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       # taz.de -- Raketenstart in Baikonur: Himmelfahrt auf Juris Spuren
       
       > Die sechsstündige Reise zur Raumkapsel ISS wird in der kasachischen
       > Steppe würdig zelebriert. Zuschauer dürfen dabei sein und den Start
       > bejubeln.
       
   IMG Bild: Raketenstart in Baikonur
       
       Der Countdown rückt näher. Jeder bemannte Raketenstart in Baikonur, mitten
       in der kasachischen Steppe, ist ein Ereignis, das nach erprobtem Ritual
       zelebriert wird. In Bussen geht es vom Zentrum der Stadt 20 Kilometer
       hinaus zum Kosmodrom. Eben verlassen die Astronauten, ein Russe, ein
       Franzose und eine Amerikanerin, das Hotel, in dem sie zwei Wochen in
       Quarantäne gelebt haben. Zur Musik der Gruppe Zemlyane marschieren sie
       unter Blitzlichtgewittern zum Bus. Zuschauer schwenken Fähnchen und singen
       trotz der eisigen Kälte lauthals mit: „Wenn wir schlafen, träumen wir nicht
       vom Donnern der Raketen, sondern vom grünen Gras zuhaus.“
       
       Im Anschluss werden die Besucher zur Allee der Kosmonauten gefahren, an der
       jeder Raumfahrer einen Baum pflanzt. Auch für einen Besuch im
       Gagarin-Museum bleibt Zeit. Pumpen, Lüfter, Waben stehen herum, deren
       Bedeutung auch den eifrigen Hobby-All-Spezialisten aus aller Welt verborgen
       bleibt. Und alle „Erst“ereignisse aus Baikonur werden gefeiert: der erste
       Sputnik, die ersten Tiere, die Kapsel der Hündin Laika, der erste Mensch im
       All.
       
       Letzteren, den Jungen mit dem breiten Lachen, lieben sie alle. Juri Gagarin
       auf Wimpeln, Tellern, T-Shirts und Sofakissen – Juri forever! Sein Denkmal
       in der Stadt allerdings zeigt einen jungen Mann, dessen Kopf im Anzug fast
       verschwindet. Einfache Erklärung: Beim Aufstellen ist der ursprüngliche
       kaputt gegangen und in großer Eile durch einen zu kleinen ersetzt worden.
       
       Dann aber wird es Zeit. Klein wie ein Pfeil, der direkt auf den Großen
       Wagen am Himmel zielt, strahlt die Sojus-Rakete in einem Kilometer
       Entfernung in der Dunkelheit. Auf einer Leinwand werden Bilder aus dem
       Inneren der Kapsel übertragen, wo die Astronauten in den Liegesesseln ihre
       Instrumente überprüfen.
       
       Noch neun Minuten, noch drei, noch eine – urplötzlich explodiert die Nacht
       in einem Ausbruch von Feuer und Donner und Wucht. Die Luft vibriert, eine
       ungeheure Kraft bricht sich Bahn in einem weißglühenden Feuerball, so
       faszinierend wie beängstigend. Aber noch verharrt der Pfeil sekundenlang
       inmitten der gleißenden Sonne, als wolle er sich einfach nicht lösen – ehe
       der Schub ihn dann doch aus der Verankerung hebt und immer schneller in den
       Himmel treibt, gefolgt von einem rot glühenden Schweif.
       
       „Alle Systeme funktionieren“, meldet der Lautsprecher. Und endlich zeigt
       ein graues Rauchwölkchen hoch oben im Schwarz, dass die Triebwerke der
       ersten Stufe erfolgreich abgesprengt wurden. Sojus-FG mit der bemannten
       Mission 53S hat Punkt 2.20 Uhr ihre sechsstündige Reise zur Raumkapsel ISS
       angetreten. Die Erleichterung in der Rakete dürfte so groß sein wie der
       stolze Jubel am Boden.
       
       19 Aug 2019
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Franz Lerchenmüller
       
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