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       # taz.de -- Greta Thunbergs Atlantik-Überquerung: Mit Liebe in New York begrüßt
       
       > Nach zwei Wochen auf dem Atlantik erreicht die schwedische
       > Klimaaktivistin Greta Thunberg New York. Am Freitag will sie hier wieder
       > streiken.
       
   IMG Bild: Endlich da: Nach zwei Wochen auf dem Atlantik ist Greta Thunberg in New York eingelaufen
       
       New York taz | „Welcome Gredda“, rufen Hunderte Kinder und Jugendliche vom
       Battery Park aus. Dazu schwenken sie Transparente, auf denen zu lesen ist,
       dass die politisch Verantwortlichen versagt haben, dass die Wälder brennen,
       dass der Meeresspiegel steigt und dass die Ankommende eine Heldin ist, die
       Geschichte machen wird. Die 16-jährige [1][Greta Thunberg] steht wie eine
       Galionsfigur auf dem Bug der „Malizia II“. Sie trägt den schwarzen
       Ganzkörperoverall, in dem sie die zurückliegenden 15 Tage verbracht hat,
       hält sich an einem Gitter fest und winkt zurück.
       
       Auf dem allerletzten Stück ihrer Atlantiküberquerung ohne fossile
       Brennstoffe verlangsamen Nordwind und Ebbe die Fahrt. Die Jacht muss immer
       wieder auf dem Hudson River vor dem Wind kreuzen und nähert sich nur ganz
       allmählich dem Ufer. Dabei umkreist sie eine Flotille von 17 kleineren
       Booten. Jedes hat Segel in einer anderen Farbe, auf die eines der 17
       Nachhaltigkeitsziele der Vereinten Nationen geschrieben ist – von der
       Abschaffung der Armut über die Gleichstellung der Geschlechter bis hin zu
       Aktionen gegen den Klimawandel.
       
       Kurz vor 16 Uhr ist die „Malizia II“ in Rufweite der kleinen Marina am Fuß
       des World Trade Centers in Manhattan angelangt. Auf den letzten Metern
       bugsiert ein Motorboot sie zu dem Anlegeplatz. „Danke, dass du gekommen
       bist“, rufen Jugendliche. Der Kapitän hilft Thunberg von Bord. Sie hat das
       große weiße Schild mit der schwedischen Aufschrift „Skolstrejk för
       Klimatet“, mit dem sie berühmt geworden, unter einem Arm.
       
       Als sie ihre ersten Schritt an Land tut, wankt sie ein wenig. Aber sie geht
       unbeirrt weiter auf die kompakte Menschenmenge zu, die seit Stunden auf sie
       wartet. Die meisten Wartenden sind Teenager. Auch sie haben noch nie
       gewählt und fühlen sich bereits verantwortlich für die Zukunft des
       Planeten. Wie Greta Thunberg, deren Mutter Opernsängerin und deren Vater
       ein ehemaliger Schauspieler ist, die beide ihr Leben rund um den Aktivismus
       der Tochter umorganisiert haben, stammen auch die meisten jungen New Yorker
       Klimaaktivisten aus der gebildeten Mittelschicht.
       
       ## „Wir alle haben Klima-Probleme“
       
       Wenige Minuten nach ihrer Landung steht die Schwedin in ihrem schwarzen
       Overall auf einer Bühne unter zwei Bäumen am Rand der North Cove Marina.
       Vor ihr liegt der Finanzdistrikt von New York, hinter ihr der Hudson River,
       aus dem sie gerade gekommen ist und von wo aus die Freiheitsstatue alles
       überragt. Neben ihr stehen zwei Mädchen, die zwar ein wenig größer, aber
       noch jünger sind als sie. Die beiden begrüßen Thunberg wie langjährige
       Profis am Mikrofon.
       
       „Greta bringt die Zukunft nach Amerika“, sagt die 14-jährige Alexandria
       Villaseñor. „Sie hat Hunderttausende von Jugendlichen ermutigt.“ Die New
       Yorkerin folgt seit Ende vergangenen Jahres dem Beispiel der Schwedin. Sie
       macht jeden Freitag, auch bei Schnee und bei brütender Hochsommerhitze,
       einen Schulstreik für das Klima auf einer Metallbank vor dem Sitz der
       Vereinten Nationen. Dabei trägt sie Wanderschuhe, wie auch an diesem
       Mittwoch an der Marina. Im Laufe der Zeit ist der Zirkel um Alexandria
       Villaseñor größer geworden. An diesem Tag hat sie sogar einen
       Pro-bono-Pressesprecher, der ihre Interviews organisiert. Aber von den
       Massen, die Greta Thunberg in Europa folgen, ist sie noch weit entfernt.
       
       Als Zweite spricht die 17-jährige Xiye Bastida, die in Mexiko geboren ist
       und deren Familie nach einer extremen Trockenheit gefolgt von einer
       Überflutung in ihrer Region nach New York gezogen ist, wo kurz zuvor
       Hurrikan „Sandy“ gewütet hatte. „Wir alle haben Klima-Probleme – Schweden,
       Mexiko und New York“, sagt Xiye Bastida.
       
       Dann stellt sie eine der vielen existenziellen Fragen, mit denen sich die
       Teenager um sie herum befassen: „Nächste Woche beginnt bei uns das neue
       Schuljahr. Aber wie sollen wir lernen, wenn die Gletscher schmelzen?“ Im
       Publikum erzählt ihre stolze Mutter, die Ethnologin Geraldine Patrick, wie
       ihre Tochter den Umweltclub an ihrer New Yorker Schule aufgemöbelt hat.
       „Diese Generation versteht, dass es darum geht, das Narrativ zu verändern
       und die Kommerzialisierung der Natur zu beenden“, sagt die Mutter.
       
