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       # taz.de -- Sechstes Hamburger Frauenhaus kommt: „Explizit offen für Transfrauen“
       
       > Hamburg bekommt ein neues Frauenhaus. Der Verein „6. Autonomes
       > Frauenhaus“ möchte dort neuere feministische Konzepte umsetzen.
       
   IMG Bild: Offen für neue Perspektiven: eine Frau im Frauenhaus
       
       taz: Frau Fischer, die [1][Ausschreibung für die Trägerschaft] des sechsten
       Hamburger Frauenhauses läuft europaweit. Warum meinen Sie, es wäre am
       besten, wenn Sie den Zuschlag bekommen? 
       
       Maria Fischer: Die Frauenhauslandschaft in Hamburg ist ja schon maßgeblich
       durch autonome Häuser geprägt. Die Prinzipien, die in den bestehenden
       Häusern erfolgreich angewandt werden, würden auch unsere Arbeit bestimmen.
       Aber es wäre eine Chance, Veränderungen der feministischen Theorie der
       letzten Jahre aufzunehmen.
       
       Welche? 
       
       Zum Beispiel eine kritische Haltung zur binären Geschlechtervorstellung und
       eine intersektionale Sichtweise auf Macht- und Gewaltverhältnisse.
       
       Was würde eine solche intersektionale Sichtweise in der Praxis bedeuten? 
       
       Es bedeutet, die Biografien der Betroffenen unter analytischen Perspektiven
       zu betrachten, die außer patriarchalen Gewaltmustern noch andere
       einschließen können, zum Beispiel rassistische oder homophobe Gewalt. So
       können wir besser auf die individuellen Bedürfnisse der Frauen eingehen.
       
       Wie würde sich das auf Ihre Arbeit auswirken? 
       
       Wir haben uns Gedanken gemacht, wie Diskriminierungen auch im Haus abgebaut
       werden können und haben uns entschieden, im Team eine Quotierung
       festzuschreiben für Frauen mit rassistischen Diskriminierungserfahrungen.
       Außerdem soll das Haus explizit für Transfrauen offen sein. In den Anfängen
       der autonomen Frauenbewegung wurden solche Diskussionen nicht geführt, oder
       mit einem Verständnis, das wir heute nicht mehr teilen. Die älteren Häuser
       sind auch im Veränderungsprozess.
       
       Was bedeutet „autonom“ bei den [2][Autonomen Frauenhäusern]? 
       
       Zum einen parteipolitische und konfessionelle Unabhängigkeit. Außerdem
       lehnen wir Hierarchien ab. Im Team gibt es keine Leitungsfunktion, alle
       Mitarbeiter*innen arbeiten gleichberechtigt. Für die Bewohner*innen heißt
       das, dass man nicht die paternalistische Position, die vorher meist der
       Mann besetzt hat, durch die Mitarbeiter*in des Frauenhauses ersetzt.
       
       Das bedeutet auch mehr Verantwortung für die Bewohner*innen. 
       
       Ja, und die Frauen werden bei ihren eigenen Lösungsvorstellungen
       unterstützt. Die einzelnen Schritte werden immer besprochen, die Frauen
       gestalten sie nach ihren Bedürfnissen. Der alte Slogan der
       Frauenhausbewegung – „Hilfe zur Selbsthilfe“ – gilt noch.
       
       Überfordert das manche Frauen? 
       
       Sie kommen ja in Krisensituationen. Die Überforderung liegt darin, dass sie
       durch die Gewalterfahrung meistens länger nicht mehr die Möglichkeit
       hatten, ihre Leben selbstbestimmt zu gestalten. Aber da gibt es große
       Unterschiede, es gibt nicht die klassische Bewohner*in.
       
       Seit zwei Jahren gibt es die zentrale Notaufnahme der Hamburger
       Frauenhäuser. Was hat sich verändert? 
       
       Es ist eine deutliche Entlastung. Vorher haben sich die Autonomen Häuser
       mit dem Notdienst abgewechselt. In dem Haus, was dran war, wurde der
       24/7-Dienst in den Bürozeiten über die Mitarbeiter*innen abgedeckt, aber
       nachts und am Wochenende haben die Bewohner*innen diese Arbeit gemacht –
       unentgeltlich. Das war für die Frauen, die ja ihre eigenen schwierigen
       Biografien haben, eine Belastung.
       
       Wie läuft eine Aufnahme? 
       
       Wenn eine Frau anruft und akut von Gewalt betroffen ist, trifft man sich an
       einem vereinbarten Treffpunkt. Die Frau schildert ihre Situation und
       bekommt ein Zimmer, Kleidung oder Duschzeug, wenn sie das braucht. Im
       Aufnahmegespräch wird die Gefährdungslage geklärt – in welchen Stadtteilen
       ist sie in Gefahr, hat sie Kinder und so weiter. Dann wird ein Platz
       gesucht.
       
       Und immer gefunden? 
       
       Die Hamburger Häuser sind oft voll. Dann wird im Speckgürtel gesucht, in
       Schleswig-Holstein, Niedersachsen [3][oder weiter weg]. Gerade für Frauen
       mit mehreren Kindern ist es schwierig. Der Lebensraum im Frauenhaus ist
       sehr beengt. Im ländlichen Raum wohnen die Frauen teilweise in
       Sechsbett-Zimmern. Dabei haben sie nach den Gewalterfahrungen immer ein
       erhöhtes Ruhebedürfnis.
       
       Wer steht hinter dem Verein, der sich auf die Trägerschaft für das sechste
       Haus bewirbt? 
       
       Wir sind 30 Personen, Männer ausgeschlossen. Allerdings sehen wir den
       Begriff Frau als politische Kategorie, die die Erfahrung von
       Diskriminierung und misogyner Gewalt beschreibt.
       
       So negativ definieren Sie „Frau“? 
       
       Für die Arbeit, die wir machen, ist das leider die Zielgruppe.
       
       20 Aug 2019
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] https://www.hamburg.de/basfi/ausschreibungen/12777402/sechstes-frauenhaus/
   DIR [2] https://www.autonome-frauenhaeuser-zif.de/de/content/autonome-frauenh%C3%A4user
   DIR [3] /Schutzraeume-im-Norden-ueberfuellt/!5415805/
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Katharina Schipkowski
       
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