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       # taz.de -- Die Wahrheit: Zieh ein, bring Glück herein
       
       > Frauen, die nach Familienvätern suchen: eine bemitleidenswerte Spezies.
       > Oder auch nicht. Denn was ambulant ist, muss ja nicht stationär werden.
       
   IMG Bild: Typisches Treppenhaus in Cottbus führt zu Sinnesverwirrung der Ortsinsassen
       
       Männer?“ Die Freundin, eine kompetente und lebenspraktische Hausärztin,
       wirft Augen und Hände gen Himmel: „Für mich nur noch ambulant. Bei mir
       zieht keiner mehr ein.“
       
       Ebenfalls auf der Party anwesende jüngere Frauen sind eindeutig auf der
       Suche nach Familiengründungskandidaten und lächeln verzweifelt. „Wie soll
       das gehen?“, wird gebarmt, „Ein außerhäusiger Erzeuger findet sich ja noch.
       Aber dann? Ich alleinerziehend? Allein wohnen mit Kind? In diesen Zeiten?“
       
       Ich mische mich bei diesem Thema nicht mehr ein. Nur noch auf ausdrückliche
       Nachfrage. Erfolgt diese, erzähle ich von meinen Ehen und Mutterschaften
       wie Oma einst von der Nachkriegszeit und genau so werde ich auch
       angeblickt. Wie bitte? Zwei uneheliche Geburten? Keine von den stolzen
       Großeltern spendierte Eigentumswohnung in Berlin-Mitte? Nicht bei der
       Scheidung die finanzielle Maximalforderung erfochten? Nicht mal durch einen
       Doppelnamen Bedeutung erlangt?
       
       Die Mischung aus radikalfeministischem Alltagsgestus und einer in ihrem
       Versorgungsanspruch fast katholisch zu nennenden Familienplanung, wie sie
       mir nun häufiger von Frauen im dafür vorgesehenen Alter begegnet, verblüfft
       mich. Ich versuche diese unangenehme Entwicklung auf die Wohnungsnot in der
       Hauptstadt zu schieben, die die klügste Uniabsolventin in die Arme von
       mindestens potenziellen Immobilienbesitzern zu treiben scheint. Die gute
       alte Tante WG, die auch beim Babysitting für Alleinerziehende Lösungen
       bereithielt, stirbt aus. Mietwohnungen jeder Größe werden entvölkert,
       vergoldet und verkauft.
       
       ## Mann und Freundin auf Ex
       
       Ich klammere mich an der meinen weiterhin fest. Ehemals stationierte Männer
       und Kinder zogen mit der Zeit davon, allerdings nicht ohne tierische
       Mitbringsel zurückzulassen. So lebt noch immer Mimi, eine chronisch
       schlecht gelaunte Katze, mit mir, eine Hinterlassenschaft einer Exfreundin
       meines Sohnes. Und, völlig unbehelligt von Mimi, die sich ja auch mal
       nützlich machen könnte, eine Population Kleider- und Lebensmittelmotten.
       Diese stehen in Verdacht, ein Mitbringsel meines letzten Exmannes zu sein –
       eingeführt aus den alten Bundesländern, denn wir im Osten hatten ja nichts,
       nicht mal Ungeziefer.
       
       Armeen von ökologisch korrekten Schlupfwespen versuchen der Lage nun Herr
       zu werden. Miete zahlen weder Katz noch Laus, weshalb ich mich nach
       finanziellen Alternativen umschauen muss, damit sich meine Wohnung nicht
       zum ruinösen Luxushobby entwickelt.
       
       Ob ich es mache wie eine Kollegin, die ihr Gästezimmer tagsüber
       seitenspringenden Pärchen zur Verfügung stellt? Sie erzählt hinreißende
       Geschichten aus der Welt der heimlichen Liebe. Aber immer geht es auch um
       Geld. Um das, was sie verdient und um das, was den Turteltäubchen fehlt, um
       ins Hotel zu gehen. Und nicht zuletzt darum, dass alles schön geheim
       bleibt. Denn wo soll man hin, wenn man zu Hause rausfliegt? In eine
       Mietwohnung? Haha.
       
       3 Sep 2019
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Ulrike Stöhring
       
       ## TAGS
       
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