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       # taz.de -- Widerstand gegen AfD-Veranstaltung: Ein Dorf in Aufruhr
       
       > Die AfD-Frontfrau Beatrix von Storch kommt am Freitag zum „Bürgerdialog“
       > in das niedersächsische Schwagstorf gereist. Willkommen ist sie nicht.
       
   IMG Bild: Wird ihren Personenschutz sicher auch in Schwagstorf dabeihaben: Beatrix von Storch im Mai 2019
       
       Osnabrück taz | Noch ist die Welt in Ordnung im niedersächsischen
       Schwagstorf. Als Teil der Gemeinde Ostercappeln liegt der Ort idyllisch
       zwischen Moor und Wald, die Stadt Osnabrück ist nicht weit. Mit der
       Beschaulichkeit ist es für die rund 2.000 Einwohner bald vorbei, zumindest
       für einen Abend: Am Freitag hat sich die AfD in die kommunale Halle namens
       „Veranstaltungszentrum“ eingemietet, für einen „Bürgerdialog“.
       
       „Das ließ sich nicht verhindern“, sagt Rainer Ellermann (CDU),
       Bürgermeister der Gemeinde Ostercappeln. „Die AfD hat uns die Wahl
       gelassen, an welchem Tag sie kommen kann, mit einigen Monaten Vorlauf.“
       Eine Situation, mit der bereits viele Kommunen umgehen mussten. „Mir wäre
       es am liebsten, die Veranstaltung würde bei uns nicht stattfinden“, sagt
       Ellermann. Aber: „SPD und CDU haben hier ja ebenfalls schon Veranstaltungen
       durchgeführt. Und die AfD ist eine demokratisch gewählte Partei.“ Da ist
       die aktuelle Rechtsprechung eindeutig, auch die AfD muss kommunale oder
       städtische Räume mieten dürfen. „Eine Kommune darf da nicht tricksen. Wenn
       frei ist, ist frei“, sagt Ellermann.
       
       220 Plätze fasst der Teil der Halle, den die AfD über ihren Kreisverband
       Osnabrück in Schwagstorf gemietet hat. Auch Beatrix von Storch wird hier am
       Freitag sprechen, die Vizechefin der AfD-Bundestagsfraktion. Storch dürfte
       an die Region allerdings keine guten Erinnerungen haben nach ihrem
       kläglichen Wahlkampfauftritt auf dem Osnabrücker Marktplatz im April 2017,
       vor gerade einmal rund drei Dutzend AnhängerInnen, umringt von Tausenden
       GegendemonstrantInnen.
       
       „Ostercappeln ist weltoffen“, sagt Ellermann. „Seit Jahrzehnten haben wir
       bei uns Migranten aufgenommen – und das gern.“ Die Menschen hier seien
       „keine Freunde der Gedanken der AfD“, aber die Vermietung der Halle sei
       eben „ein ganz normales Geschäft, sofern etwas normal sein kann an einem
       Geschäft mit der AfD“. Und nun gelte es, „Unruhe zu vermeiden“.
       
       Für Unruhe sorgt Ellermann allerdings selbst. Erst vor wenigen Tagen hat er
       die Schwagstorfer über den „Bürgerdialog“ informiert. Den Gegnern der
       AfD-Veranstaltung bleibt daher kaum Zeit, Proteste auf die Beine zu
       stellen. Für noch mehr Unmut sorgt, dass Ellermann selbst eine
       Veranstaltung gegen die AfD angemeldet hat. Auf dem Kirchplatz von St.
       Marien, unweit der Halle, und zwar im Namen des Gemeinderats und der
       Ortsräte – mit sich selbst als Hauptredner.
       
       Eine große Sache wird das „eher nicht“, sagt der Bürgermeister und rechnet
       mit vielleicht rund 300 TeilnehmerInnen. Eine öffentliche Diskussion zu
       dieser offiziellen Gegenveranstaltung habe es nicht gegeben, so die Kritik.
       Viele stört auch, dass das Ganze zu Ende sein wird, noch bevor die AfD den
       Ort wieder verlassen hat.
       
       Ellermann warnt in der Einladung zur Demo unter Bürgermeister-Briefkopf vor
       „Störaktionen“ etwa von Gewerkschaften oder Verbänden. „Die AfD ist hier ja
       nicht der Störer“, sagt Ellermann auf Nachfrage der taz. „Die haben an
       Stress kein Interesse. Aber man muss fürchten, dass von der Gegenseite
       Chaoten kommen. Leute, die nur Krawall wollen.“
       
       Die Schwagstorfer organisieren nun aber auch ihren ganz eigenen Protest. Am
       Kreisverkehr, direkt an der Einmündung zur Marienkirche und zur
       Veranstaltungshalle, hängt ein Banner: „Wir reden Klar.Text. Wir sind
       bunt!“, steht da drauf. Es kommt von der Kirchengemeinde. Und am
       Dienstagabend haben sich Gegner der AfD-Veranstaltung auf der Diele eines
       Hofs kurz vor Schwagstorf getroffen.
       
       Bauern aus dem Ort und aus den Nachbargemeinden sitzen ebenso am Tisch wie
       Gruppen aus Osnabrück, die um Unterstützung gebeten worden sind. Sie
       stellen ihre Expertise, ihre Kontakte und ihr Equipment bereit. Mitglieder
       der Jusos, der grünen Jugend, der Sozialistischen Deutschen Arbeiterjugend
       bis zur Linksjugend solid sind da. Auch DGB-Vertreter sind dabei und
       solidarisieren sich.
       
       ## Bettlaken-Banner im Einsatz
       
       Sonja Hellbaum ist Landwirtin in Schwagstorf, sie ist auch zur
       Mobilisierungsveranstaltung auf den Hof gekommen. „Wenn sich
       Menschenverachtung zeigt, überschreitet das für mich eine Grenze“, sagt
       sie. Sie wird ein Bettlaken-Banner zum Einsatz bringen: „Alle Menschen sind
       Ausländer, irgendwo! Alle Rassisten sind Arschlöcher, überall!“ Das soll da
       draufstehen.
       
       Henning Aumund, ebenfalls Landwirt, sagt: „Ist doch Bürgerpflicht, dagegen
       aufzustehen. Wir sind ein nettes Dorf. Und wir wollen uns nicht nachsagen
       lassen: Die AfD war da, und ihr habt nichts getan.“ Aumund sorgt sich auch
       um den Ruf der Veranstaltungshalle: „Die ist ja ein Gemeinschaftswerk von
       uns. Und jetzt findet da so eine Scheiße statt.“
       
       Für die AfD ist die Region Osnabrück ohnehin seit jeher ein eher hartes
       Pflaster. Ihr Kreisverband ist schwach und zerstritten, bei der
       Bundestagswahl hat die AfD in der Stadt Osnabrück nur 6,3 und im Landkreis
       7,3 Prozent der Zweitstimmen erhalten. Und gegen ihre öffentlichen
       Auftritte in der Region formiert sich jedes Mal massiver Widerstand. Jetzt
       reiht sich auch das kleine Schwagstorf in den Widerstand ein.
       
       12 Sep 2019
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Harff-Peter Schönherr
       
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