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       # taz.de -- Berliner Mietendeckel: Das richtige Signal
       
       > Über den geleakten Entwurf der Berliner Senatorin Lompscher schäumt die
       > Lokalpresse. Dabei macht die Politikerin bloß ihren Job: linke Politik.
       
   IMG Bild: Ist bald Schluss mit der Bezettelei vor lauter Wohnungsnot? Katrin Lompscher hat Großes vor
       
       Man soll das Gewicht politischer Maßnahmen ja nicht nur anhand der
       Reaktionen ihrer Gegner*innen messen. Ein starkes Indiz dafür, dass
       [1][Katrin Lompscher], linke Berliner Senatorin für Stadtentwicklung, sich
       auf dem richtigen Weg befindet, ist das ihr entgegenschlagende Gekeife aber
       allemal. Denn kaum macht eine linke Politikerin linke Politik, also das,
       wofür sie mutmaßlich in ihr Amt gewählt wurde, fletscht das scheue Reh
       Rendite sogleich die Zähne.
       
       Ein Arbeitspapier aus dem Haus der Senatorin zum geplanten Mietendeckel
       macht die Runde und die Lokalpresse hyperventiliert: „Die Linken zünden
       Berlin an“, kreischt die [2][Morgenpost], man könnte fast meinen, es sei
       Mai 1945 – oder mindestens 1987, als am Tag der Arbeit in Kreuzberg der
       Bolle-Supermarkt in Flammen stand. Die [3][B.Z.] sagt immerhin schon in der
       Überschrift, was das Thema ist. „Dieser Mietendeckel ist nichts anderes als
       Enteignung“, heißt es da. Auch Tagesspiegel und Berliner Zeitung entdecken
       ihr Herz für Kleinvermieter*innen und andere sozial Benachteiligte. Worum
       es aber wirklich geht, merkt die ortsfremde [4][FAZ ] in empathischer
       Nüchternheit an: Die Aktien von Immobilienkonzernen sinken.
       
       Inwieweit Lompschers Idee zu einem Mietendeckel, der so drastisch in den
       Markt eingreifen würde, dass selbst Bestandsmieten abgesenkt werden
       müssten, wirklich Gesetz wird, ist dabei völlig offen. Schließlich gibt es
       ja noch zwei Koalitionspartner, und selbst in der Linkspartei ist
       keineswegs garantiert, dass nicht die einen oder anderen noch Angst vor der
       eigenen Courage bekommen. Das Signal aber ist gesetzt.
       
       Ob von ihr selber so gewollt oder nicht, eine Woche vor den Landtagswahlen
       in Sachsen und Brandenburg demonstriert die Berliner Senatorin ein Maß an
       politischer Entschlossenheit, das nicht nur in der Wohnungspolitik seit
       Jahren fehlt. In Potsdam oder Dresden dürfte diese Botschaft, dass die
       Linkspartei, einmal gewählt, auch Ernst macht, durchaus nicht die
       schlechteste sein.
       
       ## Botschaft mit Drohpotenzial
       
       Perspektivisch noch viel wichtiger als kurzfristig wirksame tatsächliche
       Mietendeckelung oder gar -absenkung ist dabei das Drohpotenzial von
       Lompschers Botschaft: dass die immer weiter steigende Renditeerwartung bei
       Immobilienspekulationen durch einen ordnenden staatlichen Eingriff
       empfindlich gekappt werden könnte. Lompscher macht deutlich, dass es in der
       Metropole eben nicht darum geht, einen für Investor*innen (ob groß oder
       klein) attraktiven Immobilienmarkt zu schaffen, sondern bezahlbaren
       Wohnraum für Menschen.
       
       Und nein, da gibt es keinen Ausgleich ohne harte Regulierung, denn
       Profitinteresse und Anspruch auf Daseinsvorsorge sind schlicht
       unversöhnliche Gegensätze. Das Kräfteverhältnis zwischen beiden Polen wurde
       dabei immer wieder aufs Neue für Jahrzehnte im Voraus zugunsten der
       Immobilienlobby justiert. Warum sollte linke Politik diesen Zustand nicht
       versuchen zu ändern?
       
       Die Durchschlagskraft einer angedrohten Regulierung, die die bisher alles
       bestimmende Profitlogik angreift, wird sich zwar erst mittel- und
       langfristig beurteilen lassen. Auf jeden Fall aber dreht sie schon heute an
       einem größeren Rad als die misslungene Mietpreisbremse oder kommunale
       Vorkaufsrechte bei überteuerten Immobilien. Nicht zuletzt deshalb, weil sie
       im besten Sinne rücksichtslos die Interessen des vermeintlich gottgegebenen
       Marktes ignoriert. Da ginge selbstverständlich mehr, eine Jakobinermütze
       aber trägt die Senatorin ganz sicher nicht, auch wenn die ihr bisweilen
       angedichtet wird.
       
       Man kann natürlich unterschiedlicher Ansicht darüber sein, ob es
       prinzipiell legitim ist, Profit aus dem Eigentum an Grund und Boden zu
       schlagen. Katrin Lompscher will in dieser Angelegenheit ganz offensichtlich
       da eine Grenze ziehen, wo das Grundbedürfnis auf angemessenen und
       bezahlbaren Wohnraum nicht mehr befriedigt wird. Die Senatorin nutzt
       deshalb jetzt die ihr zur Verfügung stehenden Mittel, um das
       Kräfteverhältnis in dieser Arena auf längere Sicht entsprechend ihren
       Überzeugungen zu beeinflussen. Und das muss ihr erst mal jemand nachmachen.
       
       27 Aug 2019
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] /Wohnungsmarkt-in-Berlin/!5617777
   DIR [2] https://www.morgenpost.de/kolumne/article226875501/Die-Linken-zuenden-Berlin-an.html
   DIR [3] https://www.bz-berlin.de/berlin/dieser-mietendeckel-ist-nichts-anderes-als-enteignung
   DIR [4] https://www.faz.net/aktuell/finanzen/berliner-mietendeckel-belastet-immobilienunternehmen-16352058.html
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Daniél Kretschmar
       
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