# taz.de -- Migrationsexperte über Seerettungs-NGOs: „Repression wird gelockert“
> Wie wird die neue italienische Regierung mit Seerettungs-NGOs im
> Mittelmeer umgehen? Migrationsexperte Christopher Hein ist vorsichtig
> optimistisch.
IMG Bild: Das Rettungsschiff „Eleonore“ fährt mit rund 100 Migranten an Bord auf dem Mittelmeer
taz: Herrn Hain, können die im Mittelmeer tätigen NGOs jetzt feiern, mit
[1][einer neuen Regierung in Italien], ohne einen Innenminister Matteo
Salvini?
Christopher Hein: Feiern können sie in keinem Fall. Sie machen ja eine eher
traurige Arbeit, nämlich Menschen aus Seenot zu helfen, die keine andere
Wahl haben, als auf diesem Weg nach Europa zu kommen. Es geht darum, die
ganze Politik infrage zu stellen, die es notwendig macht, dass sich
Menschen überhaupt in diese Lebensgefahr begeben müssen. Zu feiern gibt es
höchstens den Tatbestand, dass die bisherige schroffe Repression gegen die
NGOs gelockert werden wird – was allerdings noch lange nicht heißt, dass
sie verschwinden wird.
Worauf gründen Sie diese skeptische Annahme?
Man darf nicht vergessen, dass die Fünf Sterne für Salvinis
Sicherheitsdekrete mit ihren Sanktionen gegen die NGOs gestimmt und die
Politik der „geschlossenen Häfen“ mitgetragen haben. Das ist die gleiche
Bewegung, die jetzt erneut in der Regierung sein wird. Man sollte sich also
keinen Riesenumschwung erhoffen.
Welche Rolle kann der PD in der Koalition spielen? (der Partito
Democratico, PD, ist 2007 aus einem Bündnis von Italiens Sozialdemokraten,
den ehemaligen Eurokommunisten von der PCI, und linken Christdemokraten
entstanden, Anm. der Red.)
Auch hier ist daran zu erinnern, dass es Marco Minniti, der damalige
Innenminister aus den Reihen des PD war, der im Jahr 2017 die Abkommen mit
Libyen schloss, die zur Ausrüstung der libyschen Küstenwache durch Italien
führten. Und Minniti leitete auch die Kampagne gegen die NGOs ein.
Übertriebener Optimismus ist nicht am Platze.
Wenigstens Salvinis Strategie, die NGOs zu kriminalisieren, könnte aber
doch wohl ein Ende sehen.
Davon gehe ich aus. Ich will aber gleich hinzufügen, dass es nicht bloß die
Regierung, sondern auch Teile der Justiz waren, die diese Strategie
vorangetrieben haben. Zum Beispiel die Staatsanwaltschaft von Catania hat
da mindestens genauso viel, wenn nicht noch mehr Schaden angerichtet als
Innenminister Salvini selbst.
Könnte die neue Regierung auf der europäischen Ebene mehr Erfolg haben,
wenn es darum geht, in der Union gemeinsame Lösungen zu definieren?
Das halte ich für wahrscheinlich. Natürlich hängt das auch von den anderen
Ländern, vorneweg von Deutschland, ab. Ich gehe davon aus, dass alles dafür
getan wird, die neue Regierung zu unterstützen, wenn es um die
Ausschiffungshäfen und die sofortige Umverteilung der Flüchtlinge und
Migranten geht. Da ist der Ball jetzt bei den anderen Mitgliedstaaten,
allen voran Deutschland, Frankreich, Spanien und den anderen aus der
sogenannten Koalition der Gutwilligen.
30 Aug 2019
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## AUTOREN
DIR Michael Braun
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