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       # taz.de -- Koalitionsbruch in Rumänien: Liberale steigen aus
       
       > Gibt es ein Misstrauensvotum? Das ist genauso unklar wie die Frage, ob
       > sich die sozialdemokratische Premier Viorica Dăncilă halten kann.
       
   IMG Bild: Raus aus der Regierung: Der Chef der Liberalen Calin Popescu Tariceanu
       
       Berlin taz | Kurz vor den Präsidentschaftswahlen am 10. November hat die
       liberale ALDE sich aus Rumäniens Regierung verabschiedet: Am Montag
       verkündete ihr Chef Călin Popescu-Tăriceanu den Ausstieg aus der Koalition
       mit der sozialdemokratischen PSD, die auch die Premierministerin Viorica
       Dăncilă stellt.
       
       Tăriceanu warf der Regierungschefin vor, sie habe zuletzt enger mit
       Präsident Klaus Iohannis als mit dem eigenen Koalitionspartner
       zusammengearbeitet: „Mein Vertrauen wurde gravierend erschüttert, weil Frau
       Dăncilă eine Reihe von Entscheidungen ohne Beratung mit mir getroffen hat“,
       sagte Tăriceanu. Stattdessen habe sie sich mit Iohannis abgesprochen.
       Tăriceanu erklärte, seine Partei werde im Fall eines Misstrauensantrags mit
       anderen Oppositionsparteien gegen Dăncilă stimmen.
       
       „Wir sind jetzt in einer echten Krisensituation“, kommentierte ein
       Abgeordneter der PSD am Dienstag. Es herrsche Chaos, alle Entwicklungen
       seien denkbar, sagte der Politiker, der anonym bleiben will.
       
       Im rumänischen Fernsehen hatte Premierministerin Dăncilă am Dienstag
       verkündet, dass sie im Amt bleiben wolle. Aktuell ist aber mindestens
       unsicher, ob sie weiter regieren kann: Alle großen Parteien haben sich
       gegen sie ausgesprochen.
       
       ## Datum unklar
       
       Bei einem Misstrauensvotum wollen weder ALDE, noch die Partei der
       ungarischen Minderheit UDMR oder die bürgerlichen PNL und USR für sie
       stimmen. Wann genau das Misstrauensvotum gegen Dăncilă stattfinden wird,
       blieb unklar. Bis Redaktionsschluss hatte keine Partei den Antrag für ein
       Votum eingereicht.
       
       Der Chef der PNL, Ludovic Orban, hatte jedoch angekündigt, er sammele auch
       in anderen Oppositionsparteien Stimmen gegen Dăncilă. Er werde das Votum
       beantragen, sobald die notwendigen 233 Stimmen vorlägen.
       
       Momentan verfügt die PSD nur über 205 von 465 Stimmen im Parlament. Per
       Gesetz muss die Premierministerin innerhalb von 45 Tagen eine neue
       Regierung präsentieren oder ein Misstrauensvotum überstehen. Sollte Dăncilă
       verlieren, müsste Präsident Iohannis eine*n Nachfolger*in benennen. Bis zu
       den Präsidentenwahlen darf kein neues Parlament gewählt werden.
       
       Wegen der Präsidentschaftswahlen ist der Austritt aus der Koalition wohl
       auch ein Wahlkampfmanöver: Tatsächlich ist das Verhältnis zwischen
       Präsident Iohannis und der regierenden PSD schlecht. Iohannis und die PSD
       liegen bei vielen Themen im Streit.
       
       ## Lektion erteilen
       
       Am 26. Mai hatte Iohannis per Dekret ein Referendum über die stark
       umstrittenen Justizreformen durchführen lassen. Er sprach davon, der
       Regierung damit „eine Lektion“ erteilen zu wollen – was ihm gelang. Über 8o
       Prozent sprachen sich gegen die Justizreformen aus. Bei der am selben Tag
       stattfindenden Europawahl büßte die PSD zu dem viele Stimmen ein. Mit rund
       23 Prozent erlitt sie deutliche Verluste. Kurz darauf musste der frühere
       PSD-Chef Liviu Dragnea eine dreieinhalbjährige Haftstrafe wegen Anstiftung
       zum Amtsmissbrauch antreten.
       
       Trotz der Krise ihrer Partei will Viorica Dăncilă neben Klaus Iohannis, Dan
       Barna von der USR und Mircea Diaconu für das Präsidentenamt kandidieren.
       Aktuell gilt Klaus Iohannis als Favorit. Er steht der bürgerlichen
       Oppositionspartei PNL nahe und führt in Umfragen mit 41 Prozent.
       
       Die ALDE hofft auf Mircea Diaconu. Der frühere Schauspieler wird als
       unabhängiger Kandidat antreten und genießt auch die Unterstützung der
       linken Oppositionspartei Pro Romania des früheren Premiers Victor Ponta. Da
       vermutlich kein Kandidat im ersten Durchgang die absolute Mehrheit erzielt,
       wird die Entscheidung wohl bei einer Stichwahl am 24. November fallen.
       
       27 Aug 2019
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Lina Verschwele
       
       ## TAGS
       
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