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       # taz.de -- Rückmeldung für Hamburgs Lehrer: Wenn Schüler Noten geben
       
       > Hamburg führt an 50 Pilotschulen ein digitales Schülerfeedback ein.
       > Teilnahme ist freiwillig. Die Kritik: Schüler haben auf die Fragen wenig
       > Einfluss.
       
   IMG Bild: Wie gut nimmt der Lehrer die Schüler mit? Dazu gibt es digitale Fragenkataloge
       
       Hamburg taz | Nach dem Vorbild Berlins und Brandenburgs führt Hamburg ein
       digitales „Schülerfeedback“ ein. Ab dem 25. September wird ein Portal
       freigeschaltet, auf dem Lehrer einen Fragenkatalog über ihren Unterricht
       freischalten können. Die Schüler der zu befragenden Klasse bekommen dann
       einen Zugangs-Code, mit dem sie anonym Fragen über ihre Lehrer und den
       Unterricht beantworten können.
       
       Schüler gehörten zu den „wichtigsten Ratgebern von Lehrkräften, wenn diese
       ihren Unterricht verbessern wollen“, sagte Schulsenator Ties Rabe (SPD).
       „Wir wollen keine Kontrolle oder Überwachung, sondern allen Lehrkräften
       helfen bei der Optimierung ihres Unterrichts.“
       
       Es soll zunächst für ein Jahr einen Pilotversuch geben, an dem 50 Schulen
       teilnehmen. Doch auch an den übrigen rund 330 Schulen können Lehrer sich
       bereits dieses Instruments bedienen. Die Teilnahme jedes Lehrers sei
       „freiwillig“, betonte Rabe. Eine Sicherheitstechnik sorge dafür, dass nur
       der Lehrer selbst, aber weder die Schüler noch die Vorgesetzten Zugriff auf
       die Daten haben.
       
       Das Verfahren an sich wirkt etwas starr: Der Fragebogen besteht aus 56
       Fragen zu zwölf Themenkomplexen wie Fehlerkultur, Klarheit, angstfreie
       Atmosphäre, Zeitnutzung oder Hausaufgaben. Dabei sind die einzelnen
       Aussagen stets positiv formuliert – wie „Im Unterricht fühle ich mich wohl“
       oder die Lehrerin „gibt sehr abwechslungsreiche Hausaufgaben“. Die Schüler
       sollen diese in vier Stufen mit „trifft überhaupt nicht zu“ bis „trifft
       voll und ganz zu“ ankreuzen.
       
       ## Zu viele Hausaufgaben?
       
       Anschließend füllt der Lehrer seinen eignen Bogen aus. Der Computer soll
       dann „blitzschnell“ die Schülerantworten auswerten und Mittelwerte für jede
       Frage ausspucken. Schülersicht und Lehrersicht sollen dann im Unterricht
       erörtert werden. „Ziel ist das gemeinsame Gespräch über beide Profile“,
       sagt Martina Dietrich vom Institut für Bildungsmonitoring, das den Versuch
       begleitet.
       
       Der Lehrer kann auch Frageblöcke weglassen oder eigene hinzutun. Die
       Schüler indes haben vom Prinzip her keinen Einfluss auf das Gefragte.
       Typische Fragen, etwa ob Zensuren als gerecht empfunden werden oder
       Hausaufgaben zu viel waren, kommen nicht vor.
       
       Für große Diskussionen sorgten in der Vergangenheit inoffizielle
       Lehrerbewertungportale im Internet, bei denen Schüler ihren Frust abließen
       und Lehrer sich an den Pranger gestellt sahen. Doch die Gefahr eines
       Missbrauchs des neuen Portals, etwa indem alle Schüler sich auf eine
       negative Bewertung verabreden, sieht die Schulbehörde nicht. „Der
       Fragebogen gibt nicht so viel Spielraum, sich alles von der Seele zu
       schreiben“, sagt Monika Renz vom Landesinstitut für Lehrerbildung.
       
       ## Auch die Fragen werden überprüft
       
       Rabe sagte, man werde nach einem Jahr die Erfahrungen mit dem Fragebogen
       auswerten. Möglicherweise werde dann auch besagte Frage nach zu vielen
       Hausaufgaben in die Liste aufgenommen. „Das müssen wir uns angucken.“
       
       Die Hamburger GEW-Vorsitzende Anja Bensiger-Stolze findet es grundsätzlich
       richtig, eine „Feedbackkultur zu stärken“. Doch die GEW habe erst jetzt
       davon erfahren und noch keine feste Meinung. Sie sei sich nicht sicher, ob
       dieses formelle Verfahren zu mehr Gesprächen oder vielleicht zu einer
       „Entfremdung“ führe. „Ich bin es gewohnt, dass Schüler mir Dinge direkt
       sagen“, so die Lehrerin.
       
       „Es ist traurig, dass es an unseren Schulen anscheinend an einer kritischen
       Fehler- und Lernkultur fehlt und nun der aufwendige digitale Umweg genommen
       werden muss“, sagt die linke Schulpolitikerin Sabine Boeddinghaus. Sie
       fordert, dass Schüler eigene Fragen einbringen können. „Stattdessen dürfen
       sie bloß Kreuzchen machen.“
       
       30 Aug 2019
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Kaija Kutter
       
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