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       # taz.de -- Proteste am Tag der Wohnungslosen: Wohltätige Rechtsextreme?
       
       > In der Gruppe Hand in Hand engagieren sich bekannte Neonazis in der
       > Obdachlosenhilfe. Die Wohltätigkeit wird ihnen aber nicht abgekauft.
       
   IMG Bild: Ehemals war der Neonazi Alexander Kurth bei Thügida aktiv. Am 11.9.19 gab er in Berlin den Wohltäter
       
       „Nichts in der Welt hätte mich in deren Arme getrieben, als ich obdachlos
       war“, schimpft Frida Peters. Sie zeigt auf die Gruppe Hand in Hand, die am
       11. September gemeinsam mit der Initiative Brückenküche einen Infostand zum
       Tag der Wohnungslosen vor dem Reichstagsgebäude aufbaut. 15 Menschen finden
       sich im Laufe des Mittags dort ein – darunter bekannte [1][Neonazis].
       
       Deren wohltätiges Engagement für Obdach- und Wohnungslose kauft ihnen die
       [2][Berliner Obdachlosenhilfe] nicht ab. Der Verein hat in Hör- und
       Sichtweite eine Gegenkundgebung mit rund 50 Teilnehmer:innen veranstaltet.
       
       Der Aufruf zur Kundgebung von Hand in Hand auf Facebook lässt zunächst
       keinen rechtsextremen Hintergrund vermuten. Es ginge um die soziale Frage
       und Unzulänglichkeiten der Politik. Doch die Mobile Beratung gegen
       Rechtsextremismus (MBR) stuft die Gruppe, die im Umfeld von Bärgida
       entstanden ist, als rechtsextrem und geflüchtetenfeindlich ein.
       
       Während Hand in Hand und Brückenküche noch den Infostand aufbauen, schallt
       bereits der erste Redebeitrag der Berliner Obdachlosenhilfe durch
       Lautsprecher. „Obdachlosenhilfe ist solidarisch und weltoffen, denn alle
       Menschen haben unabhängig ihrer Herkunft ein Recht auf ein besseres Leben“,
       erklärt Nicals Steger. Deshalb sei Obdachlosenhilfe notwendigerweise
       antifaschistisch.
       
       Cordula Gramzow von der Brückenküche sieht das anders. „Wir sind weder
       rechts noch links. Bei uns bekommen alle etwas zu essen, wir fragen die
       nicht, woher sie kommen.“ Dass mit Alexander Kurth und Jens Wilke
       bundesweit bekannte Neonazis als aktive Teilnehmer mitmischen, stört sie
       nicht. „Ob du bei der NPD bist, fragen wir nicht, denn es geht um die
       Menschen.“
       
       Alexander Kurth, ehemaliger Funktionär der NPD und der rechtsextremen
       Kleinstpartei Die Rechte, trat bei Hand in Hand seit 2016 als Koordinator
       und Redner in Erscheinung. Gemeinsam mit Jens Wilke, Gründer des
       rechtsextremen Freundeskreis Thüringen/Niedersachsen, betreibt er seit Mai
       2019 den Blog „ungetrübt Media“, auf dem einschlägige rechtspopulistische
       Inhalte vertreten sind.
       
       ## Neonazis sind nicht böse
       
       Alina Kolar vom Straßenmagazin arts of the working class ist auf der
       Gegenkundgebung vom Neonazi-Engagement nicht überrascht: „Sie verfolgen das
       Ziel, ihr Image reinzuwaschen.“ Whitewashing nenne man das, und so
       behaupteten Neonazis, dass sie gar keine wären, erläutert sie.
       
       Das gelte auch für die Brückenküche. Cordula Gramzow erklärt, dass sich
       ihre Initiative von Hand in Hand vor ein paar Wochen abgespaltet habe. Und
       zum Beweis ihrer Wohltätigkeit zeigt sie auf DIN A5 ausgedruckte Bilder der
       letzten Essensausgabe. „Wir sind nicht böse, wir wollen unseren Obdachlosen
       nur helfen“, beschwichtigt Gramzow.
       
       „Wer sind denn Ihre Obdachlosen? Besitzen Sie welche?“, grätscht Frida
       Peters sichtlich aufgebracht in die Schilderungen von Cordula Gramzow.
       Peters weiß, wovon sie redet. Mit Ende fünfzig hat sie ihre Wohnung in
       Charlottenburg verloren. Das war vor einem Jahr. Doch wie auch hier wusste
       sich die aufgeweckte Frau mit kurzem blonden Bobhaarschnitt durchzusetzen.
       Sie kennt die Szene: „Zuerst bekommt man von Hand in Hand was zu essen und
       dann heißt es, Ausländer sind schlecht. Sie teilen die Menschen in ein Wir
       und ein Sie.“
       
       Um Spaltungen in der Szene weiß auch Nicals Steger von der
       Obdachlosenhilfe. Er beobachte auch bei den Gästen rassistische und
       sexistische Tendenzen. Daher sei es umso wichtiger, hier nachhaltige
       politische Arbeit zu leisten und auch die Gäste für die Einflüsterungen der
       Rechtsextremen zu sensibilisieren.
       
       12 Sep 2019
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] /Schwerpunkt-Neonazis/!t5008534
   DIR [2] https://www.berliner-obdachlosenhilfe.de/
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Torben Becker
       
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