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       # taz.de -- Klimanotstand auf dem Land: Ein bisschen anschlussfähiger bitte
       
       > Das Bewusstsein für die globale Klimakatastrophe zu schärfen, ist
       > wichtig. Die Kunst besteht darin, möglichst viele dabei mitzunehmen.
       
   IMG Bild: An der Havel muss man schon genau hinsehen, um den Klimanotstand zu entdecken
       
       Hallihallo! Der Notstand naht! Oder besser: Er ist schon da. Auch in meiner
       kleinen Gemeinde in Brandenburg gibt es mittlerweile eine Gruppe
       umweltbewusster Menschen, die wollen, dass die Stadtverwaltung offiziell
       den Klimanotstand ausruft. Aber was heißt „wollen“? Das ist eine Forderung.
       
       Im Grunde ist so ein Klimanotstand eine tadellose Sache. Das Stadtparlament
       stellt fest, was ohnehin bekannt ist: dass unsere liebe Erde ein Problem
       hat. Und die Verwaltung erklärt sich deshalb bereit, künftig bei allen
       Themen klimapolitische Folgen mitzudenken. Am besten auch gleich die
       klügeren Entscheidungen zu treffen, wenn es etwa um die bauökologische
       Sanierung der Grundschule geht, um Parkplätze und Radwege.
       
       Das Problem ist, wie so oft in der Politik, die Verkaufe. Notstand – bei
       diesem Wort sehe ich unseren gewesenen Landesvater Matthias Platzeck den
       gebrochenen Oderdeich inspizieren. Ich höre Lalülala und Bombenalarm und
       sehe einen Bunker vor mir, gefüllt mit Trinkwasser, Klopapier und den
       letzten trockenen Streichhölzern. Was ich hingegen nicht sehe, ist unsere
       kleine grüne Stadt, die sich gemütlich ans Flussufer schmiegt und in der
       wir eher zu viel als zu wenig Biomasse zu haben scheinen, schaue ich mir
       die riesigen illegalen Rasenschnitthaufen am Waldesrand an.
       
       Im Ernst. Natürlich hat Greta Thunberg recht. Überhaupt alle, die
       angesichts schmelzender Gletscher und brennender Regenwälder nicht mehr so
       weiterleben wollen und können wie bisher. Und selbstverständlich handelt es
       sich um denkfaule und langweilige Personen, die rhabarbern, solange die
       Leute in Indien und China weiter ihre Umwelt versotten, sähen sie für sich
       persönlich keinen Handlungsbedarf. Sollen doch deutsche Ingenieure was
       erfinden!
       
       Aber. Wäre es nicht sinnvoll, wenn umwelt- und klimapolitisches Handeln
       auch anschlussfähig wäre? Und wäre es nicht die klügere Haltung der
       NotstandsverfechterInnen, mal von diesem Zerstörervokabular runterzukommen
       und in einfachen Worten zu erklären, was zu gewinnen wäre? Wie viel schöner
       und leichter unser Leben sein könnte, wenn wir zusammen was auf die Beine
       stellten? Man ist ja lieber bei den Coolen dabei statt bei den
       Bescheidwissern. Stattdessen: Längliche und Widerspruch eher nicht
       schätzende Belehrungen in der kleinstädtischen Facebook-Gruppe, in der
       durchaus Leute ohne eigenen Garten und ohne Geld für den Bioladen unterwegs
       sind.
       
       Gerade wurde auf dem Spielplatz der Eichenprozessionsspinner festgestellt.
       Der Buchsbaumzünsler zerstört die Hecken. Die Badestelle verlandet.
       Gartenwasserpumpen fallen trocken. Und schon im August färbt sich das Laub
       des Hartriegels rot. Alles Klimawandel, alles Scheiße. Wir spüren: Da geht
       was kaputt. Eine freundliche Einladung zum Mitmachen wäre echt nett. Dann
       klappt's auch mit den Nachbarn.
       
       28 Aug 2019
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Anja Maier
       
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