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       # taz.de -- Traditionskonzern in der Krise: Thyssenkrupp steigt ab
       
       > Einst war der Konzern ein wichtiges Symbol der Schwerindustrie. Nun
       > fliegen die Essener aus dem DAX. Jobverluste drohen.
       
   IMG Bild: Arbeiter am Hochofen von Thyssenkrupp. Das könnte bald vorbei sein
       
       Dortmund taz | Es klang schon etwas verzweifelt: Ab sofort gelte in der
       Konzernzentrale „Thyssenkrupp-Campus“ ein Einstellungsstopp, schrieb
       Vorstandschef Guido Kerkhoff bereits Mitte Juli an seine Mitarbeiter.
       Dienstreisen sollten „auf das Nötigste begrenzt“, die Beschäftigung
       externer Berater am besten „ganz abgesagt“, zudem weniger Büromaterial
       bestellt werden.
       
       Denn Thyssenkrupp, einst Symbol der Schwerindustrie an Rhein und Ruhr, ist
       einmal mehr in der Krise. 2,5 Milliarden Euro hat der Konzern mit seinen
       weltweit noch 158.000 Mitarbeitern in den ersten neun Monaten des
       Geschäftsjahres 2018/19 verbrannt. Die Explosion der Rohstoffpreise etwa
       für Eisenerz setzt dem Unternehmen genauso zu wie die schwächelnde
       Autoindustrie – allein die deutsche Produktion hat sich im ersten Halbjahr
       dieses Jahres um 12 Prozent verringert. Der Aktienkurs des Essener Konzerns
       spiegelt den Niedergang: Ende September 2018 war das Papier noch gut 21
       Euro wert. Am Donnerstagmittag notierte die Aktie bei 11 Euro.
       
       Am späten Mittwochabend zog die Deutsche Börse deshalb die Reißleine: Wegen
       mangelndem Börsenwert und -umsatz flog das Gründungsmitglied Thyssenkrupp
       aus dem DAX, dem Index der 30 größten deutschen Unternehmen. Der Konzern
       steigt damit in die zweite Liga ab, in den von mittelgroßen Unternehmen
       geprägten M-Dax. Ersetzt wird Thyssenkrupp durch den Münchener
       Flugzeug-Triebwerksbauer MTU Aero Engines.
       
       Er sei „enttäuscht“, sagt Vorstandsvorsitzender Kerkhoff dazu. „Man muss
       aber auch ehrlich sein: Unsere Performance war zu schwach“, der Gang in den
       M-DAX sei nur eine „logische Konsequenz“ davon. Auch in einem Podcast an
       die Mitarbeiter*innen wird Kerkhoff, von 2011 bis 2018 Finanzvorstand,
       noch einmal deutlich: Der Abstieg müsse allen „die Realität von
       ThyssenKrupp nochmal vor Augen“ führen. Die schlechten Geschäfte könnten
       „Anleger nicht überzeugen.“
       
       ## Massive Managementfehler
       
       Tatsächlich hat der Wechsel im DAX Symbolkraft: MTU steht für die trotz
       aller Diskussionen um die drohende Klimakatastrophe und „Flugscham“
       boomende Luftfahrtindustrie. Weltweit sind nie mehr Menschen geflogen als
       2019. In den letzten zwölf Monaten hat die Aktie der Münchner deshalb um 32
       Prozent zugelegt. In den letzten zehn Jahren stieg der Wert des
       Unternehmens, dass mit nur 10.000 Beschäftigten nicht nur Turbinen für
       Airbus liefert, sondern auch fast alle Antriebe der Flugzeuge der
       Bundeswehr wartet, um sagenhafte 750 Prozent auf rund 13 Milliarden Euro.
       
       Thyssenkrupp ist nach [1][massiven Managementfehlern] in den vergangenen
       zehn Jahren an der Börse nicht einmal mehr 7 Milliarden Euro wert. Schon
       2010 entwickelte sich der Bau von drei neuen Stahlwerken in Brasilien und
       den USA zum Desaster: Auf ihre „Steel Americas“ mussten die Essener 3,6
       Milliarden Euro abschreiben. Und erst im Juli untersagte die EU-Kommission
       aus Wettbewerbsgründen endgültig die Fusion der zyklusabhängigen und damit
       krisenanfälligen Stahlsparte mit dem indischen Tata-Konzern.
       ThyssenKrupp-Vorstandschef Kerkhoff hatte sein Unternehmen auf die
       zukunftsträchtigen Branchen Aufzüge und Autoteile konzentrieren wollen.
       Schwierige Geschäftsbereiche wie der Stahl [2][mit seinen 27.000
       Arbeitsplätzen] oder die Werften mit ihrem U-Bootbau sollten abgespalten
       werden.
       
       ## Ausgliederung der erfolgreichen Aufzugsparte geplant
       
       Heute drücken Thyssenkrupp Schulden von rund 5,1 Milliarden Euro. Um Luft
       für einen Konzernumbau zu bekommen, kennt Kerkhoff deshalb keine Tabus
       mehr: Neben einem Börsengang ist ein Teil- oder sogar Komplettverkauf der
       hoch profitablen „Elevator“-Aufzugsparte im Gespräch. Zwar hält der
       Vorstandschef den Aufzugbau angesichts der Megatrends Urbanisierung und
       alternder Bevölkerung für das Zukunftsgeschäft Nummer eins. Doch
       Börsen-Analysten bewerten „Elevator“ allein mit 12 bis 17 Milliarden Euro.
       Der Geschäftsbereich ist damit zwei- bis dreimal so viel wert wie der
       Gesamtkonzern – und zeigt, wie negativ Investoren die Zukunft des Stahls,
       des Anlagenbaus, des Rohstoffhandels und der Werften bewerten.
       
       Kerkhoff hat potenzielle Käufer wie die Konkurrenten Kone, Schindler und
       Otis, aber auch Hedgefonds wie Blackstone zu Geboten für „Elevator“
       aufgefordert – und erwartet Antworten innerhalb von zwei Wochen.
       
       Dass die Aufzugsparte trotz eines Vorsteuergewinns von 641 Millionen Euro
       in den ersten neun Monaten des Geschäftsjahres einen Teil ihrer noch 52.000
       Arbeitsplätze verlieren wird, gilt jetzt schon als sicher. Schon im Mai
       hatte Thyssenkrupp die Streichung von weltweit 6.000 Jobs angekündigt,
       davon 4.000 in Deutschland – und im August hatte der Vorstand den Bau von
       Auto-Federn und -stabilisatoren, Auto-Produktionsanlagen und massiven
       Grobblechen etwa für Schiffe für „derzeit nicht wettbewerbsfähig“ erklärt.
       
       5 Sep 2019
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] /Fusion-von-Thyssenkrupp-und-Tata/!5514573
   DIR [2] /Boerse-wettet-auf-Ende-des-Dax-Konzerns/!5522501
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Andreas Wyputta
       
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