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       # taz.de -- Videoüberwachung in Berlin: Die Normalität des Spionierens
       
       > Im Nahverkehr und vor Behörden ist Videoüberwachung inzwischen Standard.
       > Wie viele Kameras tatsächlich in Berlin hängen, kann man nur schätzen.
       
   IMG Bild: Augen überall: Kameras gucken zu
       
       Das Essen aus der indonesischen Systemküche ist ganz ausgezeichnet in der
       Londoner Shaftesbury Avenue. Wer aber den Blick hebt, bemerkt, dass in der
       Ecke über der Bar, unscheinbar, aber nicht versteckt, eine Kamera auf den
       Teller gerichtet ist. Rindfleisch, Padang Style. Vorbei fahren die roten
       Doppelstockbusse, sämtlichst mit Kameras überwacht. An Wohngebäuden,
       Eckläden, vor Behörden und Vereinshäusern, an Kirchen und Kliniken: überall
       Kameras. Häufig, aber nicht immer warnen Schilder vor [1][CCTV], Closed
       Circuit Television.
       
       Auch in Berlin werden solche Hinweise häufiger. Vor allem im Nahverkehr und
       an Behörden sind die Kameras inzwischen Standard. Der flächendeckende
       Einsatz im privaten Raum aber ist noch nicht erreicht. Einen Platz in den
       Top 20 der am meisten überwachten Städte gibt es für Berlin dennoch, Nummer
       19, gleich nach Moskau, der dritten europäischen Metropole in der [2][von
       chinesischen Städten] dominierten Liste.
       
       Erstellt vom Portal „Comparitech“, das für diverse, mit Technologie
       verbundene Phänomene vergleichende Listen entwickelt, scheint diese
       Aufstellung vor allem Vorurteile zu bestätigen. Neben der Zahl der Kameras
       je 1.000 Einwohner*innen (Berlin: gut 11 Stück) werden auch ein mittels
       Befragungen erstellter Kriminalitäts- und ein Sicherheitsindex beigestellt
       (Berlin: geht so). Interessant ist dabei die empirische Grundlage für die
       Auflistung. Comparitech geht vorbildlich transparent mit der Quellenlage
       um. Wer will, kann diese in einer offen zugänglichen Tabelle
       nachvollziehen.
       
       Wer sich diese Mühe macht, wird schnell feststellen, dass die Zahl der
       Kameras im Wesentlichen geraten ist. Niemand ist in der Lage, alle
       elektronischen Augen zu zählen. Manchmal sind die Quellen lediglich ältere
       Presseberichte über geplante Überwachungsvorhaben in China, manchmal
       offiziöse Schätzungen und bisweilen informierte, aber eben nicht sichere
       Hochrechnungen.
       
       ## Valide Vermutungen
       
       Allein für London fällt es selbst [3][bürgerrechtlich engagierten
       Organisationen] schwer, eine halbwegs valide Vermutung anzustellen, wie
       viele Kameras es gibt. Kein Wunder, nicht einmal die verschiedenen Behörden
       melden ihre Kameras an zentraler Stelle. Die Schwankungsbreite der
       Schätzungen liegt bei bisweilen mehreren 100.000 Kameras. Berlin nähert
       sich London immer mehr an. Der Mangel harter Regulierung schon des Verkaufs
       von Überwachungstechnologie macht es praktisch unmöglich, ihre Einsatzorte
       im Blick zu behalten.
       
       Insofern ist eine Liste wie die von Comparitech nicht viel mehr als eine
       Indiziensammlung. Letztlich ist es aber vielleicht gar nicht so wichtig, ob
       Berlin nun unter den Top 20 oder 50 der meistüberwachten Städte rangiert.
       Die Normalität des permanenten Spionierens in der Privatsphäre, die sich
       mit jeder installierten Kamera verfestigt, zu hinterfragen, dafür kann man
       das Ranking schon zum Anlass nehmen.
       
       21 Aug 2019
       
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       ## AUTOREN
       
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