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       # taz.de -- Umfrage zu Folgen von #MeToo: Der falsche Schluss
       
       > Die #MeToo-Debatte hat aufgeklärt, aber auch zu einem Backlash geführt,
       > zeigt eine Studie. Das Misstrauen gegenüber Kolleginnen steige an.
       
   IMG Bild: Männer unter sich
       
       Fast zwei Jahre ist es her, dass die [1][New York Times einen Artikel
       veröffentlichte], in dem viele Frauen dem US-Filmproduzenten Harvey
       Weinstein sexuelle Belästigung vorwarfen. Daraufhin kamen immer mehr
       Vorwürfe der sexualisierten Gewalt auf. Es entstand ein Hashtag und aus dem
       Hashtag eine internationale Bewegung. (Einige) Täter wurden verurteilt,
       Prominente traten von ihren Posten zurück, Beratungsstellen wurden
       eingeführt. Doch auch [2][Kritik kam von vielen Seiten an #MeToo auf]. Was
       bleibt, ist eine andauernde Debatte über patriarchale Strukturen, Macht und
       Gewalt, über Konsens und Respekt. Und die große Frage: Ist zwei Jahre nach
       Aufkommen der Debatte der große gesellschaftliche Wandel da?
       
       Die Wissenschaftlerinnen Leanne Atwater und Rachel Sturm wollen [3][mit
       ihrer aktuellen Studie] eine (Teil-)Antwort darauf liefern und sie lautet:
       Nein, im Gegenteil. Mit der Fragestellung im Kopf, ob Frauen von der
       Debatte profitieren, kommen sie zu dem Ergebnis, dass die #MeToo-Bewegung
       zu einem Backlash geführt hat, in dem sie in den USA Misstrauen am
       Arbeitsplatz geschürt hat.
       
       Dafür haben Atwater, Sturm und ihr Team in zwei getrennten Umfragen Anfang
       letzten Jahres 152 Männer und 303 Frauen aus verschiedenen Arbeitsbereichen
       befragt.
       
       Überraschendstes und erfreulichstes Ergebnis: 77 Prozent der befragten
       Männer sagten, sie gingen jetzt vorsichtiger mit ihrem eigenen Verhalten
       um. Gleichzeitig sagten aber 10 Prozent von ihnen, dass sie nicht mehr dazu
       bereit seien, „attraktive Frauen“ einzustellen, 22 Prozent gaben an, Frauen
       von sozialen Aktivitäten im Arbeitskontext nun eher auszuschließen, und ein
       Drittel der Befragten sagte, dass sie Einzelbesprechungen mit Frauen
       vermeiden würden.
       
       ## Steigerung des Backlashs
       
       Da die Befragung schon kurz nach Aufkommen von #MeToo stattgefunden hat,
       haben die Wissenschaftlerinnen dieses Jahr noch ein Follow-up durchgeführt.
       Die Ergebnisse zeigten eine Steigerung des letztgenannten Effekts.
       Beispielsweise stimmten nun schon doppelt so viele der befragten Männer der
       Aussage zu, dass sie nur ungern „attraktive Frauen“ einstellten.
       
       Die Umfragen, deren aktualisierte Ergebnisse gerade in der Harvard Business
       Review veröffentlicht wurden, sind nicht repräsentativ. Sie verstärken
       allerdings ein Narrativ, das in Medien und Gesellschaft stetig wiederholt
       wird: Männer haben seit #MeToo Angst. Angst davor, dass ihnen irgendetwas
       vorgeworfen wird, was sie gar nicht getan haben. Doch diese Angst macht nun
       offenbar wieder Frauen zu den großen Verlierer*innen der Debatte.
       
       Denn anstatt einen Schritt in Richtung Gleichberechtigung und ein Leben
       ohne Angst für Frauen zu erreichen, führt der Backlash der #MeToo-Debatte
       zu noch mehr Diskriminierung – zumindest am Arbeitsplatz. Zu diesem Schluss
       kommt auch Wissenschaftlerin Sturm: „Wenn Männer sagen, dass sie Frauen
       nicht mehr anstellen, nicht mehr auf Reisen schicken und von Aktivitäten
       ausschließen, ist das ein Rückschritt.“
       
       Doch auch wenn die Studie einen gesellschaftlichen Rückschritt andeutet,
       ist die Schuld nicht der #MeToo-Debatte zuzuschieben. Vielmehr zeigt es,
       wie wichtig das Aufschreien der Frauen war und dass wir mit der Debatte
       noch nicht am Ende sind.
       
       Immerhin – auch das zeigt die Studie – stimmen knapp 75 Prozent der
       befragten Frauen und Männer in ihrer Einschätzung überein, was genau
       sexuelle Belästigung und Missbrauch ist. Heißt: Das Verständnis ist da, nur
       die richtigen Schlüsse werden noch nicht flächendeckend gezogen.
       
       Nun kann eine Studie noch nicht abschließend beurteilen, wie erfolgreich
       die #MeToo-Debatte ist. Doch klar ist, ein Wandel von einer patriarchalen
       hinzu einer gleichberechtigten Gesellschaft kann nicht in zwei Jahren
       vollzogen werden. Damit die Gesellschaft sich nicht rückwärts wandelt,
       sollen Frauen nun aber nicht wieder schweigen, sondern noch lauter werden.
       Und die Männer? Endlich richtig zuhören.
       
       4 Sep 2019
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] https://www.nytimes.com/2017/10/05/us/harvey-weinstein-harassment-allegations.html
   DIR [2] /Roxane-Gay-ueber-Feminismus-und-MeToo/!5606954
   DIR [3] https://hbr.org/2019/09/the-metoo-backlash
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Carolina Schwarz
       
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