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       # taz.de -- Die Wahrheit: Pinguin vs. Papagei
       
       > Neues aus Neuseeland: Gleich zwei Riesenvogelmeldungen treffen tief ins
       > vogelige Herz der Inselreichbewohner down under.
       
       So wie das deutsche Herz bei Bier und Fußball überquillt, so wird die
       Volksseele Aotearoas durch Rugby und Vögel bewegt. Landeskenner und treue
       Leser wissen, wie tief die Liebe zu Letzteren geht: zum Beispiel das
       Vogelgezwitscher – „bird call“ – vor den Morgennachrichten im Radio oder
       die jährliche Wahl zum „Vogel des Jahres“, die stets Oscar-ähnliche
       Dimensionen annimmt. Tui, Takahe, Weka und Kea haben Down Under eine
       größere Fangemeinde als Hobbit-Darsteller.
       
       Ins antipodische Flatterreich krachten daher diesen Monat zwei riesige
       Nachrichten – oder Nachrichten über Riesen. Bisher galt der Kakapo aus
       Neuseeland als größter Papagei der Welt. Alles, was den Rang „größter,
       erster, weitester“ trägt, löst bei Kiwis Nationalstolz aus: der erste Mann
       auf dem Mount Everest, das schnellste Segel-Team, das erste Frauenwahlrecht
       der Welt und das Verschlingen von acht Würsten innerhalb einer Minute fürs
       „Guinness-Buch der Rekorde“. Dem wurde jetzt noch eins draufgesetzt: der
       Überur-papagei.
       
       Im Jahr 2008 fand man bei Ausgrabungen in der Provinz Otago auf der
       Südinsel 19 Millionen Jahre alte Fossilien, die Hühnerschenkelknochen
       ähnelten. Sie landeten fälschlicherweise auf dem Haufen für alte
       Adlerreste. Erst in diesem Jahr fiel einer Studentin der Fehler auf und
       damit den Paläontologen eine biologische Sensation in die Hände: Dieses
       Vieh war mal ein Papagei. Zwar flugunfähig, aber doppelt so groß wie der
       Kakapo.
       
       Sein Spitzname lautet Squawkzilla, angelehnt an den Krächzsound des
       Papageis. Wissenschaftlich taufte man ihn Heracles inexpectatus: Herakles,
       der Muskelheld, und „inexpectatus“ nach dem englischen „unerwartet“, weil
       niemand mit dieser Entdeckung gerechnet hatte. Während gar die New York
       Times euphorisch über den Riesenvogel berichtete und Neuseelands
       Ornithologen sich in internationalem Glanz sonnten, wurde das Gekreisch
       übertönt: durch einen Monsterpinguin.
       
       Vorige Woche identifizierte man erneut Fossilien auf der Südinsel, die auf
       eine furchterregende Flora und Fauna vor der Besiedlung Aotearoas schließen
       lassen: 1,60 Meter groß und satte 80 Kilo schwer muss der Crossvallia
       waiparensis gewesen sein. Damit übertrumpft er den Königspinguin, der es
       auf 1,20 Meter schafft. Herumgewatschelt ist er wohl im Paläozän, also vor
       rund 60 Millionen Jahren. Neuseeland war damals noch viel wärmer, und in
       der Antarktis gab es Wälder.
       
       Ein deutscher Vogelforscher war an der Pinguinprozedur beteiligt: Gerald
       Mayr vom Senckenberg-Institut in Frankfurt am Main. „Es wird noch mehr
       kommen“, sagte er der Tageszeitung The Press. „Weitere Fossilien, von denen
       wir glauben, dass sie neue Arten repräsentieren.“
       
       Der tierische Gigantismus scheint häufiger auf Südseeinseln vorzukommen. In
       Hawaii hauste einst die fette Megaente Moa-Nalo. Schwacher Trost für die
       konkurrierenden Kiwis: Auch sie konnte nicht fliegen.
       
       22 Aug 2019
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Anke Richter
       
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