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       # taz.de -- Bestseller-Autorin Hortense Ullrich: Späte Karriere
       
       > Die Bremerin Hortense Ullrich schrieb internationale Bestseller. Heute
       > arbeitet sie ähnlich erfolgreich als Drehbuchautorin.
       
   IMG Bild: Bei ihr können kleine Mädchen zaubern: Hortense Ullrich
       
       Bremen taz | Als 60-Jährige noch einmal eine Karriere zu beginnen, ist eine
       bemerkenswerte Leistung. Umso mehr, weil die in Bremen lebende Autorin
       Hortense Ullrich dadurch die Strukturkrise des Büchermarkts nicht allein
       als persönliche Krise, sondern auch als Chance erlebt. Vor allem mit
       Büchern für Jugendliche hatte sie einen großen internationalen Erfolg. In
       16 Jahren schrieb sie 70 Romane, die in 24 Sprachen übersetzt wurden und
       weltweit von über vier Millionen Leserinnen und Lesern gekauft wurden.
       
       Doch inzwischen ist ihr Zielpublikum digital sozialisiert und an einem
       analogen Medium wie dem Buch deutlich weniger interessiert. Ihre
       Verkaufszahlen gingen spürbar zurück und die Verlage konnten nicht mehr die
       hohen Vorschüsse zahlen, an die sie gewohnt war.
       
       Doch dann bot sich eine Gelegenheit, denn eines ihrer Bücher sollte
       verfilmt werden und sowohl der Regisseur als auch die Produzentin hatten
       großes Interesse daran, dass Hortense Ulrich selber am Drehbuch
       mitarbeitete. Der Roman heißt „How to be really bad“, der Film „Meine
       teuflisch beste Freundin“ und das Buch zum Film schrieb Hortense Ullrich
       dann auch noch. So wurde sie für die gleiche Geschichte dreimal bezahlt –
       auch das ist ein Kunststück.
       
       Noch wichtiger war aber, dass der Film, obwohl er ungünstig im heißen
       Sommer des vergangenen Jahres in die Kinos kam, mit über 300.000
       Zuschauer*innen erfolgreich war, und Hortense Ullrich sich mit ihrer
       soliden und schnellen Arbeit einen Namen in der Filmbranche machen konnte.
       
       ## Mit blauen Augen zu Disney
       
       So bekam sie den Auftrag, bei dem ersten Kinofilm mit dem von Peter Maffay,
       Rolf Zuckowski und Gregor Rottschalk geschaffenen kleinen grünen Drachen
       Tabaluga am Drehbuch mitzuarbeiten. Das ursprüngliche Autorenteam hatte
       Probleme des Drehbuchs nicht lösen können. Ullrich kam dann spät zum
       Projekt und hatte entscheidenden Anteil an der Fertigstellung des
       Drehbuchs.
       
       Dies ist in der Filmbranche üblich. Es gibt oft mehrere Entwürfe der
       Drehbücher, bei denen dann auch die Autor*innen wechseln. „Tabaluga – der
       Film“ startete Ende des vergangenen Jahres in den Kinos und war so
       erfolgreich, dass eine Fortsetzung geplant ist – zu der dann Hortense
       Ullrich den Auftrag bekam, diesmal alleine das Drehbuch zu schreiben.
       
       Und dann ist da noch Disney: Die deutsche Produktionsfirma Blue Eyes
       Fiction gab Hortense Ullrich den Auftrag, einen Roman aus der britischen
       Mädchenbuchreihe „Sprite Sisters“ von Sheridan Winn für einen Kinofilm zu
       adaptieren, und das Drehbuch mit dem Titel „Vier zauberhafte Schwestern“
       gefiel den Studiobossen von Disney Deutschland so gut, dass der Megakonzern
       nun den Film koproduziert. Auch er ist inzwischen abgedreht und kommt im
       Januar 2020 in die Kinos.
       
       Im Moment arbeitet Hortense Ullrich an drei Kinoprojekten, darunter auch
       eine Fortsetzung von „Meine teuflisch beste Freundin“. Bücher wird sie in
       der nächsten Zeit wohl keine mehr schreiben.
       
       Aber wie erklärt sich solch ein außergewöhnlicher Erfolg? Hortense Ullrich
       schreibt, was sie selber „gehobene Unterhaltung“ nennt. Sie versteht sich
       selber dabei als „Handwerkerin“, hat also keine abgehobenen künstlerischen
       Ambitionen. Tatsächlich traute sie sich am Anfang ihrer Karriere als
       Autorin selber gar nicht zu, Romane zu schreiben. Sie arbeitete als
       Journalistin und wollte Drehbücher für Vorabendserien schreiben.
       
       ## Arbeit als Hausfrau
       
       Ihr erster Auftrag war eine Serie für das ZDF über das bewegte Leben in
       einer Werbeagentur mit dem Titel „Die Werbemacher“. Dieser deutsche
       Vorläufer von „Mad Men“ wurde geschrieben, bezahlt und nie produziert, aber
       Hortense Ullrich war auf den Geschmack gekommen. Als 30-Jährige zog sie
       dann für acht Jahre mit ihrem Mann in die USA, bekam dort zwei Töchter und
       arbeitete als Hausfrau.
       
       Zurück in Deutschland nutzte sie ihre Auslandserfahrungen und adaptierte
       amerikanische Drehbücher, die in Hollywood niemand verfilmen wollte und
       schließlich bei RTL in Deutschland landeten. Titel wie „Vergewaltigt – Eine
       Frau schlägt zurück“ und „Zerschmetterte Träume – Eine Liebe in Fesseln“
       lassen erahnen, was von diesen Fernsehfilmen zu halten war.
       
       Hortense Ullrich sagt selber dazu, sie „war nicht mehr jung und brauchte
       das Geld“. Doch in den späten 1990er-Jahren wusste sie auch, was sie
       schreiben wollte: „Wilde Sachen für Kinder“. Und sie bekam den Auftrag,
       eine Serie über ein kleines Mädchen zu entwickeln, das glaubt, zaubern zu
       können.
       
       ## Jugend- und Rentnerromane
       
       Auch hier schrieb sie einige Drehbücher, auch diese Serie wurde nie
       gedreht, aber eine ihrer Produzentinnen kannte einen Lektor vom Thienemann
       Verlag, dieser schlug Hortense Ullrich vor, ihre Geschichte von der kleinen
       Jojo, die Angst hat, dass sie ihre Zauberkräfte verliert, wenn sie einen
       Jungen küsst, als Jugendroman in der Reihe „Freche Mädchen – freche
       Bücher!“ zu veröffentlichen. Ohne es darauf angelegt zu haben, wurde
       Ullrich dann zu einer international erfolgreichen Jugendbuchautorin, deren
       Romane auch in Südkorea, China und Russland gelesen wurden.
       
       Diese Nische hält sie jetzt auch als Drehbuchautorin besetzt. In ihren
       Geschichten erzählt sie von Fantasiewelten, in denen junge Mädchen zaubern
       können oder mit dem Teufel persönlich verwandt sind. Sie erleben eher
       komische als dramatische Abenteuer („Herzschmerz ist nicht mein Ding!“) und
       damit kann Hortense Ullrich ihr junges Publikum begeistern.
       
       Ihre Rentnerromane mit Titeln wie „Atmen Sie normal weiter“ sind dagegen
       keine Bestseller geworden, aber der Jugendfilm ist in Deutschland ein sehr
       begrenzter Markt. Deshalb plant sie auch eine Fernsehserie. Mit der wäre
       der Kreis zu ihren Anfängen geschlossen.
       
       23 Aug 2019
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Wilfried Hippen
       
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