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       # taz.de -- Proteste in Hongkong: Erstmals schießt die Polizei
       
       > Die Demos in Hongkong sind lange Zeit friedlich geblieben. Nun
       > eskalierten sie: Protestierende warfen Brandsätze, ein Polizist gab einen
       > Schuss ab.
       
   IMG Bild: Tränengas verschießen sie schon lange: Am Wochenende schoss ein Polizist erstmals aus einer Pistole
       
       Hongkong taz | Nach zuletzt elf Tagen friedlicher Demonstrationen ist in
       Hongkong am Wochenende die Gewalt wieder eskaliert. Unter dem Jubel von
       Zuschauern fällten am Samstagabend Demonstranten im Stadtteil Kwun Tong mit
       einer Kettensäge einen Laternenmast, an dem eine sogenannte smarte Kamera
       hing. Diese Kameras sind nach Ansicht von Demonstranten mit
       Gesichtserkennungssoftware ausgerüstet. [1][Hongkongs] Regierung weist das
       zurück. Die „smarten“ Laternenpfähle sammelten lediglich Daten zu Verkehr,
       Wetter und Luftqualität.
       
       Bei Auseinandersetzungen mit der Polizei setzten einige Demonstranten in
       der Nacht zu Sonntag neben Pflastersteinen und Bambusstöcken erstmals
       Molotowcocktails ein. Ob es wirklich Demonstranten oder Provokateure waren,
       ist unklar. Die Polizei ging mit Tränengas und Pfefferspray vor und fuhr
       zum ersten Mal Wasserwerfer auf.
       
       Erstmals gab ein Polizist laut der Agentur AFP aus seiner Dienstpistole
       während der Demonstration einen Schuss ab. Dies ist erst der zweite Fall,
       dass ein Polizist in den seit Wochen andauernden Protesten überhaupt seine
       Schusswaffe gezogen hat. Laut Polizei wurden am Samstag 29 Demonstranten
       festgenommen. Hongkongs Regierung verurteilte den „Vandalismus“ und die
       gewalttätigen Demonstranten.
       
       Nach der friedlich verlaufenen Großdemonstration am Sonntag vor acht Tagen
       mit 1,7 Millionen Teilnehmern, die trotz strömenden Regens für Demokratie
       und gegen die politische und wirtschaftliche Dominanz Chinas dem Aufruf der
       Civil Human Rights Front zum Protest gefolgt waren, war Hoffnung auf eine
       friedliche Lösung des Konflikts aufgekommen. Noch am Freitag [2][hatten
       130.000 Menschen friedlich eine Kette quer durch die Stadt gebildet].
       
       Seit drei Monaten kommt es in Hongkong fast täglich zu Demonstrationen,
       gegen China und die pekingtreue Regierung von Carrie Lam. Viele Hongkonger
       sehen mit Angst und Wut die zunehmende Aushöhlung des Prinzips „Ein Land,
       zwei Systeme“ durch Chinas Regierung. Bei der Rückgabe Hongkongs an China
       1997 durch die Kolonialmacht Großbritannien war vertraglich vereinbart
       worden, dass Hongkong als chinesische Sonderverwaltungszone für 50 Jahre
       einen autonomen Status genießt.
       
       ## Forderung nach Untersuchung der Polizeigewalt
       
       Auslöser der Massenproteste war ein Gesetzentwurf, der die Auslieferung von
       Straftätern an die Volksrepublik China ermöglichen sollte und damit das
       rechtsstaatliche Hongkonger Justizsystem gefährdet hätte.
       
       Am Samstag kamen 19 prominente Persönlichkeiten aus Politik und
       Gesellschaft zu einer „Plattform für Dialog“ zusammen, die Regierungschefin
       Lam nach der friedlichen Kundgebung vom 18. August einberufen hatte.
       [3][Laut der South China Morning Post] soll sich mehr als die Hälfte der
       Teilnehmer für eine öffentliche Untersuchung der Ursachen der Proteste und
       der unverhältnismäßigen Polizeigewalt sowie für die endgültige Absage des
       Auslieferungsgesetzes ausgesprochen haben. Dies sind auch Hauptforderungen
       der Protestbewegung.
       
       In Shenzhen jenseits der Grenze zu China diskutierten am Wochenende
       pekingtreue Hardliner andere Lösungsmöglichkeiten der Krise. „Die in
       Hongkong stationierten Soldaten sind keine Vogelscheuchen, die nur in der
       Garnison stehen. Sie sind vielmehr ein wichtiger Teil des Prinzips ‚Ein
       Land, zwei Systeme‘“, sagte die Hongkonger Hardlinerin Maria Tam Wai-chu
       [4][laut der Global Times], die als Sprachrohr von Chinas Kommunistischer
       Partei gilt.
       
       Mit Nervosität wird in Hongkong und China der für den 31. August geplanten
       nächsten Großdemonstration entgegengesehen, die Hongkongs schwerste Krise
       seit der Übergabe 1997 weiter verschärfen könnte. An dem Tag vor fünf
       Jahren hatte Peking der Einführung des allgemeinen Wahlrechts in Hongkong
       eine endgültige Absage erteilt.
       
       26 Aug 2019
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] /Hongkong/!t5012792
   DIR [2] /Protest-in-Hongkong/!5620451
   DIR [3] https://www.scmp.com/news/hong-kong/politics/article/3024231/chaos-tear-gas-and-violence-return-streets-hong-kong
   DIR [4] http://www.globaltimes.cn/content/1162534.shtml
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Michael Lenz
       
       ## TAGS
       
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   DIR Schwerpunkt Polizeigewalt und Rassismus
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