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       # taz.de -- Protest gegen Bau der A33 Nord: Familienfest inklusive
       
       > Bei Osnabrück soll eine neue Autobahn gebaut werden. Die Initiative
       > „Stoppt A33 Nord“ kämpft dagegen – mit aktiver Unterstützung der
       > Bevölkerung.
       
   IMG Bild: Gut mobilisiert: Bühnenperformance gegen die Autobahn
       
       Osnabrück taz | Es gibt Protestaktionen, die übersiehst du nicht so leicht.
       Ein Teil davon ist der riesige Schriftzug „STOPPT A 33“ von Miriam und
       Wilhelm Nordmann, in Belm bei Osnabrück. Meterhoch zieht er sich quer über
       ihre drei Silotürme, gleich vorn an der Straße.
       
       Der Hof der Nordmanns, seit 400 Jahren im Familienbesitz, ist eine Idylle.
       Malerische Giebel, alte Eichen, Kletterrosen, am Pferdestall lehnt ein
       Reisigbesen. Aber mit der Idylle ist es vielleicht bald vorbei.
       
       Denn der Bundesverkehrswegeplan 2030 (BVWP) sieht für den Bau der A33 Nord,
       der Verbindung zwischen der A33 in Osnabrück-Schinkel/Belm und der A1
       nördlich von Wallenhorst, „vordringlichen Bedarf“. 9,4 km wäre die Trasse
       lang, vierstreifig, ausgelegt für 21.000 Fahrzeuge pro Tag. 150 Millionen
       Euro würde sie kosten, mindestens. Kommt sie, führt sie 400 m westlich vom
       Hof vorbei.
       
       „Beim Bemalen der Silos hatten wir viel Hilfe von Bauern der Umgebung“,
       sagt Wilhelm Nordmann. „Die sind ja auch dagegen.“ Mehrere Hektar Land
       würde sein Hof durch die Autobahn verlieren. „Da wirst du notfalls einfach
       enteignet.“
       
       ## 120 Bleche Kuchen
       
       Die Nordmanns protestieren nicht für sich allein. Sie sind einer der
       größten Aktivposten der Initiative „Stoppt A33 Nord“, die schon seit drei
       Jahrzehnten gegen den Bau kämpft. An diesem Wochenende, dem 17. und 18.
       August, ist ihr Hof das Zentrum der Bewegung – zu einem Aktionstag mit
       Familienfest.
       
       120 Bleche Kuchen haben Freunde und Nachbarn gebacken, von der Donauwelle
       bis zur Nussecke. Lokale Bands spielen, aus Sympathie für die Sache. Blaue
       STOPP-Kreuze für Acker oder Vorgarten stehen zum Verkauf. Es gibt ein
       Kettenkarussell und eine Hüpfburg, Gegrilltes und Getränke, Kinderschminken
       und Crêpes. Auf den Tischen stehen Getreideähren und bunte Blumen. Obwohl
       der Himmel grau ist und der Stoppelfeldparkplatz schlammig, birst der Hof
       vor Besuchern – etwa 1.500 sind da.
       
       „A33 Nord braucht kein Schwein“, schallt es von der Bühne zur Melodie von
       „Down By The Riverside“. Und diskutiert wird, viel diskutiert, besonders
       intensiv am Infostand, der die Planskizzen zeigt, und eine
       Computersimulation der Trasse, als Überflug.
       
       Einer, der jedes Detail des BVWP-Projekts kennt, ist Rainer Comfere,
       Umweltforum Osnabrücker Land e.V., AG „Besseres Verkehrskonzept“. „Völliger
       Unsinn, dieses Bauvorhaben“, sagt er. „Lärm- und Luftbelastung, immenser
       Landschaftsverbrauch, Belastung des Grundwasserspiegels, Durchschneidung
       eines Schutzgebiets, verkehrlich unnötig, die Nutzen-Kosten-Berechnung fußt
       wissentlich auf veralteten Zahlen…“.
       
       Comfere ist es auch, der auf der Bühne die Gespräche moderiert. Otto
       Steinkamp und Viktor Hermeler sind da, die Bürgermeister von Wallenhorst
       und Belm, beide erklärte Autobahngegner. Filiz Polat ist da,
       Bundestagsabgeordnete der Grünen.
       
       ## Neue Landrätin als Hoffnungsträgerin
       
       Auch Anna Kebschull ist gekommen, die designierte grüne Landrätin, die noch
       bis zum November warten muss, bis ihr Vorgänger Michael Lübbersmann, CDU,
       sein Büro im Kreishaus räumt. Auf sie setzen viele hier große Hoffnungen:
       Für Verkehrsreduzierung steht sie, den Ausbau des Öffentlichen
       Personennahverkehrs. Die A33 Nord findet Kebschull „eigentlich
       überflüssig“. Wer an ihr festhalte, folge blindem Wachstumsdenken. „Aber
       Wachstum ist nicht der Weg. Unsere Welt wächst ja nicht mit uns mit.“
       
       Im Scheunencafé hat sich Matthias Schreiber, Experte des Nabu Osnabrück für
       Naturschutzgebiete und Umweltpolitik, Kaffee und Käsekuchen geholt. Auch er
       sieht die A33 Nord als ein Projekt, das gestrigem Denken folgt. „Wir haben
       nicht zu wenig Straßen“, sagt er. „Wir haben zu viel Verkehr.“ Das gesamte
       Konzept von Mobilität müsse sich ändern.
       
       ## Klage vor dem Bundesverwaltungsgericht
       
       Dass das BVWP-Projekt A33-G10-NI, das alle hier am liebsten beerdigen
       würden, im Herbst ins Planfeststellungsverfahren geht, ist nicht mehr zu
       verhindern. Aber gegen den Planfeststellungsbeschluss wird „Stoppt A33
       Nord“ zu Felde ziehen, mit einer Klage vor dem Bundesverwaltungsgericht.
       Geld für die Anwalts- und Gerichtskosten ist genug da, gesammelt durch den
       „Schutzfonds Nettetal“. Für eigene Gutachter müssen sie noch sammeln.
       
       „Neue Straßen ziehen neuen Verkehr an!“, sagt Viktor Hermeler, Belms
       Bürgermeister, mitten im Gedränge. Dass der große Nachbar Osnabrück, stolz
       auf seine vielen Speditionen, den „Lückenschluss“ unbedingt will, findet
       er egoistisch: „Es ist der Versuch, ein innerstädtisches Verkehrsproblem
       aufs Umland abzuwälzen. Ob die Anliegerkommunen das wollen, zählt offenbar
       nicht.“
       
       Die Kids hinten im Karussell verstehen Sätze wie diese noch nicht. Aber die
       Folgen, wenn ihre Eltern dem BVWP unterliegen, die würden sie sehr wohl zu
       spüren bekommen.
       
       22 Aug 2019
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Harff-Peter Schönherr
       
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