       Wenig später übernimmt Greta Thunberg das Mikrofon. „Das ist ein wenig
       überwältigend“, sagt sie. „Der Boden schwankt noch.“ Doch sie plaudert
       weiter. Über ihre Reise, die „überraschend gut“ gewesen und bei der sie
       kein einziges Mal seekrank geworden sei. Über die „globale Klimakrise, bei
       der wir trotz unserer Unterschiede alle zusammenkommen müssen“. Und
       darüber, wie seltsam es sei, dass sie [2][den Atlantik überqueren] muss, um
       „Stellung zu beziehen“. Einmal verhaspelt sie sich, verliert den roten
       Faden und sagt: „Tut mir leid, mein Hirn arbeitet nicht korrekt.“ Aber als
       aus dem Publikum der Ruf „Wir lieben dich“ kommt, fängt sie sich wieder und
       ermuntert ihre Zuhörer, nicht aufzugeben. Auch dann nicht, wenn es
       hoffnunglos aussehe: „Wenn genügend Leute zusammenkommen, ist alles
       möglich.“
       
       Schon am Freitag dieser Woche will Greta Thunberg an ihrem ersten
       [3][Friday for Future] in den USA teilnehmen. Er wird vor dem Gebäude der
       Vereinten Nationen stattfinden. Vor dem Sitz von Generalsekretär António
       Guterres, der die junge Schwedin an diesem Mittwoch mit einem Tweet
       begrüßt. „Ihre Entschlossenheit und Ausdauer sollten alle von uns stärken,
       die im nächsten Monat an dem Climate-Action Gipfel der UNO teilnehmen“,
       schreibt er.
       
       Zwei Tage vor dem Beginn des UN-Klimagipfels wollen die jungen Aktivisten
       einen „globalen Streik“ organisieren. Greta Thunberg soll helfen, damit
       auch eine größere Öffentlichkeit in den USA zu erreichen.
       
       Vor der Ankunft der Schwedin haben Mitarbeiter des Generalsekretärs nicht
       nur die Flotille mit wohlwollenden privaten Bootsbesitzern organisiert,
       sondern auch kleine, bunte Transparente an die Wartenden an der Marina
       verteilt, auf denen – wie auf den Segeln der Boote – die 17
       [4][Nachhaltigkeitsziele] aufgelistet sind und die zur Begrüßung geschwenkt
       werden. Florencia Soto Nino, eine Sprecherin von Guterres, erinnert daran,
       dass die UNO schon früher mit Jugendlichen zusammengearbeitet hat. Aber
       deren Engagement für eine Sache sei nie zuvor so groß gewesen wie jetzt in
       der Klimafrage.
       
       ## Eine andere politische Atmosphäre
       
       Nach ihrer kurzen Ansprache stellt sich Greta Thunberg auf der Bühne an der
       Marina den Fragen von Journalisten. Hunderte von Reportern sind gekommen.
       Die meisten sind Europäer und unter ihnen stellen die Deutschen die
       Mehrheit. Greta Thunberg wiederholt zum x-ten Mal, dass sie keinen Wert
       darauf legt, den US-Präsidenten zu treffen. Sie fände es gut, „wenn er der
       Wissenschaft folgen würde“, glaubt aber nicht, dass sie ihn dazu bringen
       könne, nachdem alle anderen damit gescheitert sind. Und sie beschreibt ihre
       weiteren Reisepläne, nach den USA. Sie will in den Süden des Kontinents
       fahren – bis nach Chile – und sie will aus Rücksicht auf das Klima auch
       dabei wieder auf das Fliegen verzichten.
       
       Nur wenige US-amerikanische Reporter sind an die Marina gekommen. Die
       US-Fernsehsender melden die Ankunft der Schwedin, wenn überhaupt, nur
       knapp. Der US-Präsident, der schon 2017 aus dem Pariser Klimaabkommen
       ausgestiegen ist und der zuletzt die Klimarunde beim [5][G7-Gipfel in
       Biarritz] geschwänzt hat, interessiert sich schon gar nicht für das Thema.
       Nach verschiedenen Informationen aus dem Weißen Haus will er auch im
       September nicht an dem UN-Klimagipfel in New York teilnehmen.
       
       „Die politische Atmosphäre hier ist anders als in Europa“, sagt die
       16-jährige New Yorker Schülerin Olivia Wohlgemuth. „Dieses Land ist tief
       gespalten, und wir wissen nicht, ob wir den Medien trauen können.“ Wie
       viele andere Gleichaltrige ist auch sie über „Veränderungen in ihrem
       Lebensstil“ zum Klima gekommen. Es begann damit, dass sie Vegetarierin
       wurde, auf Plastikverpackungen verzichtete und eine Bambuszahnbürste
       anschaffte. Dann erfuhr sie von Greta Thunberg. Seither streikt Olivia
       Wohlgemuth und will auch am Freitag dieser Woche wieder zur UNO kommen.
       
       Was Greta Thunberg bei ihrer Atlantiküberquerung besonders genossen hat,
       waren die Ruhe und der Frieden. „Ich werde das Gefühl vermissen, verbunden
       zu sein und den Ozean anzuschauen“, sagt sie. Nach ihren 15 Tagen
       Einsamkeit und frisch vom Boot ist die Ankunft ein erstes Kontrastprogramm.
       Am Ende ihrer Pressekonferenz geht die 16-Jährige über den mit
       Absperrgittern markierten Weg von der Bühne zurück zur „Malizia II“, um ihr
       Gepäck abzuholen. Unterwegs schüttelt sie Dutzende von Händen, die sich
       nach ihr ausstrecken.
       
       29 Aug 2019
       
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