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       # taz.de -- Arbeiten trotz Rente: 450-Euro-Jobber im Ruhestand
       
       > Eine Aufgabe behalten, mal rauskommen, etwas hinzuverdienen. Seit der
       > Jahrtausendwende hat sich die Zahl der arbeitenden Rentner fast
       > verdreifacht.
       
   IMG Bild: Rentner*innen stellen die größte Gruppe unter den 450-Euro-Jobbern
       
       Nürnberg/Berlin dpa | Gelernt ist gelernt: Klaus David hat das
       Armaturenbrett einer Lok aufgeklappt, Kabel und Kontakte schauen heraus,
       David prüft die Spannung. Der Elektriker arbeitet an der Beleuchtung. „Bis
       zu 250 Meter Kabel werden für die LED-Umrüstung einer solchen Lok
       verwendet“, erklärt David im Nürnberger Bahnwerk. Er kennt die Fahrzeuge
       genau, arbeitet er doch schon seit 49 Jahren bei der Bahn. Eigentlich ist
       David längst im Ruhestand. [1][Doch er macht weiter – so wie immer mehr
       Rentner in Deutschland.]
       
       Von der Jahrtausendwende bis 2018 stieg die Zahl der erwerbstätigen Rentner
       laut Bundesarbeitsministerium von 530.000 auf 1,445 Millionen. Jeder
       Zwölfte verdient sich heute im Ruhestand etwas hinzu.
       
       Seit Anfang vorigen Jahres ist auch Klaus David Rentner. Doch an ein paar
       Tagen im Monat geht der 64-Jährige weiter ins Werk, morgens um sechs. 24
       Stunden macht er im Monat, rüstet an Fahrzeugen Beleuchtung und
       Klimaanlagen um, prüft Stromabnehmer. „In erster Linie ist es so, dass ich
       meine Rente aufstocken wollte“, erklärt der gelernte Starkstromelektriker.
       Da kam es David gelegen, dass der Chef ihn bat weiterzumachen.
       
       „Senior expert“ nennt die Bahn rund 500 Kollegen, die als Rentner an Bord
       bleiben. Das Unternehmen will sich ihr Wissen und ihre Erfahrung länger
       sichern. Den Fachkräftemangel spürt nicht nur der Staatskonzern. Rentner
       springen für Bademeister in Freibädern ein, damit diese nicht schließen
       müssen. Sie tragen Zeitungen aus oder bleiben eben in ihren alten Jobs.
       Unter den Menschen mit 450-Euro-Jobs bilden Rentner laut Bundesagentur für
       Arbeit inzwischen die größte Gruppe.
       
       ## Rentner gleichen Personalmangel aus
       
       In den ersten drei Jahren nach Rentenbeginn arbeitet noch fast jeder
       Dritte, Frauen etwas häufiger als Männer. Das hat das Institut für
       Arbeitsmarkt- und Berufsforschung auf Grundlage einer Umfrage ermittelt. Um
       Fachkräfte zu sichern, bildeten Menschen kurz vor oder in der Rente ein
       „bedeutendes Aktivierungspotenzial“, heißt es bei dem hauseigenen Institut
       der Bundesagentur für Arbeit.
       
       Ruheständler sind begehrt. Gerade hat das Land Berlin 250 Lehrer aus der
       Pension zurückgeholt, weil sonst Personal fehlt. Seit Monaten buhlt etwa
       auch die Ostdeutsche Eisenbahngesellschaft um Rentner. Sie sollen Züge
       steuern und im Service tätig werden – doch bislang hat sich nach
       Unternehmensangaben niemand beworben.
       
       „Jeweils rund 90 Prozent der erwerbstätigen Rentner haben Spaß bei der
       Arbeit, brauchen den Kontakt zu anderen Menschen oder wünschen sich
       weiterhin eine Aufgabe“, nennt das IAB die wichtigsten Umfrageergebnisse.
       Gut die Hälfte der Männer und knapp zwei Drittel der Frauen gaben aber
       außerdem an, dass sie das Geld brauchen.
       
       ## Die Rente reicht nicht
       
       Das Arbeitsministerium erwartet, dass künftig noch mehr Rentner arbeiten,
       weil Lebensentwürfe sich veränderten und die Baby-Boomer-Generation nun in
       das Alter komme. Sozialverbände verweisen dagegen immer wieder auf die
       Rentenhöhe, die sie in vielen Fällen für zu gering halten.
       
       [2][Jede zweite Altersrente liegt unter 900 Euro im Monat], wie die
       Bundesregierung kürzlich mitteilte. Das monatliche Haushaltseinkommen ist
       meist höher. Laut Rentenversicherungsbericht 2018 hatten Ehepaare bei
       Haushalten mit einer Person in Rente 2015 im Westen ein Nettoeinkommen von
       2572 Euro, in Ostdeutschland von 2257 Euro. Bei Alleinstehenden sind es
       jeweils 900 bis 1.100 Euro weniger.
       
       „Ich kenne viele, die nebenbei einen Job machen“, sagt Bahn-Elektriker
       David. „Solange die Gesundheit mitmacht, mache ich das gerne.“ Nächsten
       Monat wird David 65. Das bedeutet für ihn noch nicht Schluss mit Arbeiten,
       das 50. Dienstjubiläum ist in Sichtweite. Er denkt daran, dass er dann mehr
       zur Rente hinzuverdienen darf. Mit dem nächsten Jahresvertrag will er seine
       Stundenzahl aufstocken.
       
       19 Aug 2019
       
       ## LINKS
       
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