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       # taz.de -- Sigmar Gabriel präsentiert Kubicki-Buch: Wenn zwei sich mögen
       
       > Der Ex-SPD-Chef und der FDP-Politiker legen in Berlin einen einträchtigen
       > Auftritt hin. Dabei schimpfen sie über die jungen Leute – und die Medien.
       
   IMG Bild: Kubicki und Gabriel am Mittwoch in Berlin: Flüchtlingskinder unter sich
       
       Berlin taz | Eine Hand wäscht die andere, das gilt auch in der Politik –
       und so übernimmt Sigmar Gabriel bei der Vorstellung des Buchs von Wolfgang
       Kubicki die Rolle des Laudators. Im September 2018 war es andersherum
       gewesen.
       
       Jetzt also zieht der FDP-Mann als Autor nach. „Sagen, was Sache ist“, das
       ist der Titel des am Donnerstag in Berlin vorgestellten Erstlings des
       Bundestagsvizepräsidenten. „Klartext aus dem Norden“ verspricht der Verlag.
       
       Gleich zu Beginn, als Sigmar Gabriel sich in seinen Eingangsworten als
       „Wolfgang Kubicki-Fan“ bezeichnet, wird klar: Hier sitzen zwei, die sich
       gegenseitig schätzen – wobei vor allem einer in erster Linie sich selbst
       schätzt. Das offenbaren die nächsten 60 Minuten.
       
       Gabriel hebt hervor, dass Kubickis Autobiographie dunklere Episoden nicht
       ausspare, wie die Freundschaft zu Jürgen Möllemann. Doch das Buch erschöpfe
       sich nicht in Erinnerungen, sei ein „Lehrbuch für Jungpolitiker, ein
       „Plädoyer für Freiheit und Verantwortung“.
       
       ## Flüchtlingskinder unter sich
       
       Gabriel und Kubicki kommen beide aus Flüchtlingsfamilien (Gabriels Mutter
       stammte aus Ostpreußen, Kubickis Vater aus Schlesien). „Die soziale
       Anerkennung, die musst du dir erkämpfen“, habe er, Kubicki, sich gedacht.
       So sei es ja auch bei „Sigmar“ gewesen. „Vielleicht mögen wir uns deshalb.“
       
       Nicht mögen tut Kubicki dagegen das Groß der neuen Politikergeneration:
       „Karrierefeiglinge“, auch in der FDP. Besonders ärgert ihn, der nach wie
       vor als Rechtsanwalt in der eigenen Kanzlei arbeitet, die mangelnde
       Lebenserfahrung. „Eigentlich sollte jeder zwei bis drei Jahre gearbeitet
       haben, bevor er in den Bundestag einzieht.“ Es folgt eine unverhohlene
       Kehrseite gegen Kevin Kühnert.
       
       Gabriel, der deutlich weniger zu Wort kommt, wirkt da ruhiger. Er beklagt
       die Entfremdung von unteren Gesellschaftsschichten. Aber auch die fehlende
       Bereitschaft, Ortstermine wahrzunehmen.
       
       Kubicki kann dagegen nicht verstehen, dass manche Abgeordnete in der
       Sommerpause Kurz-Praktika absolvieren, um in andere Berufe
       reinzuschnuppern. Das sei ihm nicht möglich, er sei in der Kanzlei. „Da
       höre ich viel von Menschen.“ Unklar bleibt, wie ein Top-Rechtsanwalt so von
       den Nöten eines Altenpflegers oder einer Erzieherin erfährt.
       
       ## Ein bisschen selbstgefällig
       
       Der Eindruck der Selbstgefälligkeit stellt sich nach und nach ein – aber
       vielleicht haben Präsentationen von Autobiographien das auch an sich.
       
       Dass „alte, weiße Männer“ in der FDP die Chancen gerader junger
       Abgeordneten verhinderten, sei jedenfalls falsch. „Wir haben die jüngste
       Fraktion im Bundestag.“ Aber [1][auch ein Frauenproblem]. Darauf kommt
       Kubicki, der sich immer wieder das Image des Frauenhelden gibt, allerdings
       nicht zu sprechen.
       
       Befremdlich ist seine offensichtliche Genugtuung, die er angesichts der
       finanziellen Schwierigkeiten der Medien empfindet – nicht zuletzt für
       Moderatorin Christiane Hoffmann vom Spiegel. Das Magazin und die Medien
       kommen bei Kubicki sowieso nicht gut weg. „Die sogenannte seriöse Presse“
       habe sich „ergötzt am Schicksal der FDP“. Er ärgert sich über Verkürzungen,
       falsche Darstellungen. Auch Gabriel würde doch eine „heimliche Freude“ über
       die Probleme der Medienbranche empfinden, sagt er und klopft ihm auf das
       Bein. Gabriel allerdings scheint weniger freudig, beklagt jedoch den oft
       respektlosen Umgang von Journalisten mit Politikern.
       
       ## „Alle wollen Beifall von Greta“
       
       Leidenschaftlich diskutieren beide über den Umgang mit der AfD und
       Umweltschutz. Beide sind sich einig: Die Menschen dürfe man nicht
       vergessen. Gabriel gewinnt an Oberwasser. In einem früheren
       Braunkohleausstieg sieht er reine „Symbolpolitik“: „Alle wollen nur den
       Beifall von Greta und Fridays for Future.“
       
       Interessant ist: Kubicki rät zu einem „entspannteren“ Umgang mit Fridays
       for Future. Sein Parteichef Lindner hat sich dadurch bisher ja nicht
       ausgezeichnet. Auch er, Kubicki, habe in seiner Jugend die Schule für
       Demonstrationen geschwänzt. Und dass vieles, was dieser Mann gemacht hat,
       richtig war – diesen Eindruck vermittelt zumindest er selbst.
       
       4 Sep 2019
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] /FDP-Parteitag-in-Berlin/!5588065
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Julia Kitzmann
       
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