch mit. Denn eigentlich heißt er
       mit vollem Namen Fritz Walter Keller, weil sein Vater mit Fritz Walter, dem
       deutschen WM-Helden von 1954 befreundet war und ihn zum Taufpaten seines
       Sohnes ernannte. Das Patenkind vom großen Fritz Walter soll nun den DFB auf
       neue Beine stellen. Es könnte der Beginn einer neuen großen Geschichte
       sein.
       
       15 Aug 2019
       
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