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       # taz.de -- AfD-Wahlerfolg bei den Landtagswahlen: Die bürgerliche Inszenierung
       
       > Am Tag danach gibt sich das Führungspersonal der AfD lammfromm. Die
       > Parteikollegen in Sachsen wollen indes juristisch gegen die Wahl
       > vorgehen.
       
   IMG Bild: Sieht doch voll bürgerlich aus: der rechte Rand in inniger Umarmung
       
       Berlin taz | Jörg Meuthen strahlt. „Diese beiden Wahlen haben einen Sieger:
       die Alternative für Deutschland“, sagt der AfD-Chef. Gemeinsam mit seinem
       Co-Vorsitzenden Alexander Gauland und den beiden Spitzenkandidaten aus
       Brandenburg und Sachsen sitzt Meuthen am Montagmorgen vor der blauen Wand
       der Bundespressekonferenz und will das Ergebnis seiner Partei feiern. „Es
       gibt in beiden Ländern eine bürgerliche Mehrheit, aber sie kommt nicht zum
       Tragen“, fügt Gauland wenig später hinzu. Doch er sei zuversichtlich, dass
       sich das mittelfristig ändern werde. Sprich: dass es irgendwann zu einer
       Zusammenarbeit mit der Union kommen wird.
       
       Auch am Abend zuvor, auf der AfD-Wahlparty im brandenburgischen Werder,
       hatte Gauland das vermeintlich Bürgerliche seiner Partei betont und alle
       gebeten, im Siegestaumel vernünftig zu bleiben. Es ist nicht das erste Mal,
       dass Gauland dies macht. Und er hat gute Gründe dafür. Andreas Kalbitz, der
       Brandenburger Spitzenkandidat mit [1][rechtsextremer Biografie], steht
       gemeinsam mit Björn Höcke an der Spitze des „Flügels“, jener Strömung am
       rechten Rand der Partei, den der Verfassungsschutz als
       verfassungsfeindlichen Verdachtsfall eingestuft hat. Kalbitz ist einer der
       Scharfmacher der AfD.
       
       Am Abend in Werder hat dieser, nachdem die ersten Prognosen bekannt wurden
       und auf der Bühne gut in Szene gesetzt, besonders lange den
       „Flügel“-Anführer Höcke umarmt. Dann kämpferisch gesagt „Jetzt geht es erst
       richtig los“ und umgehend ein Video gepostet, in dem er der neurechten
       Bewegung „Ein Prozent“ für ihre Unterstützung dankt. Am Montagmorgen, vor
       der blauen Wand der Bundespressekonferenz, verneint Gauland, dass er mit
       seinem Appell an die Vernunft Kalbitz gemeint habe: „Natürlich ist Andreas
       Kalbitz genauso bürgerlich wie ich.“ Und wiederholt zudem
       gebetsmühlenartig, dass es keine Belege für dessen Rechtsextremismus geben
       würde. Was schlicht unwahr ist. Nicht nur weil Kalbitz [2][zahlreiche
       rechtsextremen Stationen in seinem Leben] eingeräumt hat – und sich nicht
       davon distanziert.
       
       Richtig ist allerdings, dass dies die WählerInnen nicht davon abgehalten
       hat, in Brandenburg für die AfD zu stimmen. Die Partei hat ihr Ergebnis auf
       23,5 Prozent im Vergleich zur vergangenen Landtagswahl fast verdoppelt, in
       Sachsen auf 27,5 Prozent sogar nahezu verdreifacht. Das Ergebnis im
       Freistaat ist [3][das bislang beste, was die AfD bei einer Landtagswahl
       erreicht hat].
       
