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       # taz.de -- Restitutionsforderung der Hohenzollern: Antisemitischer Adel
       
       > Der Hohenzollern-Clan sieht sich neuerdings im NS-Widerstand. Dem
       > widersprechen HistorikerInnen und belegen das mit eindeutigem Material.
       
   IMG Bild: Beinharter Antisemit: Kaiser Wilhelm II.
       
       Juden und Mücken sind eine Pest, von der sich die Menschheit so oder so
       befreien muss. Ich glaube, das Beste wäre Gas.“ Dieses Zitat stammt nicht
       von Adolf Hitler. Nein, es ist ein Originalausspruch des gestürzten
       deutschen Kaisers Wilhelm II. aus dem Jahre 1927. Ex-Kaiser Wilhelm II. saß
       zu dieser Zeit im Exil und sann darüber nach, welche politischen Kräfte ihn
       zurück an die Macht befördern könnten.
       
       Galt er bis zum Sturz der Monarchie (1918) als „Salonantisemit“, wurde er
       danach zum „fanatischen Judenhasser“. Daran erinnert aktuell die
       Historikerin Karina Urbach. Sie lehrt in Princeton und machte sich als
       Historikerin mit dem Buch „Hitlers heimliche Helfer. Der Adel im Dienst der
       Macht“ einen Namen. Nun erscheint dieser Tage auf der Internetplattform
       [1][perspectivia.net] ein weiterer Forschungsbericht zum Thema, im
       Manuskript trägt er den Titel, „Nützliche Idioten. Die Hohenzollern und
       Hitler“.
       
       Urbachs Recherche ist hochbrisant. Derzeit verhandelt nämlich der Ururenkel
       Wilhelm des II., des letzten Deutschen Kaisers und Königs von Preußen,
       [2][der 1976 geborene Georg Friedrich Ferdinand Prinz von Preußen, für den
       heutigen Hohenzollern-Clan um die Rückgabe großer Vermögen.] Diese waren
       zumindest zu einem Teil im Osten Deutschlands nach 1945 eingezogen worden.
       Die Hohenzollern galten als Kriegsverbrecher, als Teil jener Eliten, die
       Adolf Hitler und der NSDAP den Weg an die Macht geebnet hatten.
       
       Doch mit dem Fall der Mauer 1989 witterten auch die Hohenzollern
       Morgenluft. Seither verhandeln sie mit Bund und Ländern über zusätzliche
       Vermögen, die ihnen wegen der Enteignungen im Osten angeblich zustehen. Es
       geht um Geld, wertvolle Antiquitäten und Kunstgegenstände, historische
       Schlösser und Liegenschaften. An diese käme der Clan aber nur bei
       Umschreibung der Geschichte. Denn ein 1994 verabschiedetes Gesetz
       verhindert Entschädigungen an Personen oder Institutionen und deren Erben,
       sofern sie in die Verbrechen des Nationalsozialismus verstrickt waren
       
       ## Burg Fake News in Hechingen
       
       Der Hohenzollern-Clan kann also nur an den enteigneten Teil des Vermögens
       gelangen, sofern er die Geschichtsschreibung verändert – sich anstatt als
       Hitlers willige Helfer als ein Milieu antifaschistischer Widerständler
       präsentiert. Die Nazis als der Plebs, die hochgestellten Herren aus Adel,
       Reichswehr und Industrie als die feingesinnten Konservativen, die nur das
       Beste für Deutschland wollten und vom fiesen Adolf getäuscht wurden. Doch
       selbst wenn die Aktenverwalter des Archivs auf Burg Fake News in Hechingen
       ganze Arbeit geleistet haben sollten, daraus dürfte nichts werden.
       
       Zu viele Quellen sind bekannt, zu viele Dokumente existieren, die belegen
       können, welcher Gesinnung der Hohenzollern-Clan mehrheitlich bis 1945
       anhing. Oder wie es der Historiker Stephan Malinowski in einem Interview
       gerade einmal in anderer Richtung zusammengefasst hat: „Von den wichtigsten
       Mitgliedern der Familie ist vor 1945 keine einzige öffentliche Erklärung
       gegen den Nationalsozialismus bekannt“.
       
       Anderes hingegen schon. Karina Urbach zitiert einen Ex-Kaiser Wilhelm II.
       der 1935, zwei Jahre nach der Etablierung von NS-Diktatur und KZs, im Sinne
       der Nazis gegen Parlamentarismus und Demokratie polemisiert. Der einem
       monarchisch gesinnten amerikanischen Freund in einem Brief den
       bevorstehenden „Rassenkrieg“ erklärt: „ The whole of the coloured world –
       yellow, black – have been aroused and are forming against White.“ Ähnliche
       Auffassungen vertraten auch Kronprinz Wilhelm (1882–1947) oder der
       Kaiserenkel Louis Ferdinand (1907–1994), der eine enge Bindung zu dem
       bedeutenden Antisemiten und Unternehmer Henry Ford in den USA unterhielt.
       
       „Besondere Zeiten und Umstände erheischen besondere Maßnahmen“, pflegte
       Ex-Kaiser Wilhelm II. so etwas bagatellisierend abzutun. Der Adel von
       gestern täte als Bürger von heute jedoch gut daran, sich seiner Schuld(en)
       zu stellen, keineswegs umgekehrt.
       
       15 Sep 2019
       
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