# taz.de -- Tanztheater Wuppertal: Verbaute Zukunft
> Gerichtstermin in Wuppertal: Die Kündigung der Intendantin Adolphe Binder
> ist unwirksam, das Renommee des Tanztheaters beschädigt.
IMG Bild: Die Kündigung der Tanztheater Intendantin Adolphe Binder wurde definitiv für ungültig erklärt
Ende gut, alles schlimm. So sieht die Situation aus, die nach einem Urteil
des Landesarbeitsgerichts (LAG) Düsseldorf am Dienstag entsteht. Das
Gericht kam in Bezug auf die vor mehr als einem Jahr fristlos gekündigte
Intendantin des Tanztheaters Wuppertal, [1][Adolphe Binder,] zu dem
Schluss: Die Kündigung ist unwirksam, eine Revision des Urteils nicht mehr
möglich.
Damit wurde das Urteil des Arbeitsgerichts Wuppertal vom Dezember 2018
bestätigt, gegen das das Tanztheater in Berufung gegangen war. Ob Adolphe
Binder jedoch weiterbeschäftigt wird, darüber wird erst in der nächsten
Verhandlungsrunde Ende 2019 oder Anfang 2020 entschieden. Bis dahin
empfiehlt das Gericht, „dass die Parteien die Zeit nutzen, eine für das
Tanztheater Wuppertal sachgerechte und für alle Beteiligten akzeptable,
einvernehmliche Lösung zu finden“.
Das Fatale daran: Der Berufungsprozess war noch von dem ehemaligen
Geschäftsführer Dirk Hesse, dessen Arbeitsverhältnis im Dezember 2018
endete, angekündigt worden. Formal getragen werden musste er aber von der
neuen Geschäftsführung. Diese war, zusammen mit einer neuen künstlerischen
Direktorin, kurze Zeit vor dem ersten Gerichtsverfahren von der Stadt
Wuppertal berufen worden. Hätte sie sich gegen die Übernahme des
Berufungsverfahrens verwehrt, hätte dieses, einschließlich der entstandenen
Kosten, so nicht stattgefunden. Vielmehr hätten die Stadtvertreter, die mit
ihren Personalentscheidungen den Gerichtsbeschluss überholten, eine Lösung
finden müssen, wie sie mit der doppelten Stellenbesetzung umgehen.
Die zwei Intendantinnen, Bettina Wagner-Bergelt und Adolphe Binder,
scheinen nun erst einmal davon abzusehen sich zu duellieren. Wie alle an
diesem verfahrenen Prozedere Beteiligten, vor allem die angstbesetzten
Tänzer*innen, äußern sie sich jedoch am liebsten mit nicht zitierfähigen
Hintergrundinformationen, die aufzeigen, wie schwierig es werden wird.
Immerhin scheint ein erster konkreter Weg für eine Lösung auf: „Wir haben
Frau Binder angeboten, im September zu dieser Frage ein erstes Gespräch zu
führen“, so Bettina Wagner-Bergelt.
## Große Pläne für ein Pina Bausch Zentrum
Reparabel oder irreparabel, das ist jedoch in diesem Fall auch die Frage
hinsichtlich der Rolle der Stadt. Leitende Vertreter sind dem
Gerichtstermin am Dienstag ferngeblieben. Oberbürgermeister Andreas Mucke
ist in Urlaub. Aus seinem Sekretariat heißt es: „Er hat einen Prüfauftrag
an unsere interne Revision gegeben.“
Es geht dabei um Informationsleaks, den Umgang mit Presse genauso wie
letztlich um die Reputation der Stadt, die gerade ihr bisher
prestigeträchtigstes Objekt plant: ein zusammen mit Land und Bund
finanziertes repräsentatives Pina-Bausch-Zentrum. Die Beauftragte der
Bundesregierung für Kultur und Medien hat hierfür rund 30 Millionen Euro
zugesagt.
Auf die Frage, ob diese bei einem Partner mit so fragwürdigen Verfahrens-
und Umgangsformen wie der Stadt Wuppertal richtig investiert seien, klingt
die Antwort aus der Pressestelle nüchtern: „Gegenwärtig bestehen keine
vertraglichen Beziehungen mit der Stadt in Bezug auf eine grundsätzlich in
Aussicht genommene Förderung des Pina-Bausch-Zentrums und es sind bislang
auch keine Mittel des Bundes in das Projekt geflossen.“
## Vermisst wird Transparenz
Es wird also einiges zu justieren sein, bevor das Erbe Pina Bauschs in
Wuppertal eine Zukunft haben wird. Und dabei könnte über die Wuppertaler
Irrungen hinaus Grundsätzliches zur Sprache kommen.
Während verschiedene Kolleg*innen Adolphe Binders sich eine öffentliche
Stellungnahme während des Verfahrens nicht zutrauten, bricht
Tanz-im-August-Direktorin [2][Virve Sutinen] nun auf Anfrage als eine der
Ersten das Schweigen und fügt ihrer Begrüßung des Urteils hinzu: „Wir
müssen es besser machen.
Generell plädiere ich für offenere und transparentere Prozesse bei der
Verwaltung von Kulturinstitutionen, insbesondere in Bezug auf
Berufungspolitik und Kontrollfunktionen: Heimliche Entscheidungen hinter
verschlossenen Türen und in kleinen Kreisen sind absolut veraltet und
unvereinbar mit der heutigen Gesellschaft. Sie unterstützen eine Art von
Vorherrschaftsdenken, das Belästigung und Missbrauch begünstigt und dafür
sorgt, dass sie weiterhin zum Alltagsgeschäft in der Tanzwelt gehören.“
22 Aug 2019
## LINKS
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## AUTOREN
DIR Astrid Kaminski
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