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       # taz.de -- EM-Qualifikationsspiel gegen Niederlande: Deutschland nicht ganz dicht
       
       > Die DFB-Elf verblüfft bei der 2:4-Niederlage gegen die Niederlande mit
       > ihrer defensiven Ausrichtung. Instabil ist sie dennoch.
       
   IMG Bild: Da geht's lang – oder doch nicht? -Bundestrainer Löw weiß es auch nicht
       
       Berlin taz | Vor zwei Jahren noch hätte man sich dieses Länderspiel nicht
       einmal ausdenken können. Eine Halbzeitführung einer deutschen
       Nationalmannschaft unter Löws Regentschaft vor eigenem Publikum, die den
       Ball lieber dem Gegner überlässt? Eine geradezu surreale Vorstellung.
       
       Und die Pointe vom Freitagabend, dass dem Team von Bundestrainer Joachim
       Löw beim Versuch, druckvoller zu spielen, die Partie gar mit 2:4 aus den
       Händen glitt, hätte man sowieso als endgültigen Beweis völlig abgedrehter
       Fantasie ausgemacht. Der Ballbesitzfußball von Löw trug ja fast schon
       religiöse Züge, galt jahrelang als Fundament der großen Erfolge. Und wie
       den Papst konnte man sich auch Löw nie als Konvertiten vorstellen.
       
       Auf gerade einmal 39 Prozent Ballbesitz kam die deutsche Elf in der ersten
       Hälfte beim EM-Qualifikationsspiel gegen die Niederlande. „Dass wir
       kontrolliert verteidigen, war schon unser Plan“, sagte Julian Brandt. Eine
       schwarze Basecap überschattete Großteile seines Gesichts und das erschien
       ihm an diesem Abend möglicherweise nicht nur aus modischen Gründen
       vorteilhaft.
       
       Das [1][WM-Scheitern 2018] hatte Löw zu einer Kurskorrektur bewegt, „fast
       gestorben“ sei man in diesem Ballbesitz, sagte er erst kǘrzlich. Schnelle
       Gegenangriffe, so wie das frühe Führungstor durch Serge Gnabry (9. Minute),
       dem ein sehenswerter weiter und präziser Pass von Joshua Kimmich auf Lukas
       Klostermann vorausgegangen war, sind für den Chefcoach neuerdings das Non
       plus Ultra.
       
       Nur hatten diese auch in Hamburg Seltenheitswert. Übrig blieb der für sich
       genommen wenig attraktive Dominanzverzicht. Aber zu solch einem radikalen
       Gegenentwurf ureigenster Anschauungen hätte die Partie gar nicht ausarten
       sollen. Löw sagte: „Obwohl wir 1:0 in Führung waren, hatte man nie das
       Gefühl gehabt, dass wir das Spiel unter Kontrolle haben.“ Er sei
       „enttäuscht“.
       
       ## Nächster Gegner: Nordirland
       
       Warum man sich das Spiel der Niederländer so aufzwingen ließ, konnte keiner
       so richtig erklärten. „Das hat sich so ergeben“, sagte Marco Reus und
       machte das Pressing der Gäste dafür verantwortlich.
       
       Beim Hinspiel im März in Amsterdam hatte die DFB-Elf sich dem Druck noch
       widersetzt, selbst viel höher verteidigt und dank der vielen Tempovorstöße
       viele Komplimente eingeheimst. Dieser eine Auftritt war für einige
       beweiskräftig genug, um das Team wieder in die Kategorie Weltklasse
       einzuordnen. Die deutschen Fans hatten vor der Partie mit einem Spruchband
       „Von Hamburg über München bis nach London“ verdeutlicht, dass sie das Team
       bereits auf dem direkten Weg ins Finale zur EM 2020 sehen.
       
       In den letzten Tagen ließ sich auch Löw dazu verleiten, über seine
       Luxusprobleme zu sinnieren, dank derer er solch einen begnadeten Spieler
       wie Kai Havertz auf der Bank Platz nehmen lassen kann. Wie Brandt kam der
       19-Jährige erst zur zweiten Halbzeit. Aus dem Blick gerieten dabei die
       eigentlichen Probleme. Die Defensive der DFB-Elf ist fehleranfälliger denn
       je, was sich am Freitagabend insbesondere im Aufbauspiel zeigte.
       
       Jonathan Tah, Nico Schulz oder Matthias Ginter (beim 2:3 der Niederländer)
       spielten zu häufig den Ball dem Gegner in die Füße. Und in diesem Bereich
       verfügt Löw über kaum Alternativen. Als vermisst kann allenfalls der
       verletzte Antonio Rüdiger gelten. Der ausgebootete Mats Hummels sorgte
       [2][via Twitter für Aufregung] in den sozialen Netzwerken. Nur wenige
       Minuten nach dem eben nicht so tollen Auftritt der DFB-Elf in Hamburg
       postete er vom frühabendlichen Freundschaftskick der Dortmunder bei einem
       Regionalligisten: „Toller Test heute in Cottbus bei einer besonderen
       Atmosphäre.“
       
       Die Debatte um die von der Weltklasse doch sehr weit entfernte Defensive
       wird Joachim Löw weiter begleiten. Vielleicht folgt die Fortsetzung schon
       am Montag nach der Partie gegen Nordirland in Belfast.
       
       7 Sep 2019
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] /Kommentar-WM-Aus-fuer-Deutschland/!5608520
   DIR [2] https://twitter.com/matshummels/status/1170073977114550272
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Johannes Kopp
       
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