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       # taz.de -- Israel vor der Wahl: Netanjahus letzte Chance
       
       > Israels Regierungschef kämpft ums politische Überleben. Für die
       > Palästinenser spielt es indes kaum eine Rolle, wer die Wahl kommende
       > Woche gewinnt.
       
   IMG Bild: Könnte bald aus der Regierung fliegen: Benjamin Netanjahu
       
       Jerusalem taz | Eine Woche vor der Wahl zeichnet sich in Israel erneut eine
       Pattsituation ab. Zum zweiten Mal in nur sechs Monaten werden Israels
       mündige Bürger am 17. September an die Wahlurnen gerufen. Umfragen sehen
       die beiden aussichtsreichsten Kandidaten für das Amt des
       Ministerpräsidenten gleichauf. Sowohl Amtsinhaber Benjamin Netanjahu mit
       seinem konservativen Likud als auch sein Herausforderer Benny Gantz, Chef
       des Bündnisses Blau-Weiß, würde demnach mit gut einem Viertel der Sitze ins
       Parlament einziehen.
       
       Obwohl die rechten Parteien nach der [1][Wahl im April] zusammen die
       Mehrheit in der Knesset hatten, schaffte Netanjahu es nicht, eine
       Regierungskoalition zusammenzustellen. Schuld war ausgerechnet sein
       früherer politischer Ziehsohn und Büroleiter Avigdor Lieberman. Der Chef
       der weltlich-nationalen Partei Israel Beteinu (Israel ist unser Heim) war
       nicht mit den ultraorthodoxen Politikern unter einen Hut zu bringen.
       
       Lieberman gilt nun erneut als Königsmacher. Während er im April 5 von 120
       Parlamentsmandaten erreichte, sagen ihm Umfragen jetzt gut das Doppelte
       voraus. Seine neuen Wähler sind unter den Netanjahu-Überdrüssigen zu suchen
       und unter den weltlichen Israelis, die die Privilegien der Ultraorthodoxen
       leid sind. Lieberman fordert insbesondere beim Militärdienst gleiche Rechte
       und Pflichten für alle Bürger.
       
       Die kommende Wahl ist Netanjahus letzte Chance, einer Anklage und
       vermutlich auch dem Gefängnis zu entkommen. Israels Oberstaatsanwalt will
       den noch amtierenden Regierungschef wegen Korruption vor Gericht zu
       bringen. Netanjahu habe Geschenke angenommen, unkoschere Absprachen mit
       einem Zeitungsverleger getroffen und ein Nachrichtenportal begünstigt, um
       Einfluss zu nehmen auf die Berichterstattung über sich und seine Familie.
       Retten könnte ihn eine Rechtsreform, die er in einer weiteren
       Regierungsperiode mit seinen treuen Partnern, so hofft er, durchsetzen
       würde, um als Ministerpräsident dieselbe Immunität zu genießen wie der
       Staatspräsident.
       
       ## „Nicht noch mal Bibi“
       
       Die Person Netanjahu ist für viele Wähler entscheidend. Seine Hetzkampagne
       gegen Intellektuelle, Regimekritiker und die arabische Minderheit im Land,
       gegen die Medien und sogar die Polizei nährt die berechtigte Sorge um die
       Rechtsstaatlichkeit. Hinzu kommt das Erstarken des ultraorthodoxen Sektors,
       dessen Vertretern Netanjahu aus eigenem Machtkalkül große Freiräume lässt.
       
       Benny Gantz ist der erste Politiker seit Jahren, der eine Chance hat,
       Netanjahu zu schlagen. Die Devise „Nicht noch mal Bibi (Netanjahu)“
       motiviert sogar Linke, für Gantz zu stimmen, obschon er kaum für eine linke
       Politik steht. Der Begriff „Palästinenser“ findet im Programm von Blau-Weiß
       keine Erwähnung, und um die latente Gefahr, die aus dem Gazastreifen droht,
       zu bannen, verspricht er, mit noch härterer Hand gegen die Hamas
       vorzugehen. Inhaltlich nehmen sich Likud und Blau-Weiß so wenig, dass Gantz
       ein Zusammengehen beider Parteien anstrebt – allerdings unter der
       Bedingung, dass Blau-Weiß federführend und er selbst Regierungschef wird.
       
       Für die Palästinenser spielt es keine Rolle, wer die künftige Regierung in
       Jerusalem stellt. Weder Netanjahu noch Gantz halten neue Angebote bereit,
       um den Friedensdialog zu reaktivieren. Doch ob die Regierung von
       Koalitionspartnern mitgetragen wird, die wie die neue Rechtspartei Jamina
       (Nach rechts) eine Annexion von Teilen des Westjordanlands fordern, oder
       von linken Parteien, die zumindest regelmäßig an das Problem Besatzung
       erinnern, dürfte ihnen nicht egal sein. Ex-Ministerpräsident Ehud Barak
       will mit seinem neuen Bündnis Demokratisches Lager die Zweistaatenlösung
       vorantreiben, und auch die Arbeitspartei, die im April auf ein historisches
       Tief von nur sechs Mandaten fiel, strebt grundsätzlich nach einer Einigung
       mit den Palästinensern.
       
       10 Sep 2019
       
       ## LINKS
       
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       ## AUTOREN
       
   DIR Susanne Knaul
       
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