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       # taz.de -- Feuer im brasilianischen Regenwald: Südamerikas Lunge brennt
       
       > Tausende Brände wüten in Brasilien. Die Kritik an Präsident Bolsonaro
       > wächst. Die Waldzerstörung soll auch beim G7-Gipfel Thema sein.
       
   IMG Bild: Das Satellitenbild zeigt Brände in den betroffenen Regionen im brasilianischen Bundesstaat Mato Grosso
       
       „Unser Dorf brennt, sie haben unser Dorf angezündet“, schreit die
       verzweifelte Frau, halbnackt und mit Kopfschmuck, unter Tränen in die
       Kamera. „Es genügte ihnen nicht, unseren Fluss zu vernichten, unsere
       Lebensgrundlage zu vernichten, jetzt haben sie auch noch unser Reservat
       angezündet.“ Sie zeigt anklagend auf das Flammenmeer. Dieses Video ist
       eines von vielen, die seit Donnerstag in den sozialen Netzwerken geteilt
       werden und das Ausmaß der Katastrophe im Amazonasbecken sichtbar machen.
       
       [1][Im Herzen Südamerikas brennt der Wald]. Mehr als 70.000 Feuer wüten
       derzeit vor allem in den nordbrasilianischen Bundesstaaten Acre, Rondônia,
       Mato Grosso und Mato Grosso do Sul. Aber auch im Süden Brasiliens, in
       Paraguay, Bolivien, Peru und Nordargentinien brennt der Wald. 74.155 Brände
       waren es laut dem brasilianischen Weltrauminstitut Inpe seit Jahresbeginn
       allein in Brasilien und damit rund 84 Prozent mehr als im Vorjahr. Das ist
       der höchste gemessene Wert seit Beginn der Aufzeichnungen 2013.
       
       Die meisten Brände im Regenwald sind von Menschen gemacht. Illegale
       Holzfäller oder Minenarbeiter sind verantwortlich. Aber auch
       Agrarunternehmen, die auf dem fruchtbaren Boden Soja anpflanzen und ihre
       Tiere weiden lassen, haben ein Interesse an den zum Großteil illegalen
       Rodungen. Umweltschutzorganisationen fordern deshalb schon seit Längerem
       einen Importstopp für solche Güter.
       
       Roberto Maldonado, Südamerika-Experte bei WWF Deutschland, sagt, dass in
       Brasilien die Haltung vorherrschend sei, so schnell und so viel Land
       brandzuroden und für die Landwirtschaft zugänglich zu machen wie möglich:
       „Die Regierung ist als geistiger Brandstifter verantwortlich für die
       Situation.“
       
       Rund 900.000 Indigene aus mehr als 300 Völkern leben im und vom Wald,
       einige davon haben noch nie Kontakt zur Zivilisation gehabt. Nicht nur für
       Brasilien ist die Vernichtung von Leben und Lebensgrundlagen ein Problem.
       Der als die „grüne Lunge“ der Welt bezeichnete Regenwald bindet gigantische
       Mengen an Kohlendioxid und trägt zum Gleichgewicht des weltweiten Klimas
       bei.
       
       Weil der Amazonas alle etwas angeht, haben sich inzwischen nicht nur die
       direkt Betroffenen gemeldet. [2][Frankreichs Präsident Emmanuel Macron
       forderte], das Thema auf dem am heutigen Samstag beginnenden G7-Gipfel in
       Biarritz anzusprechen. Kanzlerin Angela Merkel unterstützt Macrons Aufruf.
       
       ## Blockade des EU-Mercosur-Abkommen angedroht
       
       Unabhängig von den Bränden stoppten Deutschland und Norwegen Mitte August
       bereits [3][Zahlungen aus dem Amazonas-Fonds], da Brasilien nicht genug
       gegen die illegale Abholzung des Regenwalds tue. Der Amazonas-Fonds dient
       dazu, Brasilien beim Schutz des Regenwalds zu unterstützen, Hauptgeldgeber
       ist Norwegen.
       
       Für Reinhard Berend von Rettet den Regenwald ist dies der falsche Weg.
       „Dadurch behindern wir den Waldschutz“, sagt er. Maldonado vom WWF findet
       es dagegen richtig, dass die Zahlungen aus dem Fonds eingefroren wurden.
       Nun müssen sich die Partner wieder auf gemeinsame Werte verständigen, sagt
       Maldonado. Dass Brasilien imstande sei, die Entwaldung des Regenwalds zu
       stoppen, habe das Land in der Vergangenheit erfolgreich gezeigt. „Man muss
       das nur politisch wollen.“
       
       Angesichts der verheerenden Waldbrände droht Irland mit einer Blockade des
       EU-Mercosur-Abkommen. Das Freihandelsabkommen zwischen der Europäischen
       Union und den südamerikanischen Ländern wurde nach knapp zwanzigjährigen
       Verhandlungen Ende Juni beschlossen. Nun muss es noch von jedem EU-Land
       ratifiziert werden. Maldonado geht ein Boykott des Abkommens aber zu weit.
       Es sei an der Zeit, nachzuverhandeln und Mindeststandards festzusetzen.
       „Fleisch von illegal gerodeten Flächen muss ein No-go sein.“
       
       Brasiliens ultrarechter Präsident Jair Bolsonaro ist bislang nicht
       abgerückt von seiner Abwehrhaltung. Auf Twitter ging er zum Gegenangriff
       über und warf dem französischen Präsidenten Macron vor: In Abwesenheit der
       Länder der Amazonasregion beim G7-Gipfel über die Waldbrände sprechen zu
       wollen, zeuge von einer „kolonialistischen Mentalität“. Er beschuldigte
       Macron, eine „innere“ Angelegenheit Brasiliens und anderer Staaten im
       Amazonasgebiet „instrumentalisieren“ zu wollen, um „persönlichen
       politischen Profit“ daraus zu schlagen.
       
       ## Demos vor brasilianischen Botschaften
       
       Bolsonaro gibt zudem Umweltschützern die Schuld. Brasilianischen Medien
       sagte er, die Brände könnten „eine kriminelle Aktion dieser NGOs gewesen
       sein, um die Aufmerksamkeit auf mich und gegen die Regierung zu richten.
       Das ist der Krieg, in dem wir uns befinden.“ Beweise oder Indizien hat er
       dafür nicht.
       
       Indes wird die Front gegen Bolsonaro breiter. Die Bewegung Fridays for
       Future hat zu Demonstrationen vor brasilianischen Botschaften und
       Konsulaten aufgerufen. US-Schauspieler Leonardo DiCaprio und seine
       Ex-Freundin, das brasilianische Supermodel Giselle Bündchen, Kim Kardashian
       und Madonna, sie alle forderten Bolsonaro und die Weltgemeinschaft auf, die
       Brände zu stoppen. Zudem ging auf Twitter der Hashtag #prayforamazonia
       viral.
       
       23 Aug 2019
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] /Umweltzerstoerung-in-Brasilien/!5617382
   DIR [2] /Bolsonaro-attackiert-Macron/!5620304
   DIR [3] /Amazonas-Fonds-fuer-Brasilien/!5618610
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Sunny Riedel
   DIR Niklas Münch
       
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