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       # taz.de -- Jürgen Kaseks Engagement gegen rechts: Zwischen Demos und Partei
       
       > Jürgen Kasek ist ein Grüner, der der Antifa nahesteht. Das mögen nicht
       > alle, aber ihm ist das egal, erzählt er beim taz-Dinner in Dresden.
       
   IMG Bild: Redet gern: Jürgen Kasek
       
       Dresden taz | Wein, Bier und Wasser stehen schon auf dem Tisch. Es wird
       später lauwarmes Gazpacho und Pasta mit Sommergemüse und frischem Basilikum
       geben. Dienstagabend in Dresden-Plauen. Jürgen Kasek kocht für die
       Sachsen-WG. Der Polit-Aktivist, alleinerziehender Vater und Rechtsanwalt
       sitzt seit Mai 2019 für die Grünen im Leipziger Stadtrat. Der 38-Jährige
       ist aus Leipzig angereist. Da lebt und arbeitet er. Seine Partei liegt in
       den Umfragen zur Landtagswahl bei über 10 Prozent. Das ist doppelt so viel
       wie bei der Landtagswahl 2014. Ein Spitzenergebnis. Kasek kann sich
       trotzdem nicht freuen.
       
       Er verteilt Brettchen, Messer und Aufgaben. „25 Prozent AfD ist ein
       unbefriedigender Zustand für jede Demokratie“, sagt er. Diesen Zustand
       [1][haben die bisherigen Regierungen vorbereitet], meint Kasek. „Dass
       Sachsen Sachsen ist, hängt maßgeblich mit den letzten 30 Jahren zusammen –
       also auch mit der CDU.“
       
       Kasek ist schon sein ganzes Leben in Sachsen. Er hat sich hier politisiert
       – in einem Bundesland, in dem die CDU seit der Wende regiert. Es ist seine
       erste Freundin, die ihm ein Patch mit einem durchgestrichenen Hakenkreuz
       schenkt. Zu Schulzeiten hängt er mit den Punks in der Leipziger Innenstadt
       rum. Manchmal pöbeln sie vor dem Café Dresden am Bahnhof.
       
       „Da gab es Bier für eine Mark und Faschos“, sagt er. Kasek ist ein Grüner,
       der sich auch in der Antifa beheimatet fühlt. Manchmal zu links für die
       Parteifreund_innen. Es hilft, dass er seine Haltung über die Parteilinie
       stellt. An seinen Taten möchte er gemessen werden, gebe es doch nicht „die
       Grünen“ und „die Antifa“.
       
       ## Grüne Regierungsbeteiligung kaum vermeidbar
       
       Seit den 90er Jahren kämpft Kasek gegen Rechtsextremismus. Er organisiert
       Demos, hat über 52.000 Tweets veröffentlicht, viele mit antifaschistischem
       Inhalt, hat sich einen Namen gemacht. Er weiß, was Aktivismus in Sachsen
       bedeutet. „Du drehst dich um, guckst, ob da Leute sind“, erzählt er.
       Drohungen gehören dazu. Es helfe, dass Geschichten über ihn und seine
       vermeintlichen Schlägertrupps kursieren. Die gebe es natürlich nicht, aber
       wie Monty Pythons schwarzen Ritter schützten ihn diese in Nazikreisen
       verbreiteten Erzählungen
       
       Irgendwann brutzelt Toastbrot in Olivenöl und Knoblauch. Kasek erklärt, wie
       die Pastasoße gekocht wird. Die Landtagswahl kommt zur Sprache. Die Grünen
       und das Regieren. Ohne die Grünen wird die CDU in Sachsen kaum regieren
       können. Kenia, Schwarz-Rot-Grün, ist nach aktuellen Umfragen am
       wahrscheinlichsten. Kasek lehnt das ab. Weil die sächsische CDU so
       konservativ ist, aber auch weil die Grünen ihre Forderungen auch in der
       Regierung kaum umsetzen können.
       
       Das Polizeigesetz werde auf politischer Ebene nicht mehr angefasst,
       prognostiziert Kasek. Auch der Kohleausstieg 2038 sei auf Bundesebene
       beschlossene Sache. Kasek weiß aber auch, dass die grüne
       Regierungsbeteiligung kaum vermeidbar ist. In dem Fall müssten sich die
       Grünen dafür einsetzen, dass keine weiteren Dörfer abgebaggert werden.
       „[2][Pödelwitz muss bleiben]“, fordert Kasek für die südlich von Leipzig
       gelegene Siedlung.
       
       Bei der Bildung glaubt er, dass sich Grüne und CDU einigen könnten. Es sei
       klar, dass investiert werden müsse, der sächsische Lehrkräftemangel sei
       unbestreitbar. Das stärke auch den Wirtschaftsstandort Sachsen. Denn seit
       die AfD so stark ist, sagen Firmen, „zu euch will niemand“, schildert
       Kasek.
       
       ## Er kotzt im Strahl
       
       Kasek hält Vorträge, wenn man fragt, warum die AfD denn so stark sei. Es
       sei der Stolz auf Sachsen, glaubt Kasek. Das Wirtschaftswunder, die
       Landschaft. Er kann das nicht nachvollziehen. „Was ist denn hier
       besonders?“, fragt er. Vielmehr würden der Stolz und die Forderung der
       Leitkultur jene abwerten, die neu dazukämen. Definiert sich der stolze
       Sachse über sein Deutsch-Sein, dann grenze er sich vor allem nach unten ab.
       Damit hat Kasek als linker Grüner ein Problem.
       
       „Ich kotz im Strahl“, sagt er mehrmals. Und es fehlen „die positiven
       Erfahrungen im Umgang mit der Demokratie“, sagt Kasek, selbst Kind der
       Wende. Das liege am „technischen Demokratieverständnis“, seit der Wende
       gepflegt von der CDU. Die Mehrheit siege über die Minderheit, fertig sei
       die Demokratie. So werde das in Sachsen gesehen, sagt er. Er sieht das
       anders. „Demokratie heißt auch Konsens“ und funktioniere dann, wenn sie
       möglichst viele einbindet. „Das fetzt, vor allem, wenn man es selber
       macht.“
       
       Für Kaseks Werdegang sind die politischen Positionen seiner Eltern wichtig
       gewesen, sagt er selbst. Vater und Mutter waren in der DDR in Umweltgruppen
       organisiert, demonstrierten auf den Montagsdemos. Als es dort nicht mehr um
       die Demokratisierung der DDR selbst, sondern um die Wiedervereinigung geht,
       gehen sie nicht mehr hin. Nach der Wende saß seine Mutter im Leipziger
       Stadtrat, parteilos für die Grünen. Engagement in Parteipolitik und
       außerparlamentarische Bewegung – Kasek kennt das von zu Hause. Auch er tut
       beides. Zum Beispiel in den Bündnissen „Leipzig nimmt Platz“ und „Leipzig
       für alle!“.
       
       Wahrscheinlich steht er ständig unter Strom. Ein Termin reiht sich an den
       nächsten. Wie am Wahlsonntag, morgens wird er seine Mutter abholen und mit
       ihr wählen gehen, ganz traditionell. Danach plant er bei der grünen
       Wahlparty vorbeizuschauen. Und für den Wahlabend, „wenn das Grauen kommt“,
       hat Kasek Demonstrationen rund um das Leipziger Rathaus angemeldet.
       
       Auch das Essen endet abrupt. In fünfzehn Minuten fährt der letzte Zug nach
       Leipzig. Bevor Kasek ins Taxi steigt, trinkt er sein Bier auf ex leer.
       Morgen muss er seine Tochter in den Kindergarten bringen, dann zum
       Landgericht. Er macht nur sieben Tage Urlaub im Jahr. Dem Rechtsextremismus
       in Sachsen Paroli zu bieten hat Vorrang.
       
       31 Aug 2019
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] /Politologe-ueber-die-CDU-in-Sachsen/!5617380
   DIR [2] /Dorf-wehrt-sich-gegen-Kohlebagger/!5610951
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Hanne Tijman
       
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