       ## Vielleicht war's das jetzt
       
       Doch die von der AfD und auch von manchem KritikerInnen viel beschworene
       Zeitenwende ist es nicht. Denn ihr nächstes Ziel, stärkste Kraft zu werden,
       hat die AfD nicht erreicht. In beiden Ländern bleibt sie auf Platz zwei, so
       wie das bereits bei der Landtagswahl in Sachsen-Anhalt 2016 der Fall war.
       Und: In absoluten Stimmen verliert die AfD in beiden Ländern im Vergleich
       zur Bundestagswahl sogar WählerInnen – in Sachsen über 70.000, in
       Brandenburg immerhin knapp 4.000. Vielleicht hat die radikal rechte Partei
       ihr Potenzial nun ausgeschöpft.
       
       In beiden Ländern haben WählerInnen aus allen sozialen Schichten für die
       AfD votiert, besonders häufig in dünn besiedelten Gebieten,
       überdurchschnittlich viele ArbeiterInnen und – wie immer – besonders viele
       Männer. Im Vergleich zur vergangenen Landtagswahl hat die AfD viele
       NichtwählerInnen mobilisiert und auch von der CDU zahlreiche Stimmen
       abgezogen.
       
       Trotz ihres großen Erfolgs will die sächsische AfD juristisch gegen die
       Wahl vorgehen. „Wir werden alle Rechtsmittel ausschöpfen“, sagte
       Spitzenkandidat Jörg Urban am Montag in Berlin – mögliches Ergebnis könnten
       Neuwahlen sein. Zudem wolle die neue Fraktion einen Untersuchungsausschuss
       im Landtag einsetzen. Der Grund: Wegen der Deckelung ihrer Landesliste kann
       die Partei wohl nur 38 der 39 ihr zustehenden Sitze im Landtag besetzen.
       
       Ursache dafür ist eine Beschränkung der AfD-Landesliste auf 30 Plätze
       [4][aufgrund von Formfehlern], wie das Landesverfassungsgericht festgelegt
       hat. Zuvor hatte der Landeswahlausschuss die Liste sogar auf 18 Plätze
       reduziert.
       
       ## Die AfD hält will an Neuwahlen fest
       
       Zu den 30 Listenplätzen der sächsischen AfD kommen nun acht Direktmandate
       hinzu von AfD-KandidatInnen, die keinen Listenplatz hatten. Insgesamt hat
       die AfD in Sachsen 15 Direktmandate gewonnen. Partei- und Fraktionschef
       Urban, der in Bautzen angetreten ist, ist nicht dabei, auch das
       symbolträchtige Direktmandat in Görlitz, wo CDU-Ministerpräsident Michael
       Kretschmer zur Wahl stand ist, hat die AfD nicht geholt. Und Kalbitz im
       brandenburgischen Königs Wusterhausen am Rande Berlins ist ebenfalls leer
       ausgegangen. Insgesamt gewannen in Brandenburg ebenfalls 15
       AfD-KandidatInnen ihren Wahlkreis direkt.
       
       Urban sprach am Montag mit Blick auf die gedeckelte Landesliste erneut von
       einem „Politikskandal“ und einem „rechtswidrigen Eingriff“. Die Partei habe
       Hinweise darauf, dass das sächsische Innenministerium der
       Landeswahlleiterin Hinweise gegeben habe. Deshalb hat die AfD auch
       Strafanzeige erstattet – unter anderem gegen den Ministerpräsidenten, den
       Innenminister und die Landeswahlleiterin.
       
       Das alles aber hatte Urban bereits an anderem Ort gesagt – das Interesse in
       der Bundespressekonferenz hielt sich in Grenzen. Viel größer war dort der
       Redebedarf über den Widerspruch zwischen Gaulands Wunsch nach einer
       bürgerlichen Mehrheit und dem extrem rechten Personal und ihren radikalen
       Äußerungen in den beiden ostdeutschen Bundesländern. Zahlreiche Fragen gab
       es dazu – doch echte Antworten blieben die beiden Spitzenkandidaten und die
       Parteivorsitzenden schuldig.
       
       2 Sep 2019
       
       ## LINKS
       
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   DIR Sabine am Orde
       